„Wir wollen international sichtbarer und bekannter werden“

Hochschule Fulda

Als Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz zuständig für die HAWs: Prof. Dr. Karim Khakzar, Präsident der Hochschule Fulda.

Vor mehr als 50 Jahren wurde in Deutschland die erste Fachhochschule gegründet. Mittlerweile gelten die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) als Erfolgsmodell. Im Interview spricht Prof. Dr. Karim Khakzar, Präsident der Hochschule Fulda und für die HAWs zuständiger Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), über Erfolge und Herausforderungen der Internationalisierung von HAWs. 

Herr Professor Khakzar, die HAWs setzen seit den 2010er Jahren verstärkt auf Internationalisierung. Warum ist es so wichtig, dass sie sich diesem Thema widmen?
Die Welt vernetzt sich und die Globalisierung schreitet voran. Deswegen müssen wir den Studierenden an den HAWs internationale und interkulturelle Kompetenzen mit auf den Weg geben – mit der Folge, dass unsere Studiengänge internationaler werden. Wir bieten inzwischen immer mehr englischsprachige Studiengänge an, die für Studierende aus der ganzen Welt interessant und attraktiv sind. Gleichzeitig hat das für Studierende aus Deutschland den großen Vorteil, dass sie auf dem Campus in Kontakt mit internationalen Studierenden kommen. Dadurch können sie Erfahrungen sammeln, die im späteren Berufsleben sehr wichtig und hilfreich sind und inzwischen von vielen Arbeitgebern auch erwartet werden. Dass vermehrt internationale Studierende zu uns kommen, ist aber auch wichtig, weil wir in Deutschland insbesondere in technischen Disziplinen wie der Informatik und den Ingenieurwissenschaften einen erheblichen Fachkräftemangel haben. Den können wir aufgrund der demografischen Entwicklung nicht mehr mit dem eigenen Nachwuchs decken. Deswegen sind wir darauf angewiesen, dass Menschen aus der ganzen Welt zum Studium zu uns kommen und hier ansässig werden oder zumindest einen Teil ihres beruflichen Werdegangs hier verbringen. Das stärkt die Wirtschaft und sichert letztendlich den Wohlstand in unserem Land. 

Welche Erfolge können die HAWs bisher vorweisen?
Die Zahl der internationalen Studierenden ist in den vergangenen Jahren – lässt man mal die spezielle Situation durch die Coronapandemie außen vor – kontinuierlich gewachsen. Mittlerweile sind knapp 140.000 Studierende aus dem Ausland an den HAWs eingeschrieben, sie machen rund 14 Prozent der HAW-Studierenden aus. Die große Mehrheit unserer HAWs misst der Internationalisierung eine große Bedeutung bei und wirbt daher bei Interessierten aus dem Ausland für ein Studium in Deutschland. Die deutsche Sprache ist dabei nach wie vor die größte Hürde, die sich jedoch durch Lehrveranstaltungen in Englisch abbauen lässt. An der Hochschule Fulda bieten wir mittlerweile in allen über 60 Bachelor- und Master-Studiengängen einzelne englischsprachige Module an. Neun Studiengänge sind bilingual aufgebaut, das heißt, sie werden zum Teil in Deutsch und zum Teil in Englisch angeboten. Drei Studiengänge finden komplett in englischer Sprache statt, wie etwa der Master-Studiengang „Global Software Development“. Die Zahl der Bewerbungen für diese englischsprachigen Studiengänge ist dank der hohen Nachfrage aus dem Ausland um ein Vielfaches höher als bei vergleichbaren deutschsprachigen Studienangeboten. Der zusätzliche Aufwand lohnt sich in jedem Fall.

Welche Akzente können die HAWs im Unterschied zu den Universitäten setzen?
Für internationale Unternehmen ist es von Vorteil, dass die HAW-Studierenden beispielsweise schon während des Studiums Praktika in Firmen absolvieren und dort in der Regel auch ihre Abschlussarbeiten schreiben. Sie bringen daher bereits Praxiserfahrung mit in den Job. Die klassischen Studienangebote der HAWs decken in vielen Fällen den Bedarf ab, der insbesondere in Schwellenländern besonders hoch ist. So werden in Deutschland die meisten Absolventinnen und Absolventen im Ingenieurwesen, in der Informatik, in den Gesundheitswissenschaften oder in der Betriebswirtschaftslehre an den HAWs ausgebildet und nicht an den Universitäten. Und genau für diese Fächer suchen Arbeitgeber in vielen Ländern praxiserfahrene Hochschulabsolventinnen und -absolventen, weil die Hochschulbildung vor Ort häufig sehr theoretisch abläuft oder es schlichtweg zu wenige Studienplätze gibt. Deutsch-internationale Hochschulgründungen wie die German Jordanian University in Amman oder die German International University in Ägypten setzen deshalb gezielt auf das HAW-Modell, weil das die Nachfrage vor Ort sehr gut abbildet.

Wo sehen Sie derzeit Hürden für die HAWs, sich stärker zu internationalisieren? Am Beispiel der geringen Teilnahme der HAWs an der EU-Initiative „Europäische Hochschulnetzwerke“ hat sich ja gezeigt, dass es durchaus noch Defizite gibt.
Viele HAWs würden sich gerne an dieser EU-Initiative beteiligen, allerdings ist der Bewerbungsprozess sehr aufwendig, insbesondere wenn die Hochschule noch kein existierendes Netzwerk vorweisen kann. Wir hoffen, dass HAWs bei der nächsten Ausschreibungsrunde bessere Chancen erhalten, denn der Wunsch, sich europäisch zu vernetzen, ist auch unter den HAWs sehr groß. Letztendlich mag die geringere Vernetzung der HAWs im Ausland auch eine Folge eines Image-Nachteils sein, der ganz wesentlich auf den geringen Bekanntheitsgrad des Hochschultyps im Ausland zurückzuführen ist. So vermuten viele, dass unsere Studienangebote eher einer klassischen dualen Ausbildung entsprechen, die im Ausland als vocational training bezeichnet wird. Häufig ist nicht bekannt, dass die Forschung mit einem starken Anwendungsbezug inzwischen zu unseren gesetzlichen Aufgaben zählt und erste HAWs bereits das eigenständige Promotionsrecht erhalten haben, was für das internationale Renommee sehr wichtig ist. Richtig ist aber auch, dass wir mehr Personal im administrativen Bereich bräuchten, um etwa Anträge für internationale Forschungsprojekte zu schreiben und um internationale Netzwerke dauerhaft pflegen zu können. Da sind Universitäten in ihren International Offices in der Regel deutlich besser ausgestattet. Auch wenn die HAWs bereits einiges aufgeholt haben, existiert hier noch Nachholbedarf.

Welche Lösungsansätze gibt es?
Zum einen wollen wir international sichtbarer und bekannter werden. Eine schnell umsetzbare Maßnahme wäre eine englischsprachige Fassung der Webseite unglaublich-wichtig.de, die wir zum 50-jährigen Bestehen der HAWs entwickelt haben, als Informationsquelle für internationale Partner. Wir brauchen aber auch weiterhin auf die HAWs zugeschnittene zusätzliche Mittel, etwa über den DAAD, der die HAWs bereits bisher durch spezielle Programme wie „HAW.International“ erfolgreich fördert. Und auch die Landesministerien sollten die HAWs noch stärker auf ihrem Weg zur Internationalisierung unterstützen. Die Landesregierung in Hessen beispielsweise fördert HAWs etwa bei der Beantragung von EU-Fördermitteln und finanziert EU-Referentinnen und -referenten an den HAWs. Dies alles sind wichtige Schritte in Richtung Internationalisierung von HAWs. 

Benjamin Haerdle (4. November 2021)

50 Jahre HAW

Ausgewählte HAW-Projekte der Kampagne unglaublich-wichtig.de mit internationalem Fokus: 

  • Unglaublich verbindend: Studierende der Hochschule Hamm-Lippstadt haben mit Kommilitoninnen und Kommilitonen der ghanaischen Partnerhochschulen Koforidua Technical University und der Ho Technical University einen Nabenhinterradmotor entwickelt. Er ist als elektrischer Antrieb für ein neuartiges E-Bike geplant.  
     
  • Unglaublich energiegeladen: Ein internationales Studierendenteam der Hochschule Stralsund arbeitet an einem Antriebskonzept für einen innovativen Rennwagen – mit Erfolg. Das Team holte sich mit dem Rennauto 2019 schon zum dritten Mal den Europameistertitel „Prototype Hydrogen“ beim Shell Eco-marathon in London. 
     
  • Unglaublich flexibel: Wenn die Stanford University ruft, hilft man gerne. Die TH Lübeck hat der US-Hochschule für die SARS-CoV-2-Forschung große Mengen an Rechenkapazität ihrer Server bereitgestellt. Damit konnte die Stanford University datenintensive Computersimulationen durchführen. 
     
  • Unglaublich international: Studierenden der Ernst-Abbe-Hochschule Jena gelang es, im Rahmen einer bilateralen Vereinbarung zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der Schwedischen Nationalen Raumfahrtbehörde von Lappland aus eine Rakete in die Atmosphäre zu schicken. In 80 Kilometer Höhe löste sich ein kleiner Gleitflieger von der Rakete und kehrte Richtung Erde zurück.
     
  • Unglaublich sinnvoll: Aus der TH Lübeck kommt eine Idee, die das Potenzial hat, den Krankenhausbau in von Kriegen und Konflikten geprägten Teilen der Welt zu revolutionieren. Die TH-Architekturabsolventin Sarah Friede hat eine Modulbauweise für Krankenhausneubauten entwickelt.