Internationale Studiengänge haben Strahlkraft

FH Münster

Das CALA-Team der FH Münster: (hintere Reihe v. l.) Constantina Rokos M.A., Doktorandin im Bereich Politik, International Coaching / Dezentrale Gleichstellungsbeauftragte an der Münster School of Business (MSB), dem Fachbereich der FH Münster; Prof. Dr. Marcus Laumann, Studiengangleiter CALA; Dipl. Geogr. Martina Ratermann, Leiterin Office for International Studies MSB; (vordere Reihe v. l.) Dipl. Päd. Walburga Wöstmann, Leitung Organisation und Verwaltung des CALA-Studiengangs; Claudia Umanzor M. Sc., Mitarbeiterin im Science-to-Business-Marketing Research Center an der MSB; Claudia de Bornstedt M.A., Dozentin für Wirtschaftsspanisch an der MSB, speziell CALA

Ob joint oder double degree: Mit Studiengängen, die einen Doppelabschluss mit einer Partnerhochschule ermöglichen, stellen sich Hochschulen nicht nur international auf. Die Projektbeteiligten profitieren auch von einem intensiven Austausch in Forschung und Lehre, die Absolventinnen und Absolventen haben exzellente Berufsaussichten. Ein Blick auf die erfolgreichen Beispiele der Fachhochschule Münster, der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und der Philipps-Universität Marburg.

Die Aufgabe der Hochschulen ist es, eine Basis zu bieten, um Wissen ohne Grenzen zu erwerben, zu vertiefen und weiterzugeben. Lehrende und Lernende müssen international ins Gespräch kommen können. Diesem Gedanken sind integrierte internationale Studiengänge mit Doppelabschluss verpflichtet. Sie haben die Internationalisierung der deutschen Hochschulen und die Mobilität deutscher Studierender im Fokus. 108 dieser Studiengänge stehen derzeit auf der Förderliste des DAAD. Bereits seit 20 Jahren unterstützt der DAAD den Aufbau solcher Studiengänge mit dem Programm „Integrierte internationale Studiengänge mit Doppelabschluss“. Je nach Kooperationsform erhalten Absolventinnen und Absolventen einen von beiden Hochschulen anerkannten Abschluss (joint degree) oder die Abschlüsse beider Partnerhochschulen (double degree).

Elf Partnerhochschulen in Lateinamerika
Dass Hochschulen bei der Wahl der Partner frei sind, zeigt das Beispiel der Fachhochschule Münster mit dem Deutsch-Lateinamerikanischen Studiengang für Betriebswirtschaft „CALA“. Der Kurzname steht für Carrera Alemana-Latinoamericana de Administración. Die FH Münster kooperiert bei diesem Studiengang nicht nur mit einem Partner, sondern gleich mit einem ganzen Kontinent: Bei dieser sogenannten Multipartnerschaft verbringen die Studierenden eineinhalb Jahre an einer Hochschule in Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Kolumbien, Mexiko oder Peru. Mit dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums erhalten sie sowohl den Bachelor of Arts der FH Münster als auch den jeweiligen akademischen Grad der lateinamerikanischen Partnerhochschule.

CALA zieht CALI nach sich
Angefangen hat diese Partnerschaft mit den Lateinamerika-Kontakten des 2003 in den Ruhestand gegangenen Betriebswirtschaftlers Prof. Klaus Rother. Mit ihm stemmte Martina Ratermann, Leiterin des 2001 gegründeten Office for International Studies am Fachbereich Wirtschaft der FH Münster, den strukturellen Aufbau des integrierten internationalen Studiengangs. Zeitgleich baute sie ein Alumni-Netzwerk auf, dem sowohl CALA-Absolventinnen und -Absolventen angehören als auch Unternehmen, die den Studiengang unterstützen und als Ansprechpartner für das Praxissemester bereitstehen. „Und das Programm strahlt aus“, berichtet Prof. Frank Dellmann, Vizepräsident für Bildung und Internationales der FH Münster. Vor wenigen Monaten habe die FH Münster ein zweites Programm unter dem Namen „CALI“ beantragt, um die Erfahrungen von CALA auf die Ingenieurwissenschaften zu übertragen.

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Thorsten Ahrendt

Prof. Frank Dellmann, Vizepräsident für Bildung und Internationales an der Fachhochschule Münster

Hochschulen schärfen ihr internationales Profil
Eine Entwicklung, die Tabea Kaiser bestätigt. Sie leitet beim DAAD das Referat Internationalisierung in der Lehre: „Die Doppelabschlussprojekte sind für die Hochschulen ein wichtiger Baustein, um sich international aufzustellen. Und der Aufwand, den die Hochschulen betreiben, lohnt sich sehr, denn die Studienprogramme bringen die internationale Profilschärfung der jeweiligen Hochschule einen deutlichen Schritt voran.“

Großes Engagement sorgt für Erfolgsgeschichten
Der sogenannte double degree, also die Abschlüsse der jeweiligen Partnerhochschulen, „ist der Königsweg der integrierten Auslandsmobilität“, sagt Kaiser, denn er vereinfache den Studienabschnitt im Ausland und bringe beispielhaft zur Geltung, was die Studiengänge auszeichne: dass der Auslandsaufenthalt konzeptionell ins Studium integriert sei und nicht selbstständig organisiert und dass er mit dem Studium verbunden werden müsse. So spiele die Internationalität alle Vorteile aus, denn die Studierenden gewännen neben interkulturellen Kompetenzen auch zusätzliche fachliche und erarbeiteten sich einen Zugang zu verschiedenen Arbeitsmärkten. Auch die Lehrenden bauen in aller Regel Kontakte aus und nutzen den gemeinsamen Studiengang zum weiteren Austausch in Lehre und Forschung. Kaiser findet anerkennende Worte für die beteiligten Hochschulen und ihre Repräsentanten: „Es ist bewundernswert, wie viel persönlicher Einsatz dahintersteht und welche Lösungen gefunden werden, zum Beispiel wenn Hochschulsysteme schwer kompatibel sind.“ Zudem erleichtern Tutorien und Sprachkurse den Auslandsaufenthalt für die Studierenden. All das trage dazu bei, „dass die Studiengänge mit Doppelabschlüssen eine Erfolgsgeschichte sind“, sagt Kaiser.

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DAAD/David Ausserhofer

Tabea Kaiser, Leiterin des Referats „Internationalisierung in der Lehre“ beim DAAD

Von Cottbus nach Melbourne
Die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU Cottbus-Senftenberg) hat in Kooperation mit der australischen Deakin University in Melbourne einen Dual-Degree-Masterstudiengang zur UNESCO-Welterbekonvention etabliert. In vier Semestern erwerben Absolventinnen und Absolventen Kenntnisse über die Einbettung wie auch die Umsetzung des Welterbekonzepts mit Blick auf Kultur, Architektur und Stadtplanung, Umwelt, Wirtschaft und Tourismus. Zum Studiengang gehören Gastdozenturen, Studienreisen und Projekte mit Partnern im In- und Ausland. Die Studien in Cottbus befassen sich mit dem Erbe der Menschheit und untersuchen die Beziehungen zwischen Welterbe und globalisierungsbedingten Transformationsprozessen. Dissertationen sollen thematisch auf eines der Schwerpunktgebiete des Programms ausgerichtet sein. Cottbus liegt als deutscher Standort des Studiengangs günstig: mit den Schlössern in und um Berlin sowie dem 40 Kilometer südöstlich gelegenen Park des Fürsten Pückler in Bad Muskau in der Oberlausitz, der sich zu beiden Seiten der deutsch-polnischen Grenze erstreckt. Oder mit der Oberlausitzer Teichlandschaft zwischen Cottbus, Dresden und Görlitz, einem UNESCO-Biosphärenreservat.

Großer Andrang auf den Studiengang
Der Dual-Degree-Studiengang wurde als Exzellenzvariante des bereits existierenden Master-Studiengangs World Heritage Studies konzipiert und wird seit 2013 durchgehend vom DAAD gefördert. Prof. Michael Schmidt, der 1999 den Studiengang "World Heritage Studies" gemeinsam mit Prof. em. Marie-Theres Albert initiierte, fand im UNESCO-Welterbesekretariat in Paris eine strategische Partnerschaft, um die Schwerpunkte des Programms zu entwickeln. „Wir haben die Welterbekonvention in ein Curriculum übersetzt“, sagt Schmidt. Mit dem sehr beliebten Studiengang hebt sich die BTU Cottbus-Senftenberg ab: Auf die 40 Plätze des regulären Studienprogramms "World Heritage Studies" bewerben sich jährlich mehr als 100 Studierende aus der ganzen Welt. Die fünf Besten werden für den Dual-Degree-Studiengang ausgewählt. „Die Vielzahl der Nationalitäten in einem Master-Programm ist deutschlandweit spitze“, sagt Schmidt und fügt hinzu: „Manchmal bin ich mir nicht sicher, was attraktiver ist – die Lehre oder die Vielfalt der Länder, die im Studiengang vertreten sind und mit ihrem Potenzial den Welterbediskurs erweitern.“ Einen Vorteil bildet dabei die Förderprogrammatik des DAAD-Programms, die erfolgreiche double- und joint degree-Studiengänge auch langfristigmit Mobilitätsstipendien finanziell unterstützen kann. Absolventinnen und Absolventen des Programms erwerben zwei Abschlüsse: einen Master in World Heritage Studies von der BTU Cottbus-Senftenberg und einen Master in Cultural Heritage von der Deakin University. Als Welterbe-Spezialisten arbeiten sie heute – neben der akademischen Laufbahn – bei der UNESCO, in Ministerien und Behörden ihrer Länder, im Management der Welterbestätten, in Museen oder privaten Kultureinrichtungen.

Alumni stoßen weitere Fachdiskussionen an
Zudem pflegt die BTU Cottbus-Senftenberg die Arbeit mit Alumni. Mit Unterstützung des DAAD werden Absolventinnen und Absolventen nach Cottbus eingeladen, über ihr Engagement und ihre Erfahrungen zu berichten. „Dadurch gewinnt das Fach fortlaufend neue Facetten“, berichtet Schmidt, etwa wenn Alumni über Zerstörung, Raub oder die Frage einer Rückgabe von Kulturgütern berichten und damit weitergehende Diskussionen auslösen.

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Privat

Prof. Michael Schmidt, BTU Cottbus-Senftenberg

Von Marburg nach Kent
Einen europäischen Masterstudiengang mit joint degree, also einem von beiden Partnern anerkannten Abschluss, bietet die Philipps-Universität Marburg an. Dank guter Kontakte zur University of Kent in Canterbury aufgrund einer Erasmus-Partnerschaft entwickelten beide Universitäten den gemeinsamen Studiengang „Peace and Conflict Studies“, der 2011 gestartet ist. Die Module umfassen Themen wie Konflikttheorien, Mediation oder die gesellschaftliche Aufarbeitung von Gewalt. Zum Studium gehört ein Praktikum von mindestens zehn Wochen.

Unterschiedliche Hochschulsysteme, ergänzende Perspektiven
„Wir haben von Anfang an in der Struktur des joint degrees gedacht“, sagt Prof. Thorsten Bonacker, als stellvertretender Geschäftsführer des Marburger Zentrums für Konfliktforschung verantwortlich für den Studiengang. „Die Studierenden sollten ihr Studium an einem Ort beginnen und am anderen beenden können.“ Dazu kommt auf der Marburger Seite die Möglichkeit zu ergänzenden Lehr- und Forschungsprojekten. Während in Kent Themen aus dem Bereich der internationalen Politik und Sicherheit im Vordergrund stehen, geht es in Marburg vor allem um Aspekte der Friedenspsychologie und der Konfliktbearbeitung. „So lernen die Studierenden zwei sehr unterschiedliche Hochschulsysteme kennen, mit fachlich einander ergänzenden Perspektiven“, sagt Bonacker.

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Prof. Thorsten Bonacker, stellv. Geschäftsführer des Marburger Zentrums für Konfliktforschung

Programm zieht hoch motivierte Studierende an
Es sei zwar nicht so einfach gewesen, einen gemeinsamen, beide Systeme übergreifenden Studiengang ins Leben zu rufen, „zumal Verwaltungsvorschriften wechselseitig nicht kompatibel waren“, berichtet Bonacker. Vor allem unterscheiden sich die Zulassungsregeln und die Struktur von Prüfungsordnungen erheblich voneinander. Eine der Folgen: In Canterbury zahlen die Studierenden Gebühren von umgerechnet 4.600 Euro pro Jahr, in Deutschland nicht. Zum Glück dauern die britischen Masterstudiengänge ein Jahr, das erleichterte die Konzeption eines Studienganges von insgesamt vier Semestern. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, Verwaltungsvorschriften der unterschiedlichen Partner kompatibel zu machen, zieht das Programm nun hoch motivierte Studierenden an. Rund die Hälfte davon stamme aus Deutschland, die andere größtenteils aus Europa, aber auch aus den USA, Indien oder Hongkong. Sie seien an der Uni Marburg gern gesehen, und diese profitiere auch als Ganze von dem Studiengang. Bei dem Audit „Internationalisierung der Hochschulen“ durch die Hochschulrektorenkonferenz habe der Studiengang eine wichtige Rolle gespielt. Bonacker fügt hinzu: „Er bietet beste Berufsaussichten, etwa bei internationalen Organisationen, Stiftungen, Ministerien, im Bundestag oder in der Arbeit mit Geflüchteten.“

Wolfgang Thielmann (22. Oktober 2019)