„Das Fenster für die internationale Zusammenarbeit ist weit offen“

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Berlin von oben: Wie blickt das Ausland während der Pandemie auf Deutschland? Die Studie Außenblick liefert dazu interessante Antworten.

Mit der gemeinsamen Studie „Außenblick – Internationale Perspektiven auf Deutschland in Zeiten von Corona“ gehen der DAAD, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und das Goethe-Institut der Frage nach, wie Deutschland während der Coronapandemie international wahrgenommen wird. Antworten und Einblicke liefern dabei 620 internationale Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Internationale Zusammenarbeit, Kultur und Wirtschaft. Im Interview spricht Dr. Michael Harms, Direktor der Abteilung Kommunikation im DAAD, über die Ergebnisse und wichtige Erkenntnisse für die internationale Zusammenarbeit.

Herr Dr. Harms, könnten Sie zum Einstieg einmal die Außenblick-Studie und ihre Ziele erklären?
Die Idee dazu entstand vor ungefähr einem Jahr. DAAD, GIZ und Goethe-Institut verbindet ihre internationale Ausrichtung. Wir arbeiten nicht nur im Inland, sondern in verschiedenen Feldern auch direkt im Ausland. Gemeinsam haben wir uns die grundlegende Frage gestellt, welche Auswirkungen die Coronapandemie auf unsere zukünftige Arbeit haben könnte. Machen wir am Ende der Pandemie weiter wie zuvor oder ist die Krise vielleicht sogar Startpunkt für eine Zeitenwende? Bei der immer noch andauernden Suche nach Antworten soll auch die Außenblick-Studie helfen. Sie beleuchtet das Deutschlandbild im Ausland und liefert dabei Aussagen darüber, wie offen andere Länder für die Zusammenarbeit mit unseren Organisationen, aber auch mit unserem Land sind. Für die Untersuchung haben wir uns 37 Länder ausgesucht und dort insgesamt 1.200 Personen angeschrieben. Der Rücklauf war großartig, insgesamt haben 622 Teilnehmende unseren Fragenbogen ausgefüllt. Außerdem wurden mit 48 Personen aus 24 Ländern zusätzliche qualitative Interviews geführt. 

Im Vorwort der Studie heißt es: „Die Wertschätzung für unser Land ist groß, wir werden geachtet und respektiert, man traut uns viel zu.“ Wofür wird Deutschland im Ausland geschätzt?
Eine Teilnehmerin sagte wörtlich, dass aus ihrer Sicht Deutschland „Zuverlässigkeit und Stabilität ausstrahle“. Dieses Zitat trifft es sehr gut. Wir werden dafür geschätzt, eine stabile Demokratie zu sein und in Europa und in der Welt eine Vorbildfunktion innezuhaben. Gerade in Zeiten, in denen die Rahmenbedingungen für Zusammenarbeit schwieriger werden, schätzt man im Ausland genau diese Verlässlichkeit und setzt gleichzeitig große Hoffnung in unser Land. Auch die wirtschaftliche Stärke Deutschlands wurde in der Außenblick-Studie hervorgehoben. Das Bildungssystem gilt als leistungsfähig und die Forschung als anwendungsorientiert sowie in vielen Bereichen als sehr innovativ und von Weltrang. Auch die reichhaltige und vielfältige Kulturlandschaft wurde mehrfach erwähnt und gelobt. Neben Lob zeigen diese Ergebnisse auch, dass das Fenster für internationale Zusammenarbeit auf ganz unterschiedlichen Ebenen weit offen ist. Das ist eine tolle Botschaft, gerade in Zeiten von weltweit wachsendem Nationalismus.

Es gab bei den Interviews aber auch mahnende Stimmen. Welche Aspekte werden im Ausland kritisch betrachtet?
Festzustellen ist eine gewisse „Doppelköpfigkeit“ in der Wahrnehmung. Deutschland wird für sein Wissenschaftssystem, für die starke Wirtschaft, für die starke Demokratie geschätzt. Doch vielen dieser Dimensionen folgt ein „Aber“. Es gibt verstärkt populistische Tendenzen in Deutschland, die Digitalisierung ist nicht so weit fortgeschritten, wie man es vermuten würde, in manchen Technologien haben wir deutlich an Innovationskraft verloren. Manche Stimmen mahnen auch eine gewisse Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit an, zum Beispiel beim Umweltschutz. Wir präsentieren uns gerne als Vorkämpfer für den Klimaschutz. Gleichzeitig werden wir selbst unseren hohen Ansprüchen in Sachen Emissionen oder Erneuerbaren Energien nicht immer gerecht. Und wir als DAAD hören häufig, dass unser Hochschulsystem zwar leistungsfähig sei, aber eben auch sehr hierarchisch. Unsere Partnerinnen und Partner wünschen sich einen leichteren Zugang und kritisieren die häufige Befristung von Forschungsstellen. All diese Kritikpunkte sollten wir ernst nehmen und unsere Hausaufgaben machen. 

„Das Fenster für die internationale Zusammenarbeit ist weit offen“

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Dr. Michael Harms, Direktor der Abteilung Kommunikation im DAAD: „Deutschland darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen.“

Hat sich unser Bild im Ausland durch den Umgang mit der Coronapandemie verändert?
Auch in der Pandemie sehen wir einerseits viel Lob für unsere Coronapolitik. Gerade in den ersten Monaten steuerte Deutschland diszipliniert und erfolgreich durch die globale Krise. Dann kam der für viele auch im Ausland überraschende Einbruch. Plötzlich fehlte es an Impfstoffen, die Öffnungsschritte wirkten weniger koordiniert, auch die Infektions- und Todeszahlen stiegen stark an. Wir können gut sein, gleichzeitig besteht immer die Gefahr des Scheiterns. Das hat die Coronapandemie sehr deutlich gemacht. 

Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sehen populistische und extremistische Tendenzen mit großer Sorge. Welche Konsequenzen kann der DAAD daraus ziehen?
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichteten übereinstimmend, dass sie sich bis vor wenigen Jahren in Deutschland nie diskriminiert gefühlt haben und nun sehr traurig über ein verändertes Klima seien. Solche Aussagen stimmen mich sorgenvoll, denn sie zeigen, dass Menschen, die nicht Deutsch aussehen, hierzulande zunehmend Ablehnung erfahren. Dazu kommen sicherlich die Erfolge extremistischer Parteien bei Landtags- und Bundestagswahlen, die bei unseren Partnern im Ausland durchaus zu Sorgen und Skepsis führen. Populismus und Nationalismus ist sicher kein rein deutsches Problem. Das zeigen auch aktuelle Wahlergebnisse aus anderen europäischen Ländern. Gleichzeitig werden solche Tendenzen in Deutschland stärker registriert und der Anspruch an uns ist ein anderer. Diese Sorgen müssen wir als DAAD unbedingt ernst nehmen und gleichzeitig offensiv unsere Willkommenskultur betonen und damit auch ein Zeichen nach innen und außen setzen. 

Welche Ergebnisse haben Sie persönlich besonders überrascht – positiv wie negativ?
Positiv überrascht hat mich, dass wir für viele Länder immer noch eine moralische Instanz sind. Diese Rolle wird Deutschland in einer zunehmend komplexen weltpolitischen Lage weiterhin zugetraut. Von uns wird erwartet, dass wir als neutrale Vermittlerinnen und Vermittler zwischen oft verfeindeten Mächten Verantwortung übernehmen. Das spricht für eine große Wertschätzung. Von den Kritikpunkten war für mich besonders eindrücklich, dass wir uns nicht auf Errungenschaften, auf unseren Lorbeeren ausruhen können, sondern dafür auch etwas tun müssen. Wirtschaftlicher Erfolg oder eine starke Demokratie sind keine Selbstverständlichkeit. 

Welche Erwartungen an die zukünftige Zusammenarbeit hat man im Ausland?
Wir werden als verlässlicher Partner auf Augenhöhe geschätzt und eng damit verbunden ist die Erwartung, dass wir auch weiterhin weltoffen und kooperativ in der internationalen Zusammenarbeit bleiben. Man hofft darauf, dass Deutschland sich noch stärker in Sachen Umwelt- und Klimaschutz engagiert, seine führende Rolle in der Migrationspolitik nicht vergisst und offen für Zuwanderung und deren Potenziale bleibt. Spannend fand ich den Blick auf die Technologien und ihre Folgen. In Zukunft wird es nicht nur darauf ankommen, neue Technologien weiterzuentwickeln, sondern sich auch über ihre Bedeutung für Mensch und Umwelt Gedanken zu machen. 

Inwiefern trägt die Arbeit des DAAD dazu bei, genau diese Erwartungen an die Zukunft auch zu erfüllen?
Wir als DAAD tun gut daran, den partnerschaftlichen Ansatz auf Augenhöhe weiter zu pflegen. Transnationale Bildungskooperationen sollten für alle Partner ein Gewinn sein und nicht ausschließlich durch Eigeninteressen bestimmt werden. Ich denke dabei zum Beispiel an die Ausbildung akademischer Fachkräfte aus dem Ausland an deutschen Hochschulen. Durch den Transfer von Wissen und Expertentum profitieren die Wirtschaft und Forschung vor Ort und damit oft auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland – zum Beispiel durch neue Kooperationspartnerschaften. Wir haben allen Grund, die offene Haltung gegenüber Deutschland auch weiterhin für unsere tägliche Arbeit zu nutzen und in neue und gute Förderprogramme umzumünzen. Gleichzeitig sehe ich es als unsere Aufgabe im DAAD, auch anderen Partnern sowie Akteurinnen und Akteuren aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft Mut zu machen, sich an einem internationalen Austausch mit Zukunft zu beteiligen. 

Interview: Birk Grüling (13. Juli 2021)