Erasmus+: Inklusiver, digitaler, nachhaltiger

European Union 2021(CC BY-NC-ND 4.0)/iStockphoto.com

Ob real oder digital: Erasmus+ bietet in Zukunft noch mehr jungen Menschen die Gelegenheit, Studienerfahrungen im Ausland zu sammeln – nicht nur in Europa.

Mit einer nationalen Auftaktveranstaltung fällt am 22. Juni der offizielle Startschuss für das neue EU-Programm Erasmus+. Das Programm steht weiterhin für studentische Auslandsmobilität. Künftig sollen aber noch mehr Europäerinnen und Europäer daran teilnehmen können. Wie das erreicht werden soll und welche weiteren Vorteile Erasmus+ bringt, erläutert Dr. Stephan Geifes, Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD.

Im Zuge von Erasmus wurden in den letzten 34 Jahren über zehn Millionen junge Menschen gefördert. Nun startet das Programm in eine neue Ära, mit doppeltem Budget und großen Ambitionen. Welche Veränderungen und Weiterentwicklungen sind aus Ihrer Sicht besonders wichtig, um die Erfolgsgeschichte fortzusetzen?
In den nächsten sieben Jahren wollen wir den Erasmus+ Austausch noch inklusiver, digitaler und nachhaltiger gestalten und damit einen Beitrag zum demokratischen und partizipativen Zusammenwachsen der EU und Europas leisten. Die zentralen Neuerungen für den Hochschulsektor des Erasmus-Programms, die aus unserer Sicht besonders wichtig sind, sind die Flexibilisierung der Aufenthaltszeiten, die internationale Öffnung des Programms über Europa hinaus sowie die Verstetigung der Europäischen Hochschulen. Erasmus+ leistet damit einen zentralen Beitrag zum innereuropäischen Zusammenhalt wie auch zur weltweiten Positionierung Europas.

Was verändert sich konkret für die jungen Menschen, die in den nächsten Jahren mit Erasmus+ ins Ausland gehen wollen?
Erasmus ist in den vergangenen 30 Jahren zum Synonym für studentische Auslandsmobilität geworden. Das Programm wird zukünftig für die Mobilität von Einzelpersonen noch flexibler. Es gibt es vor allem zwei Dinge, die sich ändern: eine Verkürzung der Mindestaufenthaltsdauer an Gasthochschulen im Ausland und die weltweite Öffnung des Programms. Mit den Flexibilisierungen der Aufenthaltsdauer im Gastland soll erreicht werden, dass noch mehr Studierende am Erasmus-Programm teilnehmen können. Dies wird durch die weltweite Öffnung von Erasmus über die bisherigen Programmländer hinaus noch unterstützt.

Eine wichtige Säule von Erasmus+ ist neben dem Austausch von Studierenden auch die Vernetzung von Hochschulen. Welche Impulse kann und will das neue Programm hier setzen?
An erster Stelle sind da die Europäischen Hochschulen zu nennen. Bereits am Ende der letzten Programmgeneration als Piloten gestartet, wird diese Initiative nun verstetigt und neu ausgeschrieben. Wichtig für das Zusammenwachsen Europas sind auch die 2021 erstmals angebotenen 15 Teacher‘s Academies zur europäischen Lehreraus- und -fortbildung. Hier arbeiten Hochschulen zusammen mit Partnerinnen und Partnern aus dem Schulbereich und der Berufsbildung (Berufsschullehrkräfte). Die sehr beliebten und entsprechend nachgefragten Strategischen Partnerschaften wurden in Cooperation Partnerships umgewandelt, und bei Erasmus Mundus wird mit den Erasmus Mundus Design Measures endlich auch die Ausarbeitung von transnationalen Studiengängen − und nicht nur ihre Durchführung − gefördert.

Chancengleichheit, Diversität und auch Inklusion sind erklärte Ziele des neuen Erasmus+ Programms. Wie soll der internationale Austausch barrierefreier und noch vielfältiger werden?
Die Ausweitung der Sozialen Teilhabe beziehungsweise der Inklusion am Programm ist eine der vier transversalen Prioritäten. Um die Soziale Teilhabe auszuweiten, wurden die Aufenthaltsdauern flexibilisiert, die Nutzung digitaler Möglichkeiten ausgeweitet und die Übernahme von Mehrkosten bei speziellen Bedürfnissen verbessert. Doch es werden auch Projekte gefördert, die sich mit der Überwindung von Barrieren zur Förderung der Teilhabe beschäftigen. Ein zentraler Punkt des neuen Programms ist es, mehr Menschen zu fördern, die bisher keinen oder nur einen erschwerten Zugang zum Programm hatten. Dazu zählen z. B. Menschen mit Behinderung, für die der Zugang vereinfacht werden soll, aber auch Studierende aus weniger auslandsmobilen Fachbereichen, die in Zukunft noch gezielter angesprochen werden.

Welchen Beitrag kann Erasmus+ in der Zukunft für ein gemeinsames Europa leisten?
Der Erasmus+ Austausch soll zukünftig mithilfe verschiedener Neuerungen noch inklusiver, digitaler und nachhaltiger werden und damit einen Beitrag zum demokratischen und partizipativen Zusammenwachsen der EU und Europas leisten. Gemäß des Erasmus-Slogans „Enriching lives, opening minds“ bringen wir Erasmus+ und damit Europa voran.

Was ändert sich für deutsche Forschende und Studierende in Großbritannien?

DAAD


Dr. Stephan Geifes ist seit Februar 2020 Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD. Er hat zuvor unter anderem die DAAD-Außenstelle Paris geleitet, war Generalsekretär der Deutsch-Französischen Hochschule sowie Bereichsleiter Transnationale Bildung und Kooperationsprogramme im DAAD.

Welche neuen Chancen bietet die zunehmende Digitalisierung für den internationalen Austausch? Inwiefern sind hier die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Corona-Pandemie wertvolle Impulsgeber?
Digitalisierung ist ein großes (transversales) Thema der neuen Programmgeneration. Die Coronakrise hat ihr einen enormen Schub gegeben. In dieser Zeit haben tausende Studierende durch digitale Lernformate die Möglichkeit erhalten, ihr Studienvorhaben abzuschließen oder aber es erst zu beginnen. In der neuen Programmgeneration sollen auch ohne Pandemie durch digitale und Blended-Learning-Formate noch mehr Studierende für eine Erasmus-Teilhabe gewonnen werden.

Auch Nachhaltigkeit und Klimaschutz stehen auf der Erasmus+ Agenda. Welchen Beitrag kann das Programm hierzu leisten?
Nachhaltigkeit ist ein weiteres transversales Thema, das die neue Erasmus+ Programmgeneration aufgreift. Im Fokus steht dabei die Sensibilisierung der Erasmus+ Teilnehmenden für die Themen Nachhaltigkeit, Klimawandel und Umweltschutz sowie insbesondere für den ökologischen Fußabdruck, den Teilnehmende durch Mobilität erzeugen. Studierende sollen Europa erfahren. Dazu gehört physische Präsenz im Gastland, und das ist mit Reisen verbunden. Doch zu reisen muss nicht automatisch bedeuten zu fliegen: Alle, die zukünftig nachhaltig mit Bus, Bahn oder Schiff unterwegs sind, bekommen einen Bonus von 50 Euro und bis zu vier Tagessätze für die Reisezeit. So soll der ökologische Fußabdruck des Erasmus+ Programms verringert werden. Darüber hinaus soll die Förderung von Kompetenzen, die für ein Leben in einer nachhaltigen und ressourceneffizienten Gesellschaft und Wirtschaft wichtig sind, sogenannte „green skills“, durch die Förderung von Kooperationsprojekten zu „grünen“ Themen angegangen werden.

Welche Aussage würden Sie sich 2028 über die Erasmus+ Programmgeneration 2021–2027 wünschen?
Zwei Dinge würde ich gerne 2028 in der Rückschau realisiert sehen: erstens, dass noch mehr junge Menschen Europa in der entscheidenden Lebensphase des Studiums erlebt und erfahren haben werden und somit zu überzeugten Europäern geworden sind. Zweitens, dass die deutschen Hochschulen Erasmus+ als Möglichkeit genutzt haben werden, um die strategische Internationalisierung ihrer Hochschule erfolgreich fortzusetzen. Und dann freue ich mich auf die nächste E+ Programmgeneration 2028−2034. Ganz nach dem olympischen Motto „citius, altius, fortius“!

(22. Juni 2021)

Weitere Informationen

Die Europäische Kommission bietet den Hochschulen mit der neuen Programmgeneration zahlreiche Möglichkeiten, ihre europäische und internationale Vernetzung strategisch auszubauen. Dazu steht ein verdoppeltes Budget von über 28 Milliarden Euro zur Verfügung, mit dem weitere 10 Millionen Mobilitäten sowie eine große Bandbreite an Projekten in allen Bildungssektoren ermöglicht werden sollen. Unter dem Motto „Enriching lives, opening minds“ stärkt Erasmus+ die europaweite Zusammenarbeit in allen Bildungsbereichen. In verschiedenen Programmlinien haben deutsche Hochschulen die Möglichkeit, den internationalen Austausch ihrer Studierenden und ihres Hochschulpersonals zu fördern, Kooperations- und Partnerschaftsprogramme zu etablieren und einen weitreichenden institutionellen Austausch zwischen Hochschulen in Europa und weltweit zu nutzen.