Europäische Universitäten: „Grenzüberschreitend forschen und studieren“

Silvia Wolf

Hans-Jochen Schiewer: „Die europäische Wissenschaftspolitik hat neuen Schwung bekommen“

In der neuen DAAD Aktuell-Serie zur viel beachteten Initiative für Europäische Universitäten plädiert Professor Hans-Jochen Schiewer, Rektor der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, für einen „erkennbaren europäischen Mehrwert“. Schiewer stellt auch „Eucor – The European Campus“ vor: den ersten „Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit“ (EVTZ), der allein von Universitäten getragen wird.

Die europäische Wissenschaftspolitik hat neuen Schwung bekommen: Der Vorschlag des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, Europäische Universitäten aufzubauen, prägt die wissenschaftspolitische Diskussion in Europa. Die Europäische Kommission hat den Vorschlag aufgegriffen und plant die Förderung von „European Universities“. Wie genau diese ausgestaltet werden, ist noch nicht endgültig geklärt. Es gibt bereits verschiedene Modellvorschläge. Die Vielfalt der Wissenschaft in Europa muss mit einer Vielfalt an Europäischen Universitäten korrespondieren.

Grundsätzlich müssen die Europäischen Universitäten für eine neue Qualität der grenzüberschreitenden und europäischen Zusammenarbeit in Forschung und Lehre stehen. Die jeweils beteiligten Institutionen müssen es ernst meinen; die Netzwerke brauchen eine gemeinsame Governance und eine gemeinsame Strategieentwicklung. Die europäische Perspektive muss die gesamte universitäre Kultur des Netzwerkes prägen. Gleichzeitig soll die Vielfalt, die sich aus den nationalen Besonderheiten mit ihren jeweiligen historischen Hintergründen und aus den unterschiedlichen Wissenschaftssystemen, -traditionen und -kulturen ergibt, für gemeinsame Projekte aktiviert werden. Nur so werden sich aus den Europäischen Universitäten ein erkennbarer europäischer Mehrwert sowie eine gesteigerte Sichtbarkeit und Konkurrenzfähigkeit des europäischen Wissenschaftssystems ergeben. Nur so können die jeweils beteiligten Institutionen ihre Verantwortung für die Zukunft des europäischen Wohlstands und der europäischen Demokratie in neuer Weise übernehmen. Nur so sind sie in der Lage, eine neue Generation europäischer Bürgerinnen und Bürger zu prägen, die europäisch, mehrsprachig und interkulturell studiert und Europa als gelebten Alltag erfährt.

„Eucor – The European Campus“

In der trinationalen Oberrheinregion sind wir bereits auf dem Weg, dieses ambitionierte Vorhaben umzusetzen: Die Universitäten Basel, Freiburg, Haute-Alsace und Strasbourg sowie das Karlsruher Institut für Technologie sind nach langen Jahren der Zusammenarbeit seit 2015 eine europäische Rechtsperson, genannt „Eucor – The European Campus“. Es ist der erste „Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit“ (EVTZ), der allein von Universitäten getragen wird, die so gemeinsam international noch sichtbarer und attraktiver sein können. Als klar profilierter Wissenschafts- und Forschungsraum ohne Mauern und Grenzen wollen wir nun zu einer Europäischen Universität werden.

Für Eucor – The European Campus bedeutet das konkret: Grenzüberschreitende Mobilität von Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern soll zur alltäglichen Erfahrung werden. Ziel ist es, ein grenzüberschreitendes Studium à la carte zu entwickeln. Dabei möchten wir als besonderes Merkmal gemeinsam die Liberal Arts Education ausbauen. Es soll gemeinsame Professuren geben sowie ein verbessertes gemeinsames Lehrangebot mit noch mehr gemeinsamen Abschlüssen. Hierfür werden die Planungen und Strategien der Universitäten des Verbunds aufeinander abgestimmt. Im Bereich der Forschung möchten wir verstärkt gemeinsam Drittmittel einwerben. Grenzüberschreitende Graduiertenschulen werden entwickelt und in unseren gemeinsam definierten Forschungsschwerpunkten soll Spitzenforschung und forschungsorientierte Lehre intensiv verzahnt werden. Auf der Ebene des Wissens- und Technologietransfers werden wir die guten Ideen aus unseren Universitäten stärker für die Wirtschaft und Gesellschaft der grenzüberschreitenden Oberrheinregion nutzbar machen. Die europäische Perspektive soll somit das gesamte Wissensdreieck aus Forschung, Lehre und Innovation der beteiligten Universitäten prägen und die Idee der Europäischen Universität mit Leben erfüllen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Jochen Schiewer, Rektor der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Präsident von Eucor – The European Campus (4. Juli 2018)