„Den Studienerfolg ausländischer Studierender erhöhen“

DAAD/Eric Lichtenscheidt

Christiane Schmeken, Direktorin der Abteilung Strategie im DAAD, erläutert, wie deutsche Hochschulen den Studienerfolg von Bildungsausländerinnen- und ausländern erhöhen können

In Deutschland studieren aktuell mehr als 280.000 Bildungsausländerinnen und -ausländer. Allerdings schließen nicht alle ihr Studium in Deutschland erfolgreich ab. Im Gespräch erklären Christiane Schmeken, Direktorin der Abteilung Strategie, und Dr. Jesús Pineda, Bildungssoziologe im Referat Forschung und Studien des DAAD, die Hintergründe und erläutern, wie deutsche Hochschulen den Studienerfolg von Bildungsausländerinnen und -ausländern unterstützen können.

Im Projekt „Studienerfolg und Studienabbruch bei Bildungsausländern in Deutschland im Bachelor- und Masterstudium“ (SeSaBa), das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert wird, analysieren der DAAD, die FernUniversität in Hagen und das Bayerische Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF) gemeinsam die spezifische Studiensituation von internationalen Studierenden in Deutschland. Warum ist das nötig?
Christiane Schmeken:
Zahlen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) zeigen, dass bei internationalen Studierenden die Studienabbruchraten mit 45 Prozent im Bachelorstudium und 29 Prozent im Masterstudium besonders hoch sind. Diese Ergebnisse sind nicht zufriedenstellend und erfordern ein besonderes Augenmerk. In unserem Forschungsprojekt SeSaBa untersuchen der DAAD, die Fernuniversität in Hagen und das IHF daher noch bis 2021 die Ursachen für den Abbruch wie auch die Determinanten für den Studienerfolg.

Zur Auswertung des Forschungsprojekts wurden bestimmte Kriterien herangezogen. Welche sind das und was sind erste Ergebnisse?
Dr. Jesús Pineda:
Wir betrachten Studienerfolg wie auch Studienabbruch als komplexe, multikausale Phänomene. Daher sollte man nicht nur eine Ursache für den Studienabbruch ausmachen, sondern viele Kombinationen oder, besser gesagt, Überschneidungen von Herausforderungen in die Betrachtung miteinbeziehen. Um diese zu identifizieren, haben wir bereits 2017 Expertenworkshops mit Hochschulvertreterinnen und -vertretern und Fokusgruppen mit internationalen Studierenden durchgeführt. Im Rahmen der qualitativen Vorstudie haben wir beispielsweise festgestellt, dass viele internationale Studierende mit falschen Erwartungen nach Deutschland kommen. Wir haben uns die Frage gestellt, warum das so ist und welche Informationsquellen sie nutzen. Um Enttäuschungen vorzubeugen, wäre zu überlegen, wie die Hochschulen ihre Informationsvermittlung verbessern oder stärker mit Stellen im Ausland zusammenarbeiten können. Studieninteressierte sollten im Vorfeld erfahren, dass der Erwerb der deutschen Sprache eine erhebliche Herausforderung darstellt. Diese Problematik hat sowohl eine objektive als auch eine subjektive Ebene. Die tatsächliche Sprachbeherrschung und die eigene Selbsteinschätzung fallen häufig auseinander. So verlassen sich viele internationale Studierende darauf, dass sie erfolgreich studieren können, wenn sie die formalen Voraussetzungen erfüllen. Entsprechend groß ist die Enttäuschung, wenn sie trotz Sprachzeugnis ihren Professor während der Vorlesung nicht verstehen. Studierende in englischsprachigen Studiengängen gehen oftmals fälschlicherweise davon aus, dass ihr Studiengang rein in englischer Sprache abgehalten wird. Viele Hochschulen bieten jedoch gewisse Informationen nur auf Deutsch an.

Pineda

DAAD/privat

Dr. Jesús Pineda, Bildungssoziologe im Referat Forschung und Studien des DAAD

Warum ist der Studienerfolg von Bildungsausländerinnen und -ausländern für das deutsche Hochschulmarketing relevant?
Christiane Schmeken:
Die Erhöhung des Studienerfolgs internationaler Studierender stellt ein wichtiges strategisches Ziel für die Hochschulpolitik und die Forschung dar. Zufriedene Alumni sind hervorragende Botschafter für ein Studium in Deutschland. Zunehmend spielen sie auch eine Rolle im Marketing einzelner Hochschulen, denn in Zeiten zurückgehender inländischer Studierendenzahlen konkurrieren die deutschen Hochschulen mehr denn je untereinander um die besten ausländischen Studierenden. Die Informationsseiten deutscher Hochschulen bieten heutzutage nicht nur allgemeine Informationen über Hochschule und Studium, sondern machen auch deutlich, wie erfolgreich und zufrieden die internationalen Studierenden an dem Standort sind.

Der Blick auf einige Gastländer, die mit Deutschland um die Internationalisierung der Hochschulbildung konkurrieren, zeigt, dass internationale Studierende dort häufig erfolgreicher sind als inländische Studierende. Wie ist das zu erklären?
Dr. Jesús Pineda:
Tatsächlich zeigt ein Blick in andere Gastländer, dass die Abbruchquoten internationaler Studierender nicht überall höher ausfallen als die der inländischen Studierenden. Dies gilt etwa für die USA, Australien sowie die Niederlande. Dafür gibt es sicherlich unterschiedliche Gründe. Im DAAD-Blickpunkt „Studienerfolg und Studienabbruch bei Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern in Deutschland und anderen wichtigen Gastländern“ vom Januar 2019 analysiert mein Kollege Dr. Jan Kercher, inwieweit die Finanzierung der Hochschulsysteme einen Einfluss auf die Beratung und Betreuung der Studierenden hat. Die höheren Erfolgsquoten in den genannten Ländern könnten teilweise auf die hohen Studiengebühren für internationale Studierende und die daraus finanzierten Betreuungsleistungen zurückzuführen sein. Natürlich dürfte auch eine Rolle spielen, dass man in den USA und in Australien Englisch spricht – auch viele niederländische Studiengänge werden auf Englisch abgehalten. Damit entfällt eine große Hürde für die Studierenden aus dem Ausland. Aus soziologischer Perspektive wäre eine – noch zu überprüfende – Hypothese, dass die USA und Australien mit ihrer längeren Tradition als Einwanderungsgesellschaften über mehr Erfahrung im Umgang mit dem Thema Diversität verfügen.

Was tut der DAAD für den Erfolg von Bildungsausländerinnen und -ausländern?
Christiane Schmeken:
Unsere Maßnahmen setzen an drei Punkten an: Analyse, Marketing und Betreuung. Zum einen geht es darum, den Studienerfolg zu erheben und die entscheidenden Faktoren zu verstehen. Daher analysieren wir im DAAD ständig die Entwicklungen der internationalen Studierendenmobilität sowie die Studienabbruchquoten in Deutschland – beispielsweise mit dem Projekt „Profildaten zur Internationalität an deutschen Hochschulen“, der Publikation „Wissenschaft weltoffen“ oder der SeSaBa-Studie. Hier versuchen wir, ein differenziertes Bild je nach Herkunftsregion zu zeichnen, und unterstützen so die Hochschulen bei der Wahl der für sie am besten geeigneten Zielländer. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie das internationale Hochschulmarketing Bewerberinnen und Bewerbern sowie Hochschulen dabei hilft, Erwartungsmanagement zu betreiben. Je genauer beide Seiten wissen, was sie erwartet, desto größer werden die Erfolgschancen. Schließlich fördert der DAAD mit den STIBET-Programmen (STIBET = Kombiniertes Stipendien- und Betreuungsprogramm) aus Mitteln des Auswärtigen Amts die Betreuung von ausländischen Studierenden und Doktoranden an deutschen Hochschulen. Momentan gibt es allein 28 neue Projekte, die mit dem Ziel initiiert wurden, den Studienerfolg von Bildungsausländerinnen und -ausländern zu erhöhen.

Wie unterstützen die STIBET-Programme genau und wodurch zeichnen sie sich aus?
Dr. Jesús Pineda:
Die STIBET-Programme sollen vor allem die Willkommenskultur für ausländische Studierende verbessern. Zentrales Ziel ist, dass die internationalen Studierenden am Hochschulort gut integriert sind, damit sie ein positives Deutschlandbild entwickeln, nach ihrem Studium mit Deutschland in Verbindung bleiben oder sogar als Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt gewonnen werden können. Modellprojekte werden entwickelt, um den Studienerfolg ausländischer Studierender zu erhöhen. Dafür begleiten und betreuen wir die Hochschulen nicht nur, wir tauschen uns auch intensiv mit ihnen aus, um Best-Practices zu entwickeln. Diese kommen wiederum anderen Hochschulen zugute.

Was können die deutschen Hochschulen eigeninitiativ tun, um dem Studienabbruch von internationalen Studierenden entgegenzuwirken?
Christiane Schmeken:
Viele Hochschulen haben mittlerweile eine sehr genaue Vorstellung davon, welche Bewerberinnen und Bewerber auf welche Studiengänge passen. Die passgenaue Auswahl ist die wichtigste Voraussetzung dafür, zufriedene und erfolgreiche internationale Studierende zu gewinnen. Weitere zentrale Elemente sind eine gute soziale und fachliche Betreuung und Maßnahmen zur Integration der internationalen Studierenden. Eine besondere Herausforderung für die eher dezentral organisierten deutschen Hochschulen ist es, die vielfältigen Angebote so zu bündeln, dass sie von den Studierenden gefunden und genutzt werden. Auch wenn wir nicht mit den Rundum-Sorglos-Paketen konkurrieren können, welche Hochschulen im angelsächsischen Ausland dank hoher Studiengebühren bereithalten: Wir sind zuversichtlich, dass wir mit dem SeSaBa-Projekt herausfinden, wie die deutschen Hochschulen ihre internationalen Studierenden noch wirksamer unterstützen können.

Interview: Barbara Westfeld (12. September 2019)