Archäologischer Glücksfall: Ein besonderer Fund in Ägypten

DAI/Peter Kopp

„Field School“ im Wüstensand: DAAD-Langzeitdozentin Cornelia Römer (Mitte) mit ihrem Team

Ein deutsch-ägyptisches Archäologen-Team unter der Leitung der Papyrologin und DAAD-Langzeitdozentin Professor Cornelia Römer hat erstmals Überreste eines hellenistischen Gymnasiums in Ägypten entdeckt – und damit international für Aufsehen gesorgt. Der Fundort befindet sich im Dorf Watfa im Nordwesten der Oase Fayum, etwa 80 Kilometer südwestlich von Kairo entfernt. Ein Interview über erfolgreiche Kooperationen, archäologisches Arbeiten und die Faszination Ägyptens.

Frau Professor Römer, welche Bedeutung hat der Fund der Überreste des rund 2.300 Jahre alten hellenistischen Gymnasiums?

Cornelia Römer: Das ist ein Glücksfall. Inschriften und Texte auf Papyrus gaben uns bisher den einzigen Hinweis auf die Existenz solcher Gymnasien in Ägypten. Durch die Eroberungen von Alexander dem Großen wurde Ägypten Teil der hellenistischen Welt. Die Nachfolgeherrschaft der Ptolemäer verteidigte das Land mit griechischen Soldaten und verwaltete es mit griechischen Beamten. Das fruchtbare Nildelta zog griechische Siedler an. Die Auswirkungen der griechischen Lebensweise zeigten sich überall. Die Amtssprache war Griechisch.

Welchen Stellenwert hatte ein Gymnasium in der hellenistischen Welt?

Diese Gymnasien waren elitäre Ausbildungsstätten für junge Männer der griechischsprachigen Oberschicht. Sie galten als ein Inbegriff griechischer Kultur. Alle großen Städte der hellenistischen Welt wie Athen, Pergamon und Alexandria hatten Gymnasien. Selbst in Dörfern wurden die Gymnasien nach griechischem Vorbild gestaltet. Natürlich alles ein bisschen kleiner als in den Städten, aber der Grundriss der typischen Architektur eines Gymnasiums mit Vorhalle, Speisesaal und angrenzender Laufbahn ist in unserem Fundort Watfa im Gegensatz zu benachbarten Dörfern erkennbar und rudimentär erhalten.

DAAD-Langzeitdozentin Cornelia Römer: Archäologischer Fund in Ägypten

Cornelia Römer

Spuren des entdeckten Gymnasiums: Überreste mit hohem Erkenntniswert

Ihre Grabungen in Watfa gehören zu einem größeren Forschungsprojekt. Um was für ein Projekt handelt es sich genau?

Es handelt sich um ein von mir betreutes Forschungsprojekt der Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI). Das Gebiet von Fayum ist von besonderem Interesse, da wir hier archäologische Stätten finden, deren Existenz zeitlich genau zu bestimmen ist. Es gibt viele Hinterlassenschaften auf Papyri. Texte und archäologische Zeugnisse ergänzen einander und ergeben erst bei gemeinsamer Auswertung ein lebendiges Bild der Vergangenheit. Wenn sich zum Beispiel der Verfasser eines Textes als „Gymnasiarch“, also als Leiter eines Gymnasiums, bezeichnet, dann deutet das auf die Existenz eines Gymnasiums hin. Darauf bauen archäologische Erkundungen auf: Man muss an die entsprechenden Orte fahren, um sich durch gezielte Sichtung und systematische Grabungen ein genaueres Bild zu machen.

Was sind die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit als DAAD-Langzeitdozentin?

Ich unterrichte Postgraduierte in Papyrologie, dazu gehört Altgriechisch. Es ist wichtig, die Texte des Altertums im Original lesen zu können. Meine Studierenden an der Ain-Shams-Universität in Kairo waren an dem Forschungsprojekt des DAI beteiligt. Während der „Lehr-Grabung“ in Fayum haben sie praktische Fertigkeiten erworben. Sie haben gelernt, wie man Landkarten liest, wie man Keramiken sortiert und einordnet, auch, wie man Architektur abmalt. Das gehört zu den Grundlagen archäologischer Arbeit. Außerdem war das Projekt ein schönes Beispiel für die gute Zusammenarbeit von DAI, DAAD und den ägyptischen Behörden.

Welchen Stellenwert hat Ihr Fachbereich in Ägypten?

Einerseits hat die griechisch-römische Epoche prägende Bedeutung für die Kulturgeschichte und Entwicklung Ägyptens. Das Interesse am kulturellen Erbe des Hellenismus wächst. Das zeigt mir auch meine Lehrtätigkeit am Alexandria Center for Hellenistic Studies. Andererseits sind die Berufsaussichten für Akademiker schwierig. Ägypten hat ein Überangebot an jungen Arbeitskräften. Besser werden die Aussichten, wenn man sich spezialisiert. Eine meiner aktuellen Absolventinnen hat zum Beispiel noch einen zusätzlichen Kurs in Papyrusrestaurierung belegt.

Was fasziniert Sie persönlich an Ägypten?

Am Anfang stand die Beschäftigung mit Papyri-Texten. Einer meiner Dozenten an der Universität zu Köln riet mir, dass ich mir das Land ansehe, aus dem diese faszinierenden Texte stammen. Für all die daraus entstanden Möglichkeiten, wissenschaftlich in Ägypten zu arbeiten, bin ich dankbar. Die Menschen sind sehr freundlich. Natürlich steht Ägypten vor vielen gesellschaftlichen Herausforderungen, aber es herrscht Aufbruchstimmung. Man will Anschluss halten an die Standards westlicher Forschung. Dazu leiste ich gerne meinen Beitrag.

Interview: Claudia Wallendorf (8. Februar 2018)