New York: Krisenmanagement und digitaler Austausch

DAAD/Benedikt Brisch

Die 2nd Avenue in Manhattan in der Nähe der Außenstelle im März 2020: Leere, wo sich normalerweise Menschen und Autos auf der Straße drängen.

Die Corona-Pandemie betrifft auch die Arbeit des DAAD weltweit. Was die Krise für die einzelnen Länder bedeutet und wie der DAAD darauf reagiert, berichten die Leiterinnen und Leiter unserer Außenstellen. Wir beginnen unsere Serie mit Benedikt Brisch aus New York, der die DAAD-Außenstelle dort seit 2019 leitet. 

Was bedeutet die Krise konkret für Ihre Arbeitsinhalte?
Anstatt Stipendienauswahlen durchzuführen sowie Stipendiatinnen und Stipendiaten zu ihren anstehenden Studien- und Forschungsaufenthalten zu beraten, ist jetzt erstmal Krisenmanagement gefragt: Wer ist noch im Land, wer möchte oder muss rasch ausreisen, wie können wir dabei helfen? Die Stipendienabteilung der DAAD-Zentrale hat rasch sehr flexible Regelungen für viele Lebenslagen erlassen, die wir parat haben und in der Beratung anwenden müssen. Mit sehr vielen Stipendiatinnen und Stipendiaten sowie German Studies-Dozenten in den USA und in Kanada ist die Außenstelle in engem, regelmäßigem Kontakt. Gleichzeitig mussten wir beinahe alle Veranstaltungen der ersten Jahreshälfte 2020 in den USA und in Kanada absagen oder in virtuelle Online-Veranstaltungen umwandeln. Mit den Partner-Institutionen des DAAD in den USA, wie dem Institute of International Education (IIE), der New York University, dem Goethe-Institut und auch mit der deutschen Botschaft und dem Generalkonsulat sind wir vom Homeoffice aus in regem Austausch über die aktuelle Lage, und es haben bereits zahlreiche Telefon- und Videokonferenzen stattgefunden.

Coronakrise AS NY Benedikt Brisch

DAAD/Ambika Singh

Benedikt Brisch, Leiter der DAAD-Außenstelle in New York.

Inwiefern hat sich der Fokus Ihrer Arbeit verschoben?
Die Außenstelle New York ist ab dem 16. März in den „Homeoffice-Modus“ übergegangen. Seitdem haben wir zweimal pro Woche Teammeetings und viele zusätzliche Besprechungen per Videokonferenz durchgeführt. Dafür mussten zusätzliche Laptops beschafft, Software installiert werden etc. ¬– das war auch einiger Aufwand. In jeder Woche gehen einzelne Mitarbeitende noch ins Büro, zum Beispiel um Zahlungen anzuweisen und Rechnungen zu bezahlen. 

Der Fokus der Arbeit verschiebt sich über das aktuelle Krisenmanagement ganz eindeutig in Richtung „Virtual Exchange“. Sämtliche US-Hochschulen haben ihren Lehrbetrieb weitestgehend auf online umgestellt und unzählige Artikel beschäftigen sich damit, wie Studium, Forschung und internationaler Austausch in Krisenzeiten durch neue digitale Tools und virtuelle Formate weitergeführt, ergänzt oder erweitert werden können. Mit Kolleginnen und Kollegen der Stipendien- und Projektförderung im DAAD haben wir in einer Videokonferenz über die Einführung neuer Software-Tools für den transatlantischen Virtual Exchange beraten. Das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus New York (DWIH) musste bereits am 10. März kurzfristig eine Veranstaltung gemeinsam mit der Universität Köln für den Publikumsbesuch absagen. Mit vereinten Kräften von DWIH und Uni Köln ist es gelungen, die Podiumsdiskussion stattdessen live im Internet zu streamen. 

Wer möchte, kann sich das Video hier anschauen.

Wie erleben Sie persönlich die Coronakrise?  
Bis zum heutigen Tag ist erfreulicherweise niemand aus dem DAAD-Team in den USA an Covid-19 erkrankt, und auch aus dem Kreis der Geförderten gibt es keine Meldung über eine Erkrankung. Das Alltagsleben hat sich wohl ähnlich verändert wie in Deutschland: Am 20. März erließ der Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, eine „Shelter in Place“-Order: Alle Menschen sollen zu Hause bleiben und es nur aus dringenden Gründen verlassen. Seither ist das öffentliche Leben weitgehend zum Stillstand gekommen. Die meisten Außenstellenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter leben in New York City, ich selbst als Außenstellenleiter lebe mit meiner Frau und unseren drei Kindern nördlich im Vorort in Westchester County in der Nähe der Deutschen Schule. Unser Nachbarort New Rochelle war ein früher Hotspot mit einem der ersten Infizierten, deshalb wurden in der Gegend auch sehr früh Quarantäne-Maßnahmen angeordnet. Genau wie in Deutschland sind in den Geschäften rasch verschiedene Waren ausverkauft gewesen, inzwischen sind viele Regale aber wieder gut gefüllt. Vor einigen Supermärkten gibt es lange Schlangen, weil nur noch eine begrenzte Kundenzahl hineingelassen wird. Schulen, Sport- und Kinderspielplätze sind geschlossen. 

Am Montag, den 30. März 2020, waren auf der Webseite der Johns Hopkins University – sie dokumentiert die weltweite Verbreitung von COVID-19 – erstmals mehr Infektionen im New York State (19,5 Millionen Einwohner) verzeichnet als in ganz Deutschland. Sehr erschütternd ist die hohe Zahl von Todesfällen in New York. Das alles hat in den deutschen Medien viele dramatische Berichte über die Lage in New York ausgelöst. Die hohen Todeszahlen hängen sicherlich auch damit zusammen, dass es in New York sehr viele alte Menschen und Personen mit Vorerkrankungen gibt. Immerhin werden jetzt die Krankenhauskapazitäten und die Ausrüstung des Gesundheitssystems in großer Eile stark ausgebaut. Die soziale Lage ist insgesamt in den USA in Zeiten von Corona sehr problematisch: Es gibt über 27 Millionen Menschen ohne Krankenversicherung, viele Menschen gerade im Niedriglohnsektor bekommen keine Lohnfortzahlung. Innerhalb von zwei Wochen ist die Arbeitslosigkeit von einem sehr niedrigen Stand jetzt laut Medienberichten auf über sechs Millionen gestiegen. 

Das alles macht vielen Menschen in den USA und speziell jetzt in New York verständlicherweise große Sorgen. Im Alltag ist jedoch auch viel Gelassenheit zu spüren. Viele New Yorker ziehen jetzt Masken an, gehen aber an sonnigen Tagen auch spazieren, joggen und Fahrrad fahren – alles mit freundlichem Abstand. Die Menschen sind ausgesprochen hilfsbereit, und es gibt sehr viel Solidarität mit kranken und alten Menschen sowie den Menschen, die in der Gesundheitsversorgung arbeiten. 

(9. April 2020)

Coronakrise: Impressionen aus New York