Verleihung des Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preises in neuem Format

Privat/Gabor

Die Preisträgerinnen und der Preisträger 2021 und 2020: Dr. Evgenii Stepanov, Prof. Dr. Fania Oz-Salzberger, Prof. Dr. Nicola McLelland und Dr. Marceli Cherchiglia Aquino (v. o. l. im UZS).

Erstmalig sind der Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis sowie der gleichnamige Förderpreis im Rahmen einer rein digitalen Veranstaltung übergeben worden. Pandemiebedingt wurden die Preisträgerinnen und der Preisträger von 2020 und 2021 gemeinsam geehrt. Bereichert wurde die Preisverleihung zudem durch eine anregende Podiumsdiskussion, die ganz im Zeichen der internationalen Perspektive auf die Germanistik stand.

Alles anders in pandemischen Zeiten: Weil die Verleihung des Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preises im vergangenen Jahr ausfallen musste, fand sie Ende Juli im Rahmen des XIV. Kongresses der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG) erstmals digital und in neuem Format statt. Geehrt wurden drei Wissenschaftlerinnen und ein Wissenschaftler aus dem Ausland, die sich bei der Erforschung und Vermittlung der deutschen Sprache, Literatur und Kultur in herausragender Weise engagieren. Der mit 10.000 Euro dotierte Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis geht 2020 an Prof. Dr. Nicola McLelland von der Universität Nottingham und 2021 an Prof. Dr. Fania Oz-Salzberger von der Universität Haifa. Den gleichnamigen Förderpreis erhalten 2020 Dr. Marceli Cherchiglia Aquino von der Universität Sao Paulo und 2021 Dr. Evgenii Stepanov von der Universität St. Petersburg.

Grimm-Preisträgerin 2021: Prof. Dr. Fania Oz-Salzberger

Prof. Dr. Fania Oz-Salzberger ist emeritierte Professorin für Geschichte an der Juristischen Fakultät und am DAAD-geförderten „Haifa Center for German and European Studies“ der Universität Haifa, Israel. Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen auf dem Gebiet der Geistes- und Politikgeschichte sowie der Jüdischen Studien. Innerhalb ihrer Schwerpunkte arbeitet Oz-Salzberger häufig zu deutschlandbezogenen Themen, pflegt vielfältige Kontakte in die Bundesrepublik und setzt sich mit großem Engagement für die deutsch-jüdischen und deutsch-israelischen Beziehungen ein.

Grimm-Preisträgerin 2020: Prof. Dr. Nicola McLelland

Prof. Dr. Nicola McLelland lehrt „German and History of Linguistics“ an der University of Nottingham in Großbritannien und verfolgt mit ihrem wissenschaftshistorischen Ansatz die geschichtliche Entwicklung des deutschen Fremdsprachenunterrichts seit 1500 in Großbritannien. Zuvor war sie am Trinity College in Dublin tätig. Promoviert hat sie an der University of Sydney in mittelalterlicher Literatur. Sie zeichnet sich innerhalb der britischen Germanistik und auch international durch ein breit aufgestelltes Forschungsinteresse an unterschiedlichen Teilbereichen der germanistischen Linguistik aus.

Grimm-Förderpreisträger 2021: Dr. Evgenii Stepanov

Dr. Evgenii Stepanov lehrt und forscht derzeit an der Staatlichen Universität Sankt Petersburg, einer der renommiertesten Universitäten Russlands. Als Germanist unterrichtet er dort unter anderem Dolmetschen sowie Übersetzen und treibt seine Forschung zu interkultureller Kommunikation, linguokulturellen Phänomenen und kognitiver Linguistik voran. Bei zahlreichen Forschungsaufenthalten und Fortbildungen, beispielsweise an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität und der Universität Greifswald, beschäftigte er sich mit Themen wie Digitale Medien oder Methoden der Fremdsprachenforschung.
 

Grimm-Förderpreisträgerin 2020: Dr. Marceli Cherchiglia Aquino

Dr. Marceli Cherchiglia Aquino ist seit Herbst 2019 Dozentin für Deutsche Sprache und Linguistik an der Universidade de São Paulo, der größten und renommiertesten Universität Brasiliens. Sie widmet sich in ihren Untersuchungen der interkulturellen Kommunikation zum Sprachenpaar Deutsch-Portugiesisch im Fremdsprachunterricht in Brasilien. Sie versteht es, verschiedene Fachbereiche zusammenzubringen, arbeitet dabei immer wieder auch kontrastiv und war bereits in zahlreichen Forschungsprojekten aktiv.

„Die Preisträgerinnen und Preisträger eröffnen mit ihrer Arbeit neue Sichtweisen im wissenschaftlichen Austausch und tragen über das Fachliche hinaus zur kulturellen Verständigung bei. In ihrer Forschung nehmen sie nicht nur traditionelle Fragestellungen ihres Fachs in den Blick, sondern leisten auch einen großen Beitrag zur internationalen Germanistik“, sagte DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee im einleitenden Grußwort.

Verleihung des Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preises im neuen Format

DAAD

Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis als Motivation und Bestätigung
Nach der Verleihung mit Ehrungen durch Fachkolleginnen und Fachkollegen folgte als neu geschaffener Programmpunkt eine sehr lebendige Podiumsdiskussion mit den vier Forschenden und Christian Müller, dem stellvertretenden DAAD-Generalsekretär. In deren Mittelpunkt standen konkrete Projekte der Preisträgerinnen und des Preisträgers sowie die internationale Perspektive auf das Fach Germanistik. In seinen einführenden Worten betonte Müller, dass sich der DAAD seit vielen Jahrzehnten für die Förderung der Germanistik im In- und Ausland einsetzt. Forschende und Studierende der Disziplin unterstütze man bei der internationalen Vernetzung, zum Beispiel durch die Förderung von Auslandsaufenthalten und internationalen Kooperationen. Außerdem lege der DAAD großen Wert auf die Vermittlung von Deutschkenntnissen für Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus dem Ausland.

Auch die Preisträgerinnen und Preisträger profitierten auf ihrem Weg von diesem langjährigen Engagement. Prof. Dr. Nicola McLelland verbrachte als DAAD-Stipendiatin zwei „intellektuell anregende“ Studienjahre an der Universität Bonn. Dr. Evgenii Stepanov hob die große Bedeutung des DAAD für seine Arbeit hervor, durch den sich der Austausch mit den Germanistik-Lehrstühlen der Hochschulen Freiburg und Greifswald ergeben habe. Er sieht daher den Förderpreis nicht nur als Würdigung seiner akademischen Leistungen, sondern auch als Möglichkeit, neue Kontakte im In- und Ausland zu knüpfen. Auch Förderpreisträgerin Dr. Marceli Cherchiglia Aquino betrachtet die Auszeichnung vor allem als Bestätigung ihrer eigenen Arbeit und Motivation für weitere internationale Kooperationen, aber auch als wichtiges Signal an Studierende und Forschende der brasilianischen Hochschulen, an denen die Rahmenbedingungen durch die aktuelle politische Situation zum Teil sehr herausfordernd seien. 

Neue Bildungskonzepte für die Germanistik 
Prof. Dr. Fania Oz-Salzberger nutzte ihren Einstieg in die Podiumsdiskussion dagegen für einen Blick auf Israels Verhältnis zur deutschen Kultur sowie die damit verbundene Bedeutung der interdisziplinären Germanistik zwischen großer Offenheit für deutsche Literatur, Kunst und Musik sowie der weiterhin präsenten Aufarbeitung der Shoah. Dieser ambivalente Blick habe in Israel eine lange akademische Tradition. Auch ihre britische Kollegin Prof. Dr. Nicola McLelland sieht die Germanistik in einer langjährigen interdisziplinären Tradition, mit Verknüpfungen in die Pädagogik, Politik oder Soziologie. Als neue und große Herausforderung bestehe dabei ein zunehmender Anspruch, auch als Sprachwissenschaft konkrete Lösungen für Probleme zu liefern. Großes Potenzial liege zum Beispiel in der Frage nach sozialer Kohäsion in der Gesellschaft oder dem Beitrag von Literatur für die mentale Gesundheit. Antworten auf konkrete Herausforderungen findet auch Dr. Marceli Cherchiglia Aquino in ihren interdisziplinären Projekten. So berichtete die Brasilianerin von zwar großem Interesse an Fremdsprachen wie Deutsch in ihrem Land, gleichzeitig sei der Zugang aber erschwert. Umso wichtiger sei es, Unterrichtsmaterialien stärker den Bedürfnissen und Lebensumständen von Lehrenden und Lernenden anzupassen. Auch Dr. Evgenii Stepanov hält neue Bildungskonzepte für wichtig, um als Wissenschaft wettbewerbsfähig zu bleiben. Neben dem klassischen Auslandssemester sieht er großes Potenzial in Doppelabschlüssen verschiedener Hochschulen oder digitalen Studienmöglichkeiten im Ausland. Der stellvertretende DAAD-Generalsekretär Müller gab zu bedenken, dass Deutschland zwar immer noch als Wissenschaftsstandort für Studierende und Forschende aus dem Ausland attraktiv sowie Deutsch als Fremdsprache immer noch gefragt seien, aber das Fach sowie international vernetzte Geisteswissenschaften durch stärkere nationalstaatliche Tendenzen herausgefordert würden. Auch die Germanistik als klassische Philologie bilde hier keine Ausnahme. 

Verleihung des Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preises im neuen Format

DAAD

Die Podiumsdiskussion mit Moderatorin Ute Lange, Christian Müller, stellvertretender DAAD-Generalsekretär und den Preisträgerinnen Dr. Marceli Cherchiglia Aquino, Prof. Dr. Fania Oz-Salzberger, Prof. Dr. Nicola McLelland sowie Preisträger Dr. Evgenii Stepanov (v. o. l. im UZS).

Jünger werden und offener für Neues
Prof. Dr. Nicola McLelland berichtete von rückläufigen Studierendenzahlen bei den Fremdsprachen in Großbritannien. Umso wichtiger sei eine umsichtige Förderung seitens des DAAD, die interkulturellen Austausch und Lernen weiter in den Fokus nimmt, auch wenn die Politik andere Weg einschlägt. Konkrete Auswirkungen dieser Probleme spürt auch der akademische Nachwuchs. Sowohl Dr. Marceli Cherchiglia Aquino als auch Dr. Evgenii Stepanov informierten über eine schlechter werdende Forschungsförderung in ihren Heimatländern und fehlende Berufsperspektiven in der Forschung. Prof. Dr. Fania Oz-Salzberger verwies dagegen auf ein abnehmendes Interesse an deutscher Sprache und Kultur in Israel: Sie macht sich Sorgen um die Lebendigkeit des Austauschs. Gleichzeitig sieht sie auch neue Perspektiven für die Germanistik: Gerade in Berlin gebe es eine sehr kreative deutsch-israelische Kulturszene mit vielen tollen Ideen, allerdings ohne akademische Verknüpfung. Ihr Rat deshalb: „Wir müssen jünger und offener für Neues werden.“ Über die Wichtigkeit dieses Impulses sind sich am Ende alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion einig: Die Germanistik habe vor allem dann eine Zukunft, wenn sie interdisziplinär aufgestellt bleibe und die großen Fragen der Zeit in den Blick nehme. Das funktioniere in einer globalisierten Welt nur im internationalen Austausch. Eben diese Ziele fördert der DAAD auch durch die Verleihung des Grimmpreises.

Birk Grüling (26. August 2021)

Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis und -Förderpreis

Mit den Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preisen zeichnet der DAAD ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus, die sich neben ihrer fachlichen Leistung in besonderer Weise für die internationale Zusammenarbeit in den Fachbereichen Germanistik und Deutsch als Fremdsprache engagieren. Vergabejury ist der Beirat Germanistik des DAAD, der den DAAD in allen Belangen der Förderung von Germanistik und Deutsch an Hochschulen berät. Die Preise werden aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert.

Hier geht es zur Aufzeichnung der Preisverleihung 2020 & 2021.