climapAfrica: Wandel durch Wissenschaft

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Zwar verfügt der Tschadsee wieder über mehr Wasser, doch stellt der Klimawandel die Menschen vor andere Probleme: steigende Temperaturen, unvorhersehbare Starkregen und politische Konflikte.

Mit der Förderung von Forschungsprojekten afrikanischer Postdoktorandinnen und -doktoranden und deren Vernetzung mit Expertinnen und Experten in fachlichen Arbeitsgruppen leistet der DAAD seit Mitte 2019 einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz und die Wissenschaftsförderung in Afrika. Finanziert wird das Programm durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Ende Oktober findet nun die erste – virtuelle – Fachkonferenz von DAAD climapAfrica (climate change research Alumni and Postdocs in Africa) statt. 

Der Tschadsee ist ein ökologisches Wunder. Wie eine riesige Oase erstreckt er sich am südlichen Rand der Sahara über ein Gebiet von bis zu 24.000 Quadratkilometern. Das entspricht in etwa der Fläche von Mecklenburg-Vorpommern. Bei der größten Ausdehnung des Sees in den 1960er-Jahren lagen an seinen Ufern noch die wichtigsten Handelszentren der Sahelzone. Doch die Wassermenge ist starken Schwankungen unterworfen. Bis zu den 1990er-Jahren schrumpfte die mit Wasser bedeckte Fläche auf 2.000 Quadratkilometer – mit erheblichen Auswirkungen auf die rund 20 Millionen Menschen im Einzugsgebiet, für die der Tschadsee und das mit ihm verbundene System aus Flüssen die Existenzgrundlage bildet. Die Dürre hungerte die Anwohnerinnen und Anwohner aus und nährte gewaltsame Konflikte im Vier-Länder-Eck zwischen Niger, Nigeria, Tschad und Kamerun, unter anderem angefacht durch die Terrororganisation Boko Haram. 

Zwar dehnte sich der See in den vergangenen Jahren trotz globaler Erwärmung wieder auf 14.000 Quadratkilometer aus, doch die politischen Spannungen sind ebenso präsent geblieben wie die Armut der Bevölkerung: Rund fünf Millionen Menschen benötigen aktuell humanitäre Hilfe. Durch die Klimakrise werden sämtliche Probleme weiter verstärkt. Zwar gibt es aktuell wieder mehr Wasser, aber die Niederschläge fallen immer unregelmäßiger. Auf den Monsunregen zwischen Juni und August, der sonst für die Zuflüsse des Sees sorgte, ist kein Verlass mehr. Stattdessen stellen spontane Starkregenereignisse eine planmäßige Landwirtschaft vor enorme Herausforderungen. 

Forschung vor Ort mit climapAfrica
Dr. Oluwafemi Adeyeri aus Nigeria will mit seinem Forschungsprojekt einen Beitrag leisten, um die Menschen in der Region auf die klimatischen Veränderungen der kommenden Jahre vorzubereiten. Adeyeri hat im Bereich „Climate Change and Water Resources des West African Science Center on Climate Change and Adapted Land Use” (WASCAL) der Universität Abomey-Calavi in Benin promoviert. Aktuell untersucht er die „Auswirkungen des Klimawandels und der Wetterextreme auf die hydrologischen Merkmale und die künftige Wasserverfügbarkeit des Tschadseebeckens in Afrika“. Fachlichen Austausch zu seinem Thema ermöglicht die climapAfrica-Arbeitsgruppe „climate change and meteorology“, die sich aus Alumni-Expertinnen und -Experten deutscher Förderorganisationen sowie „climapAfrica Postdoc Fellows“ zusammensetzt. 

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Dr. Oluwafemi Adeyeri profitiert bei seiner Forschung zum Tschadsee von der Unterstützung durch DAAD climapAfrica.

DAAD climapAfrica – „Climate change research Alumni and Postdocs in Africa“ – ist ein neues Programm für Alumni-Expertinnen und -Experten deutscher Förderorganisationen sowie Postdoktorandinnen und -doktoranden im Bereich der Klimaforschung. Es richtet sich an zukünftige Führungskräfte in Afrika und zielt darauf ab, anwendungsorientierte Forschung zur Bekämpfung des Klimawandels im südlichen und westlichen Afrika zu fördern. Dabei kooperiert climapAfrica mit den zwei vom BMBF geförderten Klimakompetenzzentren SASSCAL im südlichen Afrika (Southern African Science Service Centre for Climate Change and Adaptive Land Management) und WASCAL im westlichen Afrika. Das Programm knüpft an die strategischen Ziele des DAAD in Afrika an, wie Digitalisierung und Klimaforschung. Damit unterstreicht der DAAD seine Verantwortung als Förderorganisation in einem immer häufiger als Anthropozän bezeichneten Zeitalter, in dem der Mensch in nie gekanntem Ausmaß die Lebensbedingungen auf der Erde verändert. 

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Niels Böhm, Referent climapAfrica-Programm beim DAAD, betont die Perspektiven, die climapAfrica für die Teilnehmenden eröffnet.

„Unser Ziel ist es, durch die climapAfrica-Arbeitsgruppen Nachwuchsforschenden aus ganz Afrika durch praxisnahe Beratung, Vernetzung und Zugang zu fachlichem und methodischem Know-how eine gute Perspektive für den nächsten Schritt in ihrer akademischen Karriere zu eröffnen“, sagt Niels Böhm, Referent im climapAfrica-Programm beim DAAD. Denn gerade der afrikanische Wissenschaftsnachwuchs verlässt häufig nach der Promotion die Heimatländer, da vor Ort berufliche Perspektiven fehlen. Deshalb setzt das Programm speziell auf die berufliche Profilierung der climapAfrica Postdocs an der Schnittstelle von Forschung und Politik. „Um eine Brücke zwischen den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und der Politik zu bauen, organisieren wir Capacity building-Formate, in denen afrikanische Trainerinnen und Trainer den Geförderten und Alumni vermitteln, wie sie ihre fachwissenschaftlichen Erkenntnisse bestmöglich an politische Entscheiderinnen und Entscheider herantragen und so die Reichweite ihrer Forschung erhöhen können“, sagt Simone Kolz, ebenfalls Referentin im climapAfrica-Programm. 

Vernetzung mit Expertinnen und Experten
climapAfrica läuft zunächst bis 2023 und wird vom BMBF mit 4,5 Millionen Euro gefördert. Kern des Programms sind sieben Arbeitsgruppen zu Themen mit Bezug zum Klimawandel: Landwirtschaft, Landnutzung, indigenes Wissen, Meteorologie, Tier- und Pflanzenforschung, Klimatologie und Biodiversität. Diese Gruppen dienen als Plattform, auf der die sogenannten „climapAfrica Postdoc Fellows“ mit Fachkolleginnen und -kollegen, regionalen und internationalen Expertinnen und Experten sowie mit Praktikerinnen und Praktikern aus Ministerien, internationalen Organisationen und NGOs in Kontakt treten und ein wachsendes professionelles Netzwerk in ganz Afrika aufbauen können. „Das kann zum Beispiel ein Professor sein, der in Deutschland Gastdozent war und nun wieder in Kairo zu einem Thema lehrt. Er kann seine Expertise einbringen und auch als Vorbild für einen Karriereweg dienen“, gibt Böhm zu Protokoll. 

Die climapAfrica-Arbeitsgruppen werden vom DAAD koordiniert und organisieren sich auf der operativen Ebene selbst. Der DAAD stellt die dazu notwendigen Tools und Plattformen bereit, wie unter anderem geschlossene Gruppen auf LinkedIn, und bietet fachliche Vernetzung mit deutschen Forschenden, Beratungs-, und Schulungsleistungen. Die künftigen Stipendiatinnen und Stipendiaten ergänzen bestehende Gruppen oder es werden weitere Gruppen für neue Forschungsprojekte erstellt. So ist ein dynamischer Wissensfluss sichergestellt. 

Die nächste, vierte Bewerbungsphase startet Mitte Dezember 2020. Ein ausdifferenzierter Auswahlprozess unter Einbeziehung von Professorinnen und Professoren mit fundierter Afrika-Erfahrung gewährleistet das hohe Potenzial der „climapAfrica Postdoc Fellows“. Aktuell werden 39 Personen aus zwei Auswahlrunden gefördert, die sich in den Arbeitsgruppen mit über 100 Expertinnen und Experten austauschen. Die dritte Auswahlrunde läuft gerade. 

Ausblick auf virtuellen Austausch
Sämtliche Teilnehmende aus allen Arbeitsgruppen kommen Ende Oktober zur ersten climapAfrica-Konferenz zusammen. Erwartet werden 170 Teilnehmende aus 80 Institutionen und 30 Ländern. „Die Veranstaltung sollte eigentlich in Kapstadt stattfinden. Nun werden wir sie am 29. und 30. Oktober aufgrund der Pandemie leider nur virtuell umsetzen können“, sagt Simone Kolz. „Das Gute ist, dass unsere ‚climapAfrica Community‘ es gewohnt ist, sich virtuell zu vernetzen, wir digital eine größere Reichweite haben und niedrigschwelliger internationale Klimaforschende für das Programm gewinnen können.“ 

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Simone Kolz, Referentin im climapAfrica-Programm, freut sich auf die erste climapAfrica-Konferenz am 29. und 30. Oktober. 

Am ersten Tag der Konferenz stellen die Gruppen sich und ihre bisher erarbeiteten Ergebnisse vor. Außerdem wird es in unterschiedlichen Formaten die Möglichkeit geben, das individuelle und fachliche Netzwerk zu erweitern. An Tag zwei kommen internationale Expertinnen und Experten sowie Professorinnen und Professoren zu den jeweiligen Themen der Arbeitsgruppen zu Wort, die in verschiedenen Sessions ihr Wissen teilen – darunter zum Beispiel Rattan Lal, eine pakistanisch-amerikanische Koryphäe auf dem Gebiet nachhaltiger Bodenbewirtschaftung. Auch Dr. Oluwafemi Adeyeri wird auf der climapAfrica-Konferenz sein und seine Erkenntnisse über den Niederschlag am Tschadsee im Rahmen einer Poster-Präsentation seiner climapAfrica-Arbeitsgruppe zur Diskussion stellen. Im Idealfall erreichen sie dort Zuhörerinnen und Zuhörer, die diese Informationen mit ihrem eigenen Know-how zur Bodenbeschaffenheit und Landwirtschaft verknüpfen können, damit die Ernährung der Menschen im Sahel auch in den kommenden Jahren gesichert werden kann. 

Oliver Knoch (27. Oktober 2020)