„Vielversprechende Kooperationspartner identifizieren“

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Shanghai ist der Motor des aktuellen chinesischen Wirtschaftsaufschwungs und zudem stärkster Anziehungspunkt für ausländische Investitionen.

Wissenschaft, Forschung und Innovation haben sich im asiatisch-pazifischen Raum in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt. Daraus ergeben sich sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich große Chancen in der Region. Der aktuelle APRA-Monitoring-Bericht, der vor Kurzem erschienen ist, bestätigt dies. Er entstand in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), dem German Institute of Global Area Studies (GIGA-Hamburg) und dem DAAD. Dr. Christian Schäfer, Leiter des Referats für Forschung und Studien beim DAAD, erläutert, warum der Bericht für Hochschulen interessant ist. 

Herr Dr. Schäfer, was genau sagt der APRA-Monitoring Bericht 2020 aus und welches Ziel verfolgt er?
APRA steht für Asia-Pacific Research Area, ein Begriff, der analog zur European Research Area (ERA) formuliert wurde. Zur Region zählen die Länder Australien, China, Indien, Indonesien, Japan, Malaysia, Neuseeland, Philippinen, Singapur, Südkorea, Taiwan, Thailand und Vietnam. Dem Portal Kooperation international zufolge ist APRA neben Europa und Nordamerika der drittgrößte Forschungs- und Bildungsraum weltweit. Dadurch ergeben sich vielfältige Ansatzpunkte für produktive Kooperationen. Natürlich entsteht aber auch neuer Wettbewerb in Bezug auf wissenschaftliche Forschung und technologische Entwicklungen. Das Ziel des APRA-Monitoring Berichts ist es, die wissenschaftlichen, technologischen und innovationsbezogenen Entwicklungen in den APRA-Ländern zu erfassen und im Ländervergleich zu betrachten. Diese Informationen können dann in Deutschland zur Schwerpunktsetzung bei der Forschungsplanung und der internationalen Zusammenarbeit beitragen. Unter Umständen lassen sich so auch neue, vielversprechende Kooperationspartner identifizieren – und zwar sowohl für die Wirtschaft als auch für Wissenschaft und Forschung, denn der APRA-Monitoring Bericht zeigt in beiden Dimensionen, welches Land wo besonders gut aufgestellt ist.

Welche Themenbereiche deckt der Bericht ab?
Er gibt einen Überblick über bestimmte Schlüsseltechnologien wie etwa Bioökonomie oder erneuerbare Energietechnologien. Zudem analysiert er insbesondere die Bedeutung Chinas im Hinblick auf Wissens- und Technologiegenerierung. Im letzten Bericht wurde das Forschungs- und Innovationssystem Chinas grundlegend untersucht, im aktuellen liegt der Fokus auf den Kooperationsaktivitäten ausgewählter europäischer Länder mit China. Dabei wird auch die Studierendenmobilität betrachtet: So ist China beispielsweise in zehn von ehemals 28 EU-Ländern das häufigste Herkunftsland ausländischer Studierender. Die wichtigsten Gastländer für chinesische Studierende in der „alten“ EU sind das Vereinigte Königreich, Deutschland und Frankreich, gefolgt von Irland und Italien. Andersherum besteht jedoch noch immer ein eher geringes Interesse deutscher Studierender an langfristigen Aufenthalten in China. In zwei weiteren thematisch-fachlichen Kapiteln werden die Themenfelder Lebenswissenschaften und Materialwissenschaften beleuchtet. Ein drittes Kapitel widmet sich Education Hubs in Asien, regionalen Bildungsknotenpunkten, die sich im APRA-Raum bilden. Konkret geht es um die Entwicklungen in Malaysia, Südkorea, Singapur und China. Diese Länder bemühen sich darum, als Alternativen zu traditionellen Zielländern wahrgenommen zu werden – innerhalb der Region gegenüber Australien und Japan, aber auch gegenüber Zielländern außerhalb der Region.

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Eric Lichtenscheidt


Dr. Christian Schäfer ist Leiter des Referats für Forschung und Studien beim DAAD. Im Interview betont er die Bedeutung des aktuellen Berichts zum Monitoring des Asiatisch-Pazifischen Forschungsraums (APRA) für mögliche Wissenschaftskooperationen.

Warum ist der Bericht so bedeutend für die Forschung?
Die aktuelle Covid-19-Pandemie zeigt auf drastische Weise, wie wichtig internationale Kooperation bei der Bearbeitung komplexer Forschungsfragen ist. Damit die Kooperation effizient ist, benötigen Forschungsinstitutionen, Förderorganisationen und Ministerien einen guten Überblick über die Forschungsstärken der einzelnen APRA-Länder und die dort vorherrschenden Rahmenbedingungen. Die im APRA-Bericht zusammengestellten Informationen erlauben zudem Aussagen darüber, in welchen Ländern bestimmte Zukunftsthemen besonders intensiv und erfolgreich bearbeitet werden. Des Weiteren zeigen sie, wie gut die betrachteten Forschungsdisziplinen etabliert sind, welche forschungspolitischen Schwerpunkte gesetzt werden und welche mittelfristigen Entwicklungen zu erwarten sind. Dafür werden rückblickend Daten zur Publikationsleistung, zur Patententwicklung und zur Mobilität von Forschenden herangezogen sowie die aktuellen forschungspolitischen Entwicklungen analysiert. Da die Studierenden von heute die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von morgen sind, erlaubt die im Bericht enthaltene Analyse der aktuellen Mobilitätsströme von Studierenden auch gewisse Aussagen zur zukünftigen Entwicklung.

Warum lohnt es sich, den Bericht herunterzuladen, und wie profitieren insbesondere Hochschulen davon?
Die große Anzahl und Vielfalt der gesammelten Daten sind sehr aufschlussreich und erlauben eine genaue Differenzierung. Die zusammenfassenden Beschreibungen geben einen guten Überblick und unterstützen die Leserinnen und Leser dabei, die für sie relevanten Themenfelder zu identifizieren und näher zu betrachten. Dazu muss man aber das gesamte Datenwerk zur Hand haben. Speziell für Hochschulen ist es beispielsweise interessant, durch die Mobilitätsdaten des DAAD zu erfahren, in welches APRA-Land Studierende gehen, um Auslandserfahrung zu sammeln. Zudem kann es auch sein, dass das Land an sich eher nicht zur ersten Wahl der Hochschule oder der Studierenden zählt, aber eine hochqualifizierte Ausbildung durch zum Beispiel Education Hubs bietet. Auch darauf geht der APRA-Monitoring Bericht ein.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?
Die Daten dokumentieren die Dominanz Chinas, das sich zu einem zentralen Standort der Wissensgenerierung entwickelt hat. Auch Indien hat aus wissenschaftlicher Perspektive stark aufgeholt. Parallel hierzu nimmt die Zahl indischer Studierender in Deutschland kontinuierlich zu, wobei besonders das Masterstudium und die MINT-Fächer stark vertreten sind. Die differenzierte Analyse zeigt, dass Japan in den Bereichen Mikroelektronik, Photonik sowie neue Werkstoffe weltweit technologisch führend bleibt, China aber im Bereich Mikroelektronik auch technologisch in die Top 3 aufgerückt ist – bei steigender Tendenz. Insgesamt betrachtet weist jedes größere APRA-Land ein eigenes, spezifisches wissenschaftliches Profil auf, im Rahmen dessen konkrete Kooperationen in Forschung und Entwicklung auf hohem Niveau denkbar sind. In Bezug auf die sehr gute Positionierung Chinas ist noch zu ergänzen, dass die wissenschaftlichen Profile Chinas und der Europäischen Union überwiegend komplementär sind und dass sich so vielfältige Ansatzpunkte für interdisziplinäre Kooperationen ergeben. Insgesamt bieten die APRA-Länder für die westlichen Natur- und Ingenieurwissenschaften vielfältige Referenzpunkte mit Blick auf die akademische Zusammenarbeit und das macht sie zu wichtigen Zukunftspartnern.

Dr. Christian Schäfer/Barbara Westfeld (30. Juli 2020)