Experten-Tipps für den deutsch-amerikanischen Hochschulaustausch: „Auf Augenhöhe verhandeln“

Harvard University

Harvard University: "Extrem interessante Lehrerfahrungen"

Experten mit intensiven Erfahrungen in der deutsch-amerikanischen Kooperation berichten aus ihrer Arbeit und geben Tipps für einen erfolgreichen Austausch.

Experten-Tipps für den deutsch-amerikanischen Hochschulaustausch

Bernd Wannenmacher

Dr. Katja Simons leitet das 2005 gegründete Verbindungsbüro New York der German University Alliance, ein Zusammenschluss der Freien Universität Berlin und der Ludwig-Maximilians-Universität München.

„Das Interesse an Deutschland steigt“

„Wir verstehen uns als Ansprechpartner für Studierende und Wissenschaftler aus den USA und Kanada, aber auch für den Aufbau von Hochschulpartnerschaften, den Ausbau von Kontakten oder das Hochschulmarketing. Inzwischen pflegen fast alle deutschen Hochschulen Partnerschaften in den USA, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Kooperationen, in deren Rahmen Studierendenaustausch stattfindet, sind dabei weit häufiger als solche, die von der Nachwuchsförderung über Forschungs- und Lehrkooperationen bis hin zu gemeinsam formulierten strategischen Zielen reichen. Eine solche strategische Partnerschaft verbindet sowohl die Freie Universität Berlin als auch die LMU mit der University of California, Berkeley.

Insgesamt beobachten wir, dass das Interesse amerikanischer Studierender, einen Master in Deutschland zu absolvieren, steigt – auch wenn dies für viele weiterhin ein größerer Schritt zu sein scheint als für Deutsche, die in die USA gehen wollen. Dennoch lohnt sich hier das Engagement für deutsche Hochschulen. Am einfachsten lassen sich Verbindungen über bestehende wissenschaftliche Kontakte knüpfen und via Marketing: Es gibt in den USA viele spezialisierte Messen, auf denen wir präsent sind.

Das Engagement im Studierendenaustausch ist allerdings kein Selbstläufer, in gewisser Weise ist es sogar schwieriger geworden. Amerikanische Universitäten erwarten Kurzzeit- und maßgeschneiderte Programme für ihre Studierenden. Sprachbarrieren können nur durch ein umfangreiches englischsprachiges Lehrangebot auch im grundständigen Studium umgangen werden. US-amerikanische Studierende haben hohe Ansprüche, das gilt nicht nur für die Betreuung während ihres Aufenthalts, sondern auch im Vorfeld bei der Vorbereitung des Austauschsemesters. Sie erwarten zum Beispiel schon lange vor Beginn des Auslandsaufenthaltes ein hohes Maß an Planungssicherheit bezüglich der Lehrangebote.“

MEIN TIPP: „Meist erfährt man im Gespräch schnell, was geht und was nicht. Wenn etwas nicht geht, gilt: verhandeln und die Interessen des Gegenübers im Blick haben. Oft gibt es Alternativen für US-Studierende, die kein ganzes Semester kommen wollen – etwa eine Summer School oder andere kürzere Aufenthalte.“

Experten-Tipps für den deutsch-amerikanischen Hochschulaustausch
privat

Klaus Wiehl von der Humboldt-Universität zu Berlin koordiniert das thematische Netzwerk „Literatur – Wissen – Medien“. Der DAAD fördert das seit 2015 bestehende Austausch- und Forschungsprogramm.

„Reger Austausch von Nachwuchswissenschaftlern“

„In dem geisteswissenschaftlichen Netzwerk 'Literatur – Wissen – Medien' kooperiert die Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) mit den Universitäten Cornell, Harvard, New York, Princeton, California/Berkeley und Yale. Weitere Partner in Deutschland sind das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, das Zentrum für Literatur- und  Kulturforschung und das Erlanger Zentrum für Literatur und Naturwissenschaft (ELINAS). Entstanden ist das Programm aus langjährigen Kontakten des Berliner Literaturwissenschaftlers Professor Joseph Vogl zu Kollegen in den USA, die zu ähnlichen Themen arbeiten. Jedes Jahr setzt sich das Netzwerk ein Schwerpunktthema, zu dem entweder eine Summer School in Berlin oder eine internationale Konferenz an wechselnden Orten stattfindet. Hinzu kommt ein reger Austausch von Nachwuchswissenschaftlern zwischen Berlin und den sechs Partneruniversitäten. Für deutsche Doktoranden und Postdocs ist es extrem interessant, Lehrerfahrungen aus den USA vorweisen zu können, zumal aus Harvard oder Princeton. Allerdings stellen wir fest: Auch das Interesse der Amerikaner an Deutschland ist groß, erst recht, aber nicht nur in der Germanistik.

Die HU Berlin steuert das Netzwerk. Ein Koordinator ist für unser Projekt ausreichend, denn Wissenschaftler in den USA haben schon heute ein Selbstverständnis, das sich auch in Deutschland zunehmend durchsetzt: Sie sind von sich aus in gewissem Sinne als Wissenschaftsmanager tätig. Mir fällt zudem immer wieder auf, wie zugänglich und schnell erreichbar Professorinnen und Professoren  in den USA sind. Der Kontakt per E-Mail ist weniger förmlich als in Deutschland – ungezwungen, geradeheraus und schnell. Dadurch gewöhnt man sich an, nicht erst ausgereifte Pläne zu präsentieren, sondern früh zu schreiben und Vorhaben häufig im E-Mail-Verkehr miteinander erst entstehen zu lassen.“

MEIN TIPP: „Wer sich für Kooperationen mit den USA interessiert, sollte auf Augenhöhe verhandeln. Natürlich ist die Finanzkraft von Harvard oder Berkeley aus deutscher Sicht enorm. Statt sich einschüchtern zu lassen, sollte man auf die eigenen Stärken vertrauen. Denn die hat die deutsche Wissenschaft.“

Experten-Tipps für den deutsch-amerikanischen Hochschulaustausch

Universität Leipzig

Svend Poller leitet das Akademische Auslandsamt der Universität Leipzig.

„Eine besondere Partnerschaft“

„Die Universität Leipzig und die Ohio University in Athens kooperieren seit 1992. Damals trafen sich zwei Bedürfnisse: Eine zwar traditionsreiche, aber eher regionale Universität in den USA wollte sich stärker internationalisieren – und die Universität Leipzig hatte eine Reihe Kontakte nach Osteuropa und in die ehemalige Sowjetunion, aber wenige im Westen. Dank eines von den USA finanzierten Sonderprogramms für Mittel- und Osteuropa in den frühen 1990er-Jahren trafen sich Hochschulvertreter beider Seiten – und die Chemie stimmte. In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich die Partnerschaft organisch weiter. Das Motto unserer Kooperation lautet 'Weggefährten' – und das beschreibt auch die Genese der Beziehung treffend.

Heute verbindet die beiden Universitäten eine besondere Partnerschaft, die unter anderem zwei gemeinsame Studiengänge hervorgebracht hat. Masterstudierende in Chemie und Kommunikationswissenschaften verbringen mindestens ein Semester an der Partneruniversität. Grundlage ist jeweils ein gemeinsames Curriculum. Das zu entwickeln war recht komplex – ein Master in den USA ist weit weniger an Gruppenunterricht orientiert als in Deutschland, der Weg dorthin ähnelt eher dem einer deutschen Promotion. Die unterschiedlichen Systeme bieten auch Raum für Konflikte, die es zu bewältigen gilt.

Eine Partnerschaft kann man in Höhe und Tiefe, Breite und Länge vermessen. Die beiden letzten Punkte betreffen den langfristigen Willen zur Kooperation in einer großen Bandbreite an Fächern. Die Tiefe beschreibt die intensiven Kontakte, die Höhe die Kontakte auf den verschiedenen Ebenen, in unserem Fall von der Rektorin bis zum Bachelorstudierenden. Tatsächlich ist es uns bisher gelungen, jeden neuen Rektor beziehungsweise jede Rektorin nach Ohio zu locken; auch die Verwaltungsebene ist in den Austausch einbezogen. Zurzeit steht nach mehr als 25 Jahren ein Generationenwechsel an. Um den in die Wege zu leiten, reisen wir im Frühjahr 2019 mit einer Reihe jüngerer Wissenschaftler, insbesondere aus den Kommunikationswissenschaften und der Chemie, nach Ohio. Wir hoffen, dass sie sich aufmachen, von der scheidenden Generation den Staffelstab zu übernehmen.“

MEIN TIPP: „Es braucht Vertrauen, und Vertrauen muss wachsen. Das geht am besten durch gemeinsame Produkte. Wenn man intensiv zusammen an etwas gearbeitet hat, das institutionell verankert wird, wächst Vertrauen stärker als allein über den Austausch von Studierenden.“

Protokolle: Jeannette Goddar

Der Beitrag ist zuerst erschienen im neuen „Länderprofil USA – Informationen für das internationale Hochschulmarketing“ von GATE-Germany.