Wissenschaftsfreiheit mit den modernsten Mitteln der Kommunikation garantieren

DAAD

Dimensionen von Internationalisierung: Einer von fünf Themenbereichen der Konferenz #MovingTarget2020 ist „Wissenstransfer, ‘Third Mission’ und Offene Bildungspraxis“.

Anfang Oktober lädt der DAAD zur Digitalisierungskonferenz „Moving target digitalisation“ ein. Ziel ist es, Internationalisierung durch die Lupe der Digitalisierung im interaktiven Austausch mit den Teilnehmenden zu betrachten. DAAD Aktuell stellt vorab Konferenzbeiträge vor und macht den Auftakt mit der Einreichung der Off-University.

Deutschland hat am 1. Juli 2020 für ein halbes Jahr den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen. Unter dem Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ verfolgt Deutschland während der EU-Ratspräsidentschaft das Ziel, dass Europa stärker und souveräner aus der aktuellen Corona-Krise hervorgeht. In den kommenden sechs Monaten nimmt Deutschland dafür unter anderem die Chancen und Herausforderungen von Digitalisierung und die damit einhergehenden Veränderungen der Bildungs- und Arbeitswelt in den Blick. Internationale Vertreterinnen und Vertreter von Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen, Partner Europäischer Hochschulallianzen, Studierende und politische Entscheidungsträgerinnen und -träger sind daher eingeladen, am 5. und 6. Oktober an der vom DAAD hybrid ausgerichteten Digitalisierungskonferenz teilzunehmen, die über die Internationalisierung der Hochschulbildung im digitalen Wandel diskutieren will. Das Thema der Konferenz „Moving target digitalisation: re-thinking global exchange in higher education“ soll dafür sensibilisieren, Internationalisierung durch Digitalisierung ganzheitlich zu betrachten.

Welche Ziele können in der Internationalisierung der Hochschulbildung neu gesetzt werden und welche Wege lassen sich dank digitaler Formate in Zusammenarbeit, Mobilität und Wissenstransfer eröffnen? Dazu Katharina Engel, Organisatorin der Konferenz #movingtarget2020 im Referat Digitalisierung beim DAAD: „Wir geben den Teilnehmenden die Möglichkeiten, sich interaktiv über viele Facetten der digitalen Internationalisierung auszutauschen. Dafür haben uns Hochschulen sowie Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland rund 100 konkrete Beispiele zu fünf Themenbereichen eingereicht, die sich mit verschiedenen Dimensionen von Internationalisierung beschäftigen. Ich freue mich auf spannende Diskussionen zur Zukunft des globalen Austauschs.“

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privat

Katharina Engel, Organisatorin der Konferenz #movingtarget2020 im Referat Digitalisierung beim DAAD.
 


Dimensionen von Internationalisierung – die fünf Themenbereiche der Konferenz:

  1. Kollaboration digital: Kooperationen und Partnerschaften
  2. Austausch und Mobilität: physisch – blended – virtuell
  3. Digitale Verwaltung und Transfer von Studierendendaten: Daten-Ökosysteme und Datensouveränität
  4. Attraktivität der Hochschulen in der globalen Wissensgesellschaft
  5. Wissenstransfer, ‘Third Mission’ und Offene Bildungspraxis

Das Beispiel der Off-University 
Eine der Einreichungen für den fünften Themenblock „Wissenstransfer, ‚Third Mission‘ und Offene Bildungspraxis“ ist das Beispiel der Off-University, einer rein virtuellen Universität, die 2017 von und für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler/n aus der Türkei ins Leben gerufen wurde. Sie richtet sich aber auch an Akademikerinnen und Akademiker aus der ganzen Welt, die entlassen oder zur Kündigung gezwungen, die juristisch und politisch verfolgt oder wegen ihrer Äußerungen und ihrer Forschung sogar inhaftiert wurden. Über ihre digitale Plattform bietet die Off-University den betroffenen Lehrenden, Forschenden und Studierenden die Möglichkeit, Wissenschaft und Bildung online fortzuführen. 

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Off-University

Die rein virtuelle Off-Universität wurde 2017 gegründet. Off steht für „Organisation für den Frieden“.

Dritte Mission: Risikowissenschaften unterstützen
Dr. Julia Strutz ist eine der Gründerinnen der Off-University und arbeitet als Historikerin mit Schwerpunkt Turkologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München am Institut für den Nahen und Mittleren Osten. Warum die Off-University ihren Beitrag für die Konferenz zum Themenblock „Third Mission“ eingereicht hat? „Weil unsere Arbeit für die Gesellschaft enorm wichtig ist. Wir setzen uns für die akademische Freiheit ein. Wir nutzen den digitalen Raum strategisch, um Verfolgung und staatliche Repressionen zu umgehen. Der digitale Raum hilft uns, Netzwerke aufzubauen, damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiter lehren können, mit ihren Studierenden in Kontakt und untereinander im Austausch bleiben“, erläutert Strutz. Seit der Gründung 2017 sei das Netzwerk enorm gewachsen. Gehörten anfangs nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Türkei zur Off-University, zählen mittlerweile auch Kolleginnen und Kollegen aus Ungarn, Belarus, Syrien und Libyen dazu. „Bestimmte Wissenschaften wie beispielsweise Geschlechterforschung, Migrationsforschung oder kritische Wirtschaftswissenschaften geraten je nach Land immer mehr unter Druck und werden zu Risikowissenschaften“, sagt Strutz. „Wir wollen diese Risikowissenschaften unterstützen und dafür ist unsere digitale Plattform ideal.“

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Eine der Gründerinnen der Off-University: Dr. Julia Strutz, Historikerin mit Schwerpunkt Turkologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Live-Workshop: an der Zensur vorbei 
In einem rund einstündigen Live-Workshop werden Dr. Julia Strutz, ihre Kollegin Anna Baum, die die Aktivitäten der Off-University koordiniert, und eine Gastwissenschaftlerin aus dem Netzwerk der Off-University auf der Konferenz zunächst Beispiele für bereits gehaltene Online-Formaten vorstellen. Sie erklären Online-Tools, mit deren Hilfe man die Zensur umgeht, und zeigen, wie interaktive, verschlüsselte virtuelle Räume genutzt werden können, um insbesondere riskantes Wissen und riskante Disziplinen wie „Gender Studies“ und Menschenrechte zu unterrichten. Alles wichtige Instrumente, die nicht nur für verfolgte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessant seien, so Strutz: „Die digitale Lehre ist in einer ganz anderen Art von außen angreifbar als unsere bisher analoge Lehre. Daher geht dieses Thema alle an.“ Im zweiten Teil möchten sie in kleinen Gruppen diskutieren, welche ähnlichen Formate bei den Teilnehmenden eingesetzt werden. Wie man an ihren Universitäten mit verfolgten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammenarbeitet und welche Möglichkeiten es gibt, in Kontakt zu bleiben und eine Kollaboration aufzubauen.

Konferenzziel: Kollaborationen aufbauen 
„Für exilierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es sehr wichtig, in Kontakt zu bleiben und Online-Kurse aufzubauen. Nur so kommen sie heraus aus der Isolierung und ihr Wissen zirkuliert weiter“, sagt Strutz. „Durch unsere Teilnahme an der Konferenz wollen wir weitere Kollaborationen mit Hochschulen aufbauen, um noch mehr Kurse anbieten zu können. Momentan arbeiten wir mit 17 Hochschulen in Deutschland zusammen. Vor allem die International Offices der Hochschulen und die Kolleginnen und Kollegen aus den Digitalisierungsabteilungen sind für uns interessante Austauschpartner. Fast alle Universitäten haben eine größere Gruppe von verfolgten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, für die sie gastgebend sind, aber bei denen sie nicht wissen, wie sie sie unterstützen können.“

Hochschule der Zukunft muss kollaborativer werden
Obwohl die Off-University eine rein digitale Universität ist, betont Strutz, dass sie in den vergangenen Jahren gelernt hätten, wie wichtig der sehr intensive Kontakt zu den Studierenden sei. Gerade unter digitalen Bedingungen müsse man sich diese Kontaktpflege noch stärker vornehmen. „Lernen ist eine Beziehung und kann auch nur als Beziehung stattfinden. Wir haben erlebt, dass dies auch in digitalen Räumen unter absoluter Anonymität möglich ist“, sagt sie. „Hochschulen müssen im Lernen kollaborativer werden. Die Lernbeziehung zwischen Lehrenden, Forschenden und Studierenden muss sich ändern. Weg von der reinen Vorlesung hin zu begleitendem Lernen. Die Digitalisierung kann uns dabei helfen, da sie die Rolle der Lehrperson ohnehin mittelfristig verändert.“

Das Motto der EU-Ratspräsidentschaft gemeinsam leben
Was sich die Off-University von Deutschlands Vorsitz bei der EU-Ratspräsidentschaft erhofft? „Wir als Organisation machen natürlich keine Europapolitik. Aber so wie wir im Kleinen mit unseren Online-Kursen dafür sorgen, dass verfolgte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiter lehren und forschen können, wünschen wir uns von Deutschland und der EU konkrete Unterstützung für gefährdete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ein offensives Bekenntnis zur akademischen Freiheit.“

Astrid Hopp (11. September)

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