„Die Transformationspartnerschaft hat mich überzeugt zu bleiben“

Universität Hamburg

Gemeinsam mit der Cairo University hat die Universität Hamburg den dualen Masterstudiengang Master in Law and Economics of the Arab Region (LL.M. bzw. M.A.) aufgebaut.

Mit den Programmen der Deutsch-Arabischen Transformationspartnerschaft fördert der DAAD seit 2012 den Austausch zwischen Deutschland und Ländern des arabischen Raums. Die Projekte leben auch von persönlichen Beziehungen. Das zeigt das Beispiel von Dr. Nora El-Bialy von der Universität Hamburg, die 2008 aus Kairo nach Deutschland kam und hier den Wandel in ihrer Heimat unterstützt.

Seit die Deutsch-Arabische Transformationspartnerschaft 2012 ins Leben gerufen wurde, hat sich die Universität Hamburg ununterbrochen an verschiedenen vom DAAD geförderten deutsch-arabischen Hochschulkooperationen beteiligt. Sichtbarstes Ergebnis ist ein Masterstudiengang, den der Lehrstuhl für ökonomische Analyse des Rechts an der Universität Hamburg in Zusammenarbeit mit der Cairo University (CU) aufgelegt hat. Auf Fotos von Aktivitäten im Rahmen der Partnerschaften sieht man Nora El-Bialy meist in einer der hinteren Reihen. „Ich stehe nicht gerne im Rampenlicht“, gesteht die gebürtige Ägypterin. Lieber bleibt sie im Hintergrund, dort, wo sie ungestört arbeiten kann. Dabei ist sie die treibende Kraft hinter den Aktivitäten des Lehrstuhls rund um die deutsch-arabischen Kooperationen der Fakultät. „Ohne sie gäbe es die Projekte nicht“, sagt Lehrstuhlinhaber Prof. Stefan Voigt. 

„Die Transformationspartnerschaft hat mich überzeugt zu bleiben“

Universität Hamburg

Dr. Nora El-Bialy (rechts) mit Galila Nasser, die zu den ersten Absolventinnen und Absolventen des Masterprogramms Law and Economics of the Arab Region (LL.M. bzw. M.A.) gehört. Inzwischen promoviert sie in Hamburg.

Familiäre Verbindung nach Deutschland
Das deutsch-arabische Programm scheint wie geschaffen für Nora El-Bialy – und umgekehrt. In ihrer Heimatstadt Kairo hat sie die deutsche Schule absolviert. „Ich wusste schon als Kind, dass ich irgendwann in meinem Leben nach Deutschland möchte. Mein Vater hat in Hannover promoviert“, erzählt sie, und wer sich mit ihr unterhält, bekommt schnell den Eindruck, dass sie alles, was sie sich vornimmt, auch umsetzt. Doch weil sie früh heiratete und zwei Söhne bekam, dauerte es ein paar Jahre, bis sie sich nach dem Studium an der Faculty of Economics and Political Science (FEPS) der CU ihren Wunsch von der Promotion in Deutschland erfüllen konnte. 

Nach ihrem Studium an der Cairo University trat El-Bialy zunächst eine Stelle als Mitarbeiterin an der Misr International University in Kairo an und wechselte 2007 zur German University in Cairo (GUC). „Ich hatte meinen Traum, nach Deutschland zu gehen, schon fast aufgegeben, und deshalb angefangen, an der GUC zu promovieren und mich nach Teilstipendien umzuschauen, um zumindest teilweise in Deutschland zu promovieren", erzählt sie. Doch eine Mitarbeiterin des DAAD, die zu dieser Zeit für Stipendien im Rahmen der German Egyptian Research Long-Term Scholarship (GERLS) verantwortlich war, machte sie auf Stipendien der saudi-arabischen Jameel Education Foundation aufmerksam. Mit deren Unterstützung nahm sie 2008 ein Promotionsstudium in Marburg auf und lernte dort ihren Doktorvater Prof. Voigt kennen, dem sie zwei Jahre später nach Hamburg folgte.

Eine ganz persönliche Transformation
„Eigentlich hatte ich geplant, nach meiner Promotion möglichst schnell nach Ägypten zurückzukehren“, sagt El-Bialy. „Aber dann kam Ende 2011 die Revolution in Ägypten dazwischen, und die Ausschreibung für die Transformationspartnerschaft des DAAD wurde veröffentlicht.“ Nach anfänglicher Skepsis sah Nora El-Bialy in dem Programm bald eine Chance, den Wandel in ihrem Heimatland voranzutreiben. „Ich bin eigentlich reine Wissenschaftlerin und habe seit der Schule nichts anderes gemacht, als zu forschen und zu lehren.“ Ein Mentor aus Marburg – Thomas Komm, bis 2008 an der Universität fast 27 Jahre Leiter des Referats für internationale Beziehungen – brachte ihr bei, wie man Projektanträge formuliert. Mit Erfolg: Ihr erster Antrag für ein Projekt im Rahmen der Deutsch-Arabischen Transformationspartnerschaft wurde 2012 auf Anhieb bewilligt.

Seitdem hat das Institut ununterbrochen an DAAD-Programmen mitgewirkt. So wurde zuletzt im Rahmen des Programms Hochschuldialog mit der islamischen Welt in Zusammenarbeit mit der Faculty of Economics der American University of Beirut (AUB) und der Faculty of Economics der British University in Egypt (BUE) das interdisziplinäre Hochschulprojekt „Economic Rationality and Socio-Economic Behavior in the Arab Region: Is there an Arab Rationality?“ initiiert. Das Projekt möchte moderne Forschungsmethoden wie ökonomische Experimente an den Partnerhochschulen vermitteln. Darüber hinaus hat El-Bialy aktuell im Rahmen des Fachbezogenen Partnerschaftsprogramms mit Hochschulen in Entwicklungsländern des DAAD das Projekt „Economic Rationality of Legislation in the Arab Region: The limits of amending legal text“ gemeinsam mit der Faculté de Droit et des Sciences Politiques de Sousse in Tunesien sowie der BUE und der FEPS in Kairo initiiert. Ziel dieser Kooperation ist es, aktuelle Modernisierungen in den Gesetzen arabischer Länder (insbesondere im Familien- und Erbrecht in Tunesien und Ägypten) mit Hilfe ökonomischer Methoden zu interpretieren und zu erforschen.

„Die Transformationspartnerschaft hat mich überzeugt zu bleiben“

Universität Hamburg

Für ein Projekt mit der VolkswagenStiftung waren Prof. Stefan Voigt, Dr. Nora El-Bialy und ihr Kollege Hashem Nabas (v. l.) 2018 in Jordanien, wo sie ein Lager für syrische Flüchtlinge besuchten.

Masterstudiengang als Meisterstück
Doch am stärksten liegt Nora El-Bialy der duale Masterstudiengang Law and Economics of the Arab Region (LL.M. bzw. M.A.) am Herzen, den die Universität Hamburg gemeinsam mit der FEPS aufgebaut hat, unterstützt durch den DAAD. Der Studiengang bereitet die Studierenden auf eine Karriere an der Schnittstelle zwischen Recht, Ökonomie und Politik vor, etwa in öffentlichen Organisationen oder multinationalen Anwaltskanzleien. Absolventinnen und Absolventen erhalten nach zwei Jahren neben einem Abschluss der Rechtswissenschaft der Universität Hamburg (Master of Law, LL.M., für Juristinnen und Juristen oder M.A.) einen wirtschaftswissenschaftlichen Abschluss, verliehen durch die FEPS (Master of Science in Economics, M.Sc.). An dem 2015 gestarteten Programm können pro Jahr bis zu 24 Studierende teilnehmen. Unter ihnen finden sich etliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Ägypten. Darüber hinaus haben an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg seit 2012 rund zehn Doktorandinnen und Doktoranden aus Kairo und Tunesien im Rahmen der Deutsch-Arabischen Hochschulkooperationen promoviert, darunter Dr. Mahmoud Momtaz, der im Januar 2020 zum Leiter des Ägyptischen Kartellamts ernannt wurde.

Eine Bereicherung für alle Beteiligten
„Dies alles wäre ohne Frau El-Bialy nicht möglich gewesen“, würdigt Prof. Stefan Voigt das Engagement seiner Mitarbeiterin. „De facto managt sie die Projekte. Sie hat die nötige interkulturelle Kompetenz, da sie in beiden Kulturen gelebt hat, und weiß, dass eine ägyptische Universität auf andere Dinge achtet als eine deutsche. Darüber hinaus ist sie unheimlich gut darin, ein Netzwerk zu spinnen.“ Die Programme der Deutsch-Arabischen Transformationspartnerschaft seien auch für die Universität Hamburg eine Bereicherung. Voigts Fazit: „Der Arabische Frühling hat für Ägypten nicht viel Positives bewegt, aber ohne ihn gäbe es die Programme nicht.“

Und auch Nora El-Bialy weiß die Möglichkeiten zu schätzen, die ihr das Programm und ihre Arbeit in Deutschland bieten. „Prof. Voigt hat mir sehr viele Freiheiten gegeben, neue Ideen einzubringen, und war immer offen für Neues. Diese Offenheit und Flexibilität sind in Ägypten leider etwas seltener zu finden“, erzählt sie und ergänzt: „Wirtschaftswissenschaftler zu meiner Zeit tendierten stärker dazu, traditionelle Methoden einzusetzen, und hatten große Skepsis gegenüber Unbekanntem. Bis auf zwei Professoren an der FEPS in Kairo, die ebenfalls in Deutschland promoviert haben, konnte kein Professor meinen Forschungsschwerpunkt ganz verstehen. Die beiden haben meine Masterarbeit betreut und mich bis zu meiner Promotion stets unterstützt. Von Deutschland aus konnte ich gemeinsam mit Prof. Ahmed Ghoneim die ökonomische Analyse des Rechts an der FEPS etablieren und anderen Studierenden ermöglichen, diesen spannenden Schwerpunkt kennenzulernen. Nach meiner Promotion in Deutschland und durch unsere Hochschulkooperationen konnte ich meine Ideen auf diese Weise doch noch durchsetzen“, freut sich El-Bialy. Ihr Einsatz hat sich auch persönlich ausgezahlt: Vor kurzem hat die Universität Hamburg ihre Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin entfristet. „Ohne die Deutsch-Arabische Transformationspartnerschaft des DAAD wäre ich nicht in Deutschland geblieben und hätte diese vielfältigen Programme nicht aufgebaut. Dafür werde ich das Förderprogramm immer schätzen.“

Peter Nederstigt (9. Februar 2021)

Deutsch-Arabische Transformationspartnerschaft

2012 startete das Förderprogramm, finanziert aus Mitteln des Auswärtigen Amts, mit den Zielländern Ägypten und Tunesien; 2013 kamen Jemen, Jordanien, Libyen und Marokko hinzu, 2016 Irak und Libanon. Das Projekt der Universität Hamburg „Economic Rationality and Socio-Economic Behavior in the Arab Region: Is there an Arab Rationality?“ wurde im Rahmen des Programms Hochschuldialog mit der islamischen Welt gefördert.