„Neue Möglichkeiten zur globalen Zusammenarbeit“

Jan Greune

„Transnationale Studienangebote und Institutionen sind Aushängeschilder der deutschen Hochschulen im Ausland“, sagt Dr. Dorothea Rüland

DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland über transnationale Präsenzen deutscher Hochschulen, deren neue Rollen – und die Stärke des Fachhochschulmodells.

Frau Dr. Rüland, als „Ankerpunkte im Ausland“ hat der Titel der Tagung zur Transnationalen Bildung (TNB) im November 2018 in Berlin die weltweiten deutschen TNB-Präsenzen bezeichnet. Was macht diese Studiengänge, Exzellenz- und Fachzentren sowie binationalen Hochschulen zu derart wichtigen Elementen des internationalen Austauschs?
Zunächst einmal sind diese transnationalen Studienangebote und Institutionen Aushängeschilder der deutschen Hochschulen im Ausland. Durch ihre bedeutenden Beiträge zur Ausbildung junger Akademiker und Akademikerinnen stellen sie auch die Stärken des deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystems insgesamt unter Beweis. Das Bild des Halt gebenden Ankers verweist auf ein weiteres wesentliches Merkmal solcher fester Auslandspräsenzen: Durch die stabile Einbettung an ihren jeweiligen Standorten sind sie über ihre Kernaufgaben im internationalen Hochschulbetrieb hinaus anschlussfähig für Kooperationen auf weiteren Gebieten. Das bietet einen großen Mehrwert und wertvolle Synergien für die Wissenschaft, aber auch für Unternehmen, Gesellschaft und Politik.

Nun ist die internationale Kooperation in Bildung und Wissenschaft zuletzt unter Druck geraten; populistische und nationalistische Stimmen sind weltweit lauter geworden. Was bedeutet das für das Engagement der deutschen Hochschulen im Ausland?
Wir dürfen nicht vergessen: Hürden für die internationale Zusammenarbeit im Hochschulbereich sind kein neues Phänomen. Seit bald drei Jahren beschäftigen uns die unklaren Konsequenzen aus dem britischen Brexit-Votum. Der Konflikt in Syrien und seine Folgen für die gesamte Region sind noch längst nicht beendet. Aber gerade angesichts solcher Krisensituationen haben sich transnationale Hochschulpräsenzen bewährt, etwa, indem sie junge syrische Geflüchtete in der Nähe ihres Heimatlands auf ein Studium vorbereiten oder bereits als Studierende aufgenommen haben. Zugleich haben Klimaveränderungen und extreme Wetterereignisse in den letzten Jahren besonders deutlich gemacht, dass der Klimawandel eine globale Bedrohung darstellt, deren Folgen sich auch nur global werden mildern lassen – und das bedeutet: durch internationale Zusammenarbeit, auch und gerade in der Wissenschaft. Für den Wert dieser internationalen Zusammenarbeit ließen sich noch weitere Beispiele aufzählen. Diese Zusammenarbeit entsteht jedoch nicht von selbst, dazu braucht es Menschen, die gelernt haben, ihr fachliches Wissen über kulturelle und politische Grenzen hinweg zusammen mit anderen einzusetzen. Und es braucht Strukturen, die die Entwicklung der dazu erforderlichen Kompetenzen möglich machen. Der Wissenschaftsrat hat bei der Bekanntgabe seiner Empfehlungen zur Internationalisierung von Hochschulen im Juli 2018 die Notwendigkeit weltoffener Strukturen prägnant auf den Punkt gebracht: „Internationalisierung – Jetzt erst recht!“

Wie verändern sich Rollen und Themenfelder in Transnationaler Bildung sonst noch?
Die deutsche Hochschullandschaft ist grundsätzlich sehr forschungsgetrieben; das prägt langfristig auch die transnationalen Hochschulpräsenzen. An der bereits 2002 gegründeten German University in Cairo, einem Pionierprojekt Transnationaler Bildung „made in Germany“, wird zum Beispiel mittlerweile auch vielfältig geforscht, oft gemeinsam mit den deutschen Partnern. Aber zuvor wurden dort Bachelor-, Master- und Promotionsprogramme aufgebaut – dieser Prozess benötigt immer Zeit. Auch der Austausch mit der Wirtschaft gewinnt weiter an Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund der international zunehmend intensiven Suche nach qualifizierten Fachkräften. TNB-Präsenzen bieten der deutschen Exportindustrie, aber auch der lokalen Wirtschaft Möglichkeiten einer ähnlichen Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen, wie sie in Deutschland üblich ist. Das bedeutet anwendungsorientierte Forschung und Ausbildung, die sich nach den Bedürfnissen der Arbeitgeber vor Ort richten und so einen schnellen Transfer von Wissen und Impulsen zwischen Hochschule und lokal engagierter Industrie ermöglichen. Und natürlich wird die Digitalisierung auch in der Transnationalen Bildung durch neue Möglichkeiten die Zusammenarbeit rund um den Globus verändern.

Auch die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Internationalisierung von Hochschulen betonen die Chancen von Auslandspräsenzen für die deutschen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Wie nutzen diese bislang die Fördermöglichkeiten des DAAD für ihre TNB-Aktivitäten?
Wenn man die Beteiligung der verschiedenen Hochschularten an den Förderprogrammen des DAAD betrachtet, dann setzen gerade die Fachhochschulen und HAW die TNB-Förderung für ihre Internationalisierung ein. Während der Anteil der Fachhochschulen in den meisten DAAD-Programmen noch unter dem Anteil der deutschen Universitäten liegt, sind sie unter den Förderungen für TNB-Aktivitäten überproportional vertreten. Fachhochschulen haben mit dieser Unterstützung erfolgreich eine große Anzahl von Studienangeboten im Ausland aufgebaut.

Welche Zukunftsperspektiven sehen Sie für den Aufbau weiterer Standorte der Transnationalen Bildung?
Deutsche Hochschulen und Universitäten, die sich international durch eine eigene Präsenz strategisch positionieren wollen, wird der DAAD weiterhin beim Aufbau neuer TNB-Standorte unterstützen. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats, aber auch die Erfahrungen des DAAD aus langjähriger Förderpraxis lassen insbesondere ein anhaltendes Engagement der Fachhochschulen und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften erwarten. Das gilt für einzelne Studiengänge, aber auch für die Gründung weiterer binationaler Hochschulen, an denen im Ausland ein großes Interesse besteht und die der DAAD mit seinem Netzwerk bei der Vorbereitung unterstützt. Finanziell engagiert sich der DAAD dabei aus Erfahrung erst dann, wenn die Rahmenbedingungen auf beiden Seiten stimmen. Mit der Regierung Kenias reden wir aktuell über den Aufbau einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Ostafrika. In Ägypten hat Professor Ashraf Mansour, der mit der German University in Cairo bereits sehr erfolgreich eine Universität nach deutschem Vorbild aufgebaut hat, starkes Interesse an der Gründung einer privaten Hochschule nach dem deutschen FH-Modell und treibt dies mit einem Konsortium deutscher Hochschulen für Angewandte Wissenschaften voran.

Der Beitrag von DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland ist zuerst im DUZ Special zum Thema „Transnationale Bildung: Ankerpunkte im Ausland" vom 24. Mai 2019 erschienen. Die vollständige Ausgabe finden Sie hier.