Leibniz-Preis für DAAD-Alumna: Professorin Dagmar Schäfer im Porträt

DFG/David Ausserhofer

Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2020: Die Wissenschaftlerin und DAAD-Alumna Prof. Dr. Dagmar Schäfer gehört zu den zehn Preisträgerinnen und Preisträgern.

Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 konnte die Verleihung der diesjährigen Leibniz-Preise noch nicht stattfinden. Dennoch stellen wir Ihnen in einer kleinen Serie schon drei DAAD-Alumni unter den Preisträgerinnen und Preisträgern vor. Lernen Sie als Nächstes Dagmar Schäfer und ihre herausragenden Erkenntnisse zur weltweiten Wissensentwicklung kennen. Die geschäftsführende Direktorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, wird mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2020 für ihre Beiträge zur globalen Entwicklung von Technik und Wissenschaft ausgezeichnet.

Eine globale, nicht eurozentrierte Geschichte von Technik und Wissenschaft entwickelte sich in Dagmar Schäfers Studium zu ihrem Hauptthema. Ein besonderes Gewicht dabei erhielt China, wo sie mit einem DAAD-Stipendium 1990 und 1991 ihr Studium der Sinologie vertiefen und um wertvolle Perspektiven erweitern konnte. An der Universität Würzburg promovierte sie 1996 in Sinologie, Japanologie und Politikwissenschaften; 2005 habilitierte sie sich dort.

Neue Impulse in Fernost 
Ihr Weg nach Fernost mit dem DAAD-Stipendium ermöglichte Dagmar Schäfer eine Verbindung, die bis heute hält. Sie hat derzeit zwei Gastprofessuren in China inne, eine davon an der School of History and Culture of Science in Shanghai. Ein Schwerpunkt ihrer Forschung liegt auf den Paradigmen, die den Diskurs über die technologische Entwicklung in der Vergangenheit und der Gegenwart bestimmen. Insbesondere Schäfers Arbeiten zu China haben ein neues Licht auf die dortige Wissensentwicklung seit der frühen Neuzeit geworfen und damit den Blick auf die weltweite Entwicklung von Technik und Wissenschaft geweitet.

Grundlagen für neue Forschungsansätze 
Mit dem Buch „Des Kaisers seidene Kleider. Staatliche Seidenmanufakturen in der Ming-Zeit (1368–1644)“ schuf Dagmar Schäfer einen Ausgangspunkt für einen wissenschaftlichen Ansatz, der Technologien, Prozesse und Strukturen vor allem im vormodernen China untersucht, die zu unterschiedlichen Wissenssystemen führten. Dabei geht es um die Frage, auf welche Weise Wissen aus Handlungen generiert und dann in Artefakten festgehalten und manifestiert wird. Schäfers Untersuchungen mündeten in der Leitung einer unabhängigen Forschungsgruppe zur Wissenschafts- und Technikgeschichte Chinas am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (MPIWG) in Berlin.

Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis

Der Wissenschaftspreis ist der wichtigste Forschungsförderpreis in Deutschland und wird jährlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Vorschlag Dritter vergeben. Die Preisträgerinnen und Preisträger erhalten die Möglichkeit, ihre Forschung zu erweitern, sie zu intensivieren und besonders begabte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu beschäftigen. Der Leibniz-Preis ist mit bis zu 2,5 Millionen Euro pro Preisträgerin oder Preisträger dotiert. 

Bahnbrechendes Werk für die Wissenschafts- und Technikgeschichte
Dagmar Schäfers wichtigstes Werk „The Crafting of the 10,000 Things: Knowledge and Technology in 17th-Century China” (2011) weitete diese Perspektive aus und vertiefte sie. Die Veröffentlichung trug grundlegend zu einem besseren Verständnis von europäischen und chinesischen Entwicklungen bei und machte es möglich, sie ausgewogener miteinander zu vergleichen. Inhaltlich beleuchtete die Monografie die sich verändernde Rolle von Artefakten, etwa Texten, Objekten und Räumen, bei der Schaffung, Verbreitung sowie Nutzung wissenschaftlicher und technologischer Erkenntnisse.

Die Bedeutung dieser Veröffentlichung für die Forschung wurde unter anderem durch die Verleihung des Joseph Levenson Book Prize und des Pfizer Award an Dagmar Schäfer unterstrichen. Nach einem Jahr auf dem Lehrstuhl für China-Studien und Technikgeschichte an der Universität Manchester von 2012 bis 2013 kehrte sie als Direktorin der neugegründeten Abteilung „Artifacts, Action, Knowledge” an das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte zurück. 

Transnationale Agenda in der Wissenschaftsgeschichte
In Berlin, wo sie im Juli 2019 das Amt als geschäftsführende Direktorin des Max-Planck-Instituts übernahm, gibt Schäfer auch Vorlesungen an der Technischen Universität (TU) und der benachbarten Freien Universität (FU) Berlin. 

Die Auszeichnung ihrer wissenschaftlichen Leistungen mit dem Leibniz-Preis ist ein hervorragender Anschub, „eine transnationale Agenda in der Wissenschaftsgeschichte weiterzuführen und neue Fragen zu Wissen, seinen Ressourcen, Geschichten und Anwendungen in Vergangenheit und Gegenwart zu stellen“, sagt Schäfer. Nicht zuletzt werde es ihr auch künftig darum gehen, diese Forschung stärker in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken.

In der Fachwelt ist Dagmar Schäfer längst hochgeschätzt. Von Peking bis Princeton ist ihre Expertise gefragt und führte sie bereits zu Lehraufträgen rund um die Welt. Gerade heute, wo sich die Kluft zwischen den „westlichen“ Zivilisationen und China zu vergrößern scheint, sind Dagmar Schäfers Erkenntnisse für ein gegenseitiges Verständnis vielleicht wichtiger denn je.

Torben Dietrich (7. April 2020)

Zur Person

Dagmar Schäfer, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte 

  • Forschungsfeld: Technik- und Wissenschaftsgeschichte Chinas
  • Leibniz-Preis für: herausragende, vergleichende Beiträge zum Verständnis chinesischer und europäischer Wissensentwicklung
  • Stationen: Universität Würzburg; University of Manchester; Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin