SeniorCitizens: Austausch auf Augenhöhe

Johanna Schwarz/Universität Bremen

Teamarbeit an der Universität Bremen: Thomas Neumann, Yayun Yang und Julia Holz

Voneinander lernen und offen sein für neue Perspektiven – dafür steht das SeniorCitizens-Programm der Universität Bremen. Ein Team aus rund 15 Seniorinnen und Senioren betreut internationale Studierende, Promovierende und Gastwissenschaftler und profitiert dabei selbst vom interkulturellen Dialog.

Studieren, promovieren oder forschen im Ausland: eine spannende Herausforderung, die mit persönlicher Unterstützung umso besser gelingt. Das SeniorCitizens-Programm der Universität Bremen bietet seit 2011 ein generationenübergreifendes Netzwerk, das die Arbeit des International Office auf besondere Weise ergänzt und bereichert: Rund 15 Seniorinnen und Senioren, die über die Akademie für Weiterbildung der Universität Bremen ein Seniorenstudium absolvieren oder sich an der Hochschule für internationale Projekte engagieren, sind mit ihren umfangreichen Kenntnissen und Erfahrungen sehr gefragt – von internationalen Studierenden sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. „Wir veranstalten regelmäßig einen Stammtisch, ein Willkommensfrühstück und andere Events wie Museumsbesuche, Bootstouren und Stadtführungen, um die internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den Seniors zusammenzubringen“, sagt Julia Holz vom Welcome Center der U Bremen Research Alliance, das internationale Promovierende und Forschende betreut. „Daraus entstehen einzelne Kontakte, je nach Interesse und Bedürfnis.“

Den Schwerpunkt bildet dabei der interkulturelle Dialog – und die Vermittlung der deutschen Geschichte und Kultur. „Dank ihrer Lebenserfahrung und besonderen Ortskenntnis sind die Seniors dafür hervorragend geeignet“, so Holz. „Gerade bei gemeinsamen Ausflügen sind wir immer sehr froh, sie dabeizuhaben.“ Dabei hat jeder Senior seine ganz eigenen spannenden Geschichten zu erzählen: Eine Architektin engagiert sich beispielsweise im Rahmen des Programms, ebenso ein Betriebswirt und ein Elektroingenieur, den berufliche Projekte in zahlreiche Länder führten. Unterschiedliche Biografien, unterschiedliche Perspektiven: ein Gewinn für die ausländischen Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.

Anregende Gespräche

Auch einige Lehrerinnen und Lehrer sind unter den Seniors zu finden – so wie Thomas Neumann. Der pensionierte Studienrat für die Fächer deutsche Literatur, Politik und evangelische Religion hat es sich zur Aufgabe gemacht, anderen Menschen die Besonderheiten der deutschen Kultur näherzubringen und dabei selbst andere Kulturen kennenzulernen. Als SeniorCitizen engagiert er sich seit sechs Jahren für „gelebte Diversity“, mit gemeinsamen Museums- und Opernbesuchen, Exkursionen zur Gedenkstätte Bergen-Belsen oder anregenden Gesprächen über Politik, Kunst und Kultur. „Dadurch ist mir bewusst geworden, wie sehr wir alle in der Geschichte verhaftet sind“, so Neumann. Auch die eigene Kultur werde in den Diskussionen kritisch hinterfragt: „In vielen Ländern spielt beispielsweise die Familie eine größere Rolle als hier in Deutschland“, sagt er, „mit allen Vor- und Nachteilen.“     

Zu seinen „Schützlingen“ gehört Yayun Yang, die seit zwei Jahren an der Universität Bremen in Jura über Geschlechterdiskriminierung auf dem europäischen Arbeitsmarkt promoviert. „Gleich nach meiner Ankunft in Bremen habe ich beim Stammtisch im Café International Thomas Neumann kennengelernt“, erzählt Yang. „Er und die anderen Seniors haben mich in meinem Wunsch unterstützt, möglichst schnell Deutsch zu lernen. Die Atmosphäre bei den Treffen ist immer sehr aufgeschlossen und herzlich.“

Ihre Doktorarbeit schreibt die Chinesin nun zwar in Englisch, doch im Alltag spricht sie Deutsch. „Wenn ich mittags mit meinen Kollegen zusammen in der Mensa esse, ist es mir wichtig, mich mit ihnen in ihrer Muttersprache unterhalten zu können“, sagt sie. „Das ist viel unkomplizierter.“ Auch außerhalb der Universität Bremen vereinfachten ihr die Sprachkenntnisse die Kommunikation: beim Einkaufen, beim Kennenlernen der Stadt oder beim Smalltalk mit den Nachbarn.

Einblick in die deutsche Kultur

Mittlerweile beherrscht Yayun Yang die Sprache ihres Gastlandes so sicher, dass sie für ihre Doktorarbeit Texte zum Arbeitsrecht auf Deutsch liest. Aber auch die Natur- und Kulturlandschaft rund um Bremen ist dank des SeniorCitizens-Programms für die Promotionsstudentin kein Neuland mehr. „Thomas Neumann hat uns zum Beispiel auf Ausflüge ins Moor oder zum Künstlerdorf Worpswede mitgenommen“, sagt sie. „Das hat mir ganz neue Einblicke in die deutsche Kultur eröffnet.“

Ein weiteres Forum für interessante Gespräche bieten gemeinsame Kochabende, die auch Thomas Neumann besonders schätzt. Dort kommen politische Fragen ebenso zur Sprache wie kulturelle Themen: „Das ist immer ein Austausch auf Augenhöhe“, verdeutlicht Neumann. „Manchmal ergeben sich daraus sogar echte Freundschaften.“ Dass die Seniors und der akademische Nachwuchs unterschiedlichen Generationen angehören, ist für beide Seiten von Vorteil: Priorität hat der Erfahrungsaustausch. „Wichtig ist, einander zuzuhören“, sagt Thomas Neumann. „Wir lernen voneinander und bestärken uns.“

Christina Pfänder (28. September 2018)

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Auf dem Weg zu einem „global PhD“ unterstützt der DAAD seit 2014 deutsche und internationale Promovierende mit dem Programm IPID4all (International promovieren in Deutschland – for all). Zu den übergeordneten Zielen des Angebots gehört ebenso die Internationalisierung der Promotionsausbildung in Deutschland. „Promovierende, deren Hochschulen über IPID4all Fördermittel erhalten, profitieren beispielsweise von Forschungsaufenthalten im Ausland und außerfachlichen Weiterbildungsangeboten zu Themen wie Selbstmanagement oder Academic Writing Skills“, erläutert Birgit Siebe-Herbig, Leiterin des Referats Internationalisierungsprogramme im DAAD. „Zudem haben sie die Möglichkeit, Workshops und Konferenzen zum eigenen Forschungsthema zu organisieren.“ Begleitet wird IPID4all von einer Reihe von Veranstaltungen: zum Netzwerken und zum Wissensaustausch. Finanziert wird das Programm vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das bis 2019 Mittel in Höhe von rund 15 Millionen Euro bereitstellt.

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