„Wissenschaftsfreiheit ist eine Säule der Demokratie“

DAAD/Thilo Vogel

DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland: „Wir wollen den gesellschaftlichen Diskurs anregen“

Mit zahlreichen Veranstaltungen beteiligt sich der DAAD an der Kampagne „Freiheit ist unser System. Gemeinsam für die Wissenschaft“. So lädt er im Rahmen der „Bonner Tage der Demokratie“ zu Diskussionsrunden ein. Auch das Stipendiatentreffen vom 17. bis 19. Mai in Heidelberg widmet sich der Wissenschaftsfreiheit. DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland erklärt im Kurzinterview, weshalb die Freiheit des Denkens die Basis einer offenen Gesellschaft ist.

Frau Rüland, was kann die Wissenschaft zur Stärkung der Demokratie beitragen?
Demokratie lebt von der Freiheit des Denkens, vom Streben nach gemeinsamen Regeln. Aber auch vom authentischen Gedankenaustausch, der rationalen Strukturen folgt und sich auf die Suche nach Erkenntnis begibt. Hierfür stehen auch die Werte der Wissenschaft: Hypothesen müssen überprüfbar sein, erst dadurch erhalten sie Gültigkeit und Authentizität. Und sie können auch wieder verworfen werden. Versuch und Irrtum stellen das Gegenteil von ideologischem Rigorismus dar. Diskurse, die nicht alternativen Fakten, sondern der Vernunft folgen, braucht jede funktionierende Demokratie.
 
Darum beteiligt sich der DAAD an seinem Hauptsitz auch an den Bonner Tagen der Demokratie.
Ja, denn für mich ist selbstverständlich, dass ich in einer Gesellschaft leben möchte, in der jeder seine Meinung frei äußern kann und die Auseinandersetzung mit Anderen nicht scheut – vielleicht sogar gezielt danach sucht. Ich bin der Meinung, dass dem DAAD hier eine signifikante Rolle zufällt. Mit unseren Austauschprogrammen wirken wir an einer offenen Gesellschaft mit. Menschen, die mit uns ins Ausland gehen oder in Deutschland studieren, erleben nicht nur andere Wissenschaftssysteme: Die Alltagserfahrung in einem anderen Land lässt sie die eigene Identität reflektieren und führt zu einem Perspektivwechsel. Sie bewirkt, sich selbst und die Erwartungen anderer zu hinterfragen. Dies weckt Offenheit und Toleranz in jedem. Deshalb haben wir zu den Diskussionen auch DAAD-Stipendiaten eingeladen. Wir beteiligen uns an dieser Reihe, um den gesellschaftlichen Dialog anzuregen, mit Bonner Bürgern Herausforderungen an unser Demokratieverständnis zu reflektieren, aber auch um den Wert unseres Rechtsstaates zu verdeutlichen.
 
Wissenschaftsfreiheit und Demokratie – was fällt Ihnen dazu ein?
Deutschland hat sich einen Auftrag erteilt: zu einer Welt beizutragen, die friedlich und offen dem sozialen Fortschritt zugewandt ist. Neben der Meinungsfreiheit und der Gleichberechtigung gehört die Freiheit der Wissenschaft zu den entscheidenden Säulen des Grundgesetzes. Für letztere müssen wir heute entschiedener eintreten denn je. Sie garantiert eine Zukunft, in der wir einer zunehmend komplexen Realität konstruktiv begegnen können. Die Freiheit der Wissenschaft kann aber nicht ohne die übrigen Freiheiten gedacht werden. Sie bedingen sich gegenseitig, denn ohne Toleranz ist auch kein Fortschritt möglich.

Interview: Bastian von Jarzebowski (29. April 2019)