Leibniz-Preise für DAAD-Alumni: Professor Jens Beckert im Porträt

Jürgen Bauer

„Zwischen wirtschaftlichem Handeln und sozialem, politischem und kulturellem Handeln besteht eine Verbindung“, sagt der Wirtschaftssoziologe Jens Beckert

Wie wir wirtschaften: Professor Jens Beckert, Direktor am Kölner Max-Planck-Institut (MPI) für Gesellschaftsforschung, erhält den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für seine wegweisende Forschung in Wirtschaftssoziologie.

Jeder Mensch wirtschaftet – ob im Haus, für die Familie oder mit seinen Ressourcen. Dem Laien leuchtet daher sofort ein, was der Wirtschaftssoziologe Jens Beckert sagt: Zwischen wirtschaftlichem Handeln und sozialem, politischem und kulturellem Handeln besteht eine Verbindung. In der Wissenschaft muss diese Einsicht neu begründet werden, denn: „Die Entwicklung der ökonomischen Theorie hat über die letzten 70 Jahre den Bezug zu ihrer historischen oder auch staatsrechtlichen Tradition verloren. Etabliert hat sich eine rein modelltheoretische Wissenschaft“, so Beckert – und die Soziologie habe sich ihrerseits aus den Kernbereichen der Ökonomie herausgehalten. 

Zeit für neue Konzepte

Soziologie und Wirtschaftswissenschaft liefen also mehr oder weniger unabhängig nebeneinander her. Höchste Zeit für neue, verbindende Konzepte, an denen der Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung arbeitet. Die Relevanz dieser Forschung ist seit der globalen Finanzkrise noch offensichtlicher. „Die Vorstellung, dass Märkte selbstregulierend agieren können, ist obsolet“, sagt Beckert und verweist zum Beispiel auf das eng verflochtene Verhältnis von Politik und Wirtschaft in der griechischen Staatsschuldenkrise. „Allein als ökonomisches Phänomen jenseits von sozialer und politischer Dynamik lässt sich das Problem nicht erfassen.“

„Wert ist ein sozialer Prozess“

Ein anderes Beispiel sind für Beckert der Wert und die Preise von Gütern. „Die These ist, dass die Konstruktion von ökonomischem Wert letztendlich ein sozialer Prozess ist: Der Wert von Gütern ist nicht allein auf Produktionskosten oder objektive Qualitäten eines Gutes zurückzuführen.“ Beckert und sein Team am MPI machen das insbesondere an den Trends am Kunst- oder Weinmarkt deutlich, aber das gilt auch für andere Wirtschaftsgebiete, zum Beispiel die Automobilindustrie oder die Tourismusbranche. „Dass Sylt so teuer ist, hängt eher mit den Kommunikationsprozessen zusammen, die über diese Insel im Tourismus geführt werden – mit dem Wissen um all die reichen und berühmten Leute, die dort hingehen.“

„Diskursive Kultur ist wichtig“

Jens Beckert, der nun für seine herausragende Arbeit mit dem Leibniz-Preis geehrt wird, kam 1989 − während seines ersten USA-Forschungsaufenthalts mit einem DAAD-Jahresstipendium an der New School for Social Research in New York − auch mit der allerersten Literatur zu einer neuen Wirtschaftssoziologie in Berührung, die zu dem Zeitpunkt in den USA im Ansatz entstand. „Niemand sprach darüber in Deutschland“, erinnert sich Beckert. Dieser Kontakt änderte sein akademisches Leben: „Wenn ich zu dem Zeitpunkt nicht in die USA gegangen wäre, hätte ich mich als Wissenschaftler wohl nicht dieser Forschungsrichtung zugewandt.“ 

In seiner Zeit als DAAD-Stipendiat knüpfte er Kontakte in die Community dieser ersten amerikanischen Wirtschaftssoziologen, und die Verbindungen bestehen bis heute. „Ich habe zudem eine große Affinität zu den USA und ihrem Universitätssystem entwickelt. Das wirkt unverändert“, erzählt der DAAD-Alumnus. Er überträgt einige seiner USA-Erfahrungen in die Organisationskultur am MPI. „Ich lernte eine diskursive Kultur über Hierarchien hinweg kennen, in der Doktoranden als gleichberechtigte Diskussionspartner wahrgenommen werden – das ist auch für unser Institut sehr wichtig geworden.“ Und es wird wichtig bleiben, wenn Jens Beckert nun gemeinsam mit seinen Kollegen – gefördert durch den Leibniz-Preis – über die nächsten Projekte auf dem Gebiet der Neuen Wirtschaftssoziologie forscht.

Bettina Mittelstraß (7. März 2018)