„Führungskräfte für Syrien“: Ein neuer Weg für Muhammed Shikhani

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Muhammed Shikhani erforscht die Kraft des Wassers – und kann sich auch für Kunst begeistern

Der Syrer Muhammed Shikhani musste seine Heimat verlassen und lebte zunächst vom Bau von Luxuswohnungen im Libanon. Doch weil er irgendwann beim Wiederaufbau seines Landes mitarbeiten will, bewarb er sich für das Programm „Führungskräfte für Syrien“, kam zum Studium nach Deutschland und forscht nun daran, wie die Trinkwasserversorgung der Zukunft gesichert werden kann.

Schicke Appartements in modernen Hochhäusern bauen, Luxuswohnungen mit direktem Zugang zum Jachthafen hochziehen – wenn Muhammed Shikhani vor einigen Jahren an seine Arbeit dachte, fühlte er sich unwohl. Er war aus Syrien in den Libanon gekommen, weil er sein Land wegen des Bürgerkriegs verlassen musste. In Syrien hatte er Bauingenieurwesen studiert. „Ich kam aus einem Land, in dem Krieg herrschte, und arbeitete nun an Luxusgebäuden“, erzählt der 30-Jährige. „Ich hatte deshalb immer ein schlechtes Gewissen.“

Shikhani wollte einen anderen Weg einschlagen. „Ich wollte unbedingt etwas lernen, was später einmal zum Wiederaufbau und der Entwicklung meines Landes beitragen kann“, sagt der Syrer. Er bewarb sich deshalb für das Programm „Führungskräfte für Syrien“ (siehe Info-Box unten), das der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des Auswärtigen Amts und des Wissenschaftsministeriums in Nordrhein-Westfalen aufgelegt hatte. Junge Syrerinnen und Syrer erhalten dabei die Möglichkeit, ihre akademische Ausbildung in Deutschland fortzusetzen. Muhammed Shikhani hatte in Syrien ein Bachelorstudium absolviert. Seinen Master wollte er nun in Resources Engineering am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) machen. Der Studiengang bereitet die Teilnehmer auf Führungsaufgaben in Bereichen wie Abwasserwirtschaft oder Wasserkraft vor.

„Unglaublich inspirierend“

Wenn der 30-Jährige heute an seine Studienzeit zurückdenkt, gerät er ins Schwärmen. „Woran die Wissenschaftler in Karlsruhe arbeiten, war für mich unglaublich inspirierend“, erzählt er. „Ihre Arbeit verändert das Leben tausender Menschen zum Guten.“ So erfuhr er am KIT etwa von einem Projekt in Indonesien: Hier stauten die Wissenschaftler einen unterirdischen Fluss in mehr als 200 Metern Tiefe, pumpten das Wasser hoch und ermöglichten so die Versorgung der Menschen in der Trockenzeit. Auch an viele andere Dinge im Studium denkt Shikhani gerne zurück: an die Professoren und Postdoktoranden, die immer für ihn ansprechbar waren, wenn er Fragen hatte; an den hohen wissenschaftlichen Anspruch oder die riesigen Labore, die so groß waren, dass man von der einen Seite das andere Ende nicht sehen konnte.

"Führungskräfte für Syrien": Alumnus Muhammed Shikhani

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Nach dem Studium ist Muhammed Shikhani in Deutschland auch der Einstieg in eine wissenschaftliche Laufbahn geglückt

Als sehr wichtige Erfahrung empfand Shikhani auch den Austausch mit anderen Stipendiaten des „Führungskräfte für Syrien“-Programms. Vor dem Studium verbrachten die Syrerinnen und Syrer vier Monate für einen Sprachkurs in Marburg, während des Studiums sahen sie sich bei regelmäßigen Präsenzphasen des Begleitprogramms, das von der Universität Konstanz durchgeführt wurde. Dieses war für die Stipendiaten verpflichtend und umfasste Lehrinhalte aus den Bereichen Führung, Fairness sowie gute Regierungs- und Verwaltungspraxis. „Es gab Teilnehmer mit sehr unterschiedlichen politischen Ansichten“, berichtet Shikhani. „Aber es war eine sehr gute Atmosphäre, in der sich alle zugehört haben. Ich bin dadurch wesentlich geduldiger in Diskussionen geworden.“

Kunst und Lyrik

Beeindruckt hat ihn auch die deutsche Kultur. Er besuchte Kunsthallen in Berlin, Karlsruhe und Darmstadt. Und er entdeckte seine Begeisterung für die deutsche Sprache durch Gedichte von Rilke. „Als ich sie las, merkte ich, wie romantisch und ausdrucksstark die deutsche Sprache sein kann“, sagt Shikhani, der gerne im Schwarzwald wandern geht und sich im Grünen in seine Bücher vertieft.

Nach dem Studium wird es nun an einem anderen Ort für ihn weitergehen: Shikhani hat eine Doktorandenstelle am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg bekommen. Für seine Masterarbeit hatte er Modelle zum Thema Überschwemmungen berechnet. Passend dazu wird er in seinem neuen Job untersuchen, wie sich extreme Wetterereignisse auf Trinkwasserreservoirs auswirken – und damit auch auf Menschen, die das Wasser nutzen. „So kann ich die Themen Wasser und Gesellschaft zusammenbringen“, sagt Shikhani.

Hendrik Bensch (20. Februar 2018)

Das Förderprogramm

Führungskräfte für Syrien

Mit Mitteln des Auswärtigen Amts hat der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) im Jahr 2014 das Stipendienprogramm „Führungskräfte für Syrien“ („Leadership for Syria“, LfS) aufgelegt. Mit dem Ziel, junge Menschen zu unterstützen, die wegen des Krieges ihr Studium abbrechen mussten oder es nicht beginnen konnten. Zusätzlich zum Auswärtigen Amt erklärte sich später auch das Wissenschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen bereit, die Kosten für Stipendien zu übernehmen. Insgesamt profitierten somit 221 Stipendiaten von dem Programm.

Der DAAD organisierte für sie auch einen viermonatigen Sprachkurs im Vorfeld des Studiums. Teil des Stipendiums für Master- und Promotionsstipendiaten war ein gesellschaftspolitisches Begleitprogramm an der Universität Konstanz, das vom Lehrstuhl für Innenpolitik und öffentliche Verwaltung umgesetzt wurde. Themen wie demokratisches Gesellschaftsverständnis und nachhaltige Wirtschaftspolitik standen im Mittelpunkt.

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