Wissenschaftliches Potenzial im Gazastreifen

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Studentinnen in Gaza: Die Programme des DAAD sollen auch gezielt Frauen an Hochschulen fördern

Der Gazastreifen wird oft mit Konflikten und Blockaden in Verbindung gebracht. Trotzdem gelingt es den Wissenschaftlern in Gaza, auf fachlich hohem Niveau zu arbeiten. Fünf Universitäten bieten Bachelor- und Masterstudienprogramme an, PhD-Programme sind im Aufbau. Auf DAAD Aktuell berichten Wissenschaftler von ihrer Arbeit.

Shada Elhayek (29): An neuen Krebstherapien forschen

„Wissenschaft und Forschung begeistern mich. Und mit meiner Arbeit möchte ich Menschen helfen, die ernsthaft krank werden. Deshalb habe ich mich entschieden, Pharmazie zu studieren. Nachdem ich meinen Bachelor in Pharmazie in Gaza gemacht hatte, wollte ich einen Master anschließen. In Gaza wäre das aber sehr schwierig gewesen. Dort stehen den Universitäten oft nicht die technischen Instrumente und Chemikalien für ihre Labore zur Verfügung. Zudem wären die Studiengebühren zu teuer für mich gewesen. Ich habe zehn Brüder und Schwestern, sodass sich meine Familie das nicht hätte leisten könnte. Deshalb habe ich mich um ein DAAD-Stipendium beworben und konnte an der Universität von Jordanien in Amman meinen Master-Abschluss in Klinischer Pharmazie machen.

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Shada Elhayek hat mit einem DAAD-Stipendium an der Universität in Amman einen Master in Klinischer Pharmazie absolviert

Es war ein großartiges Programm. Denn ich konnte nicht nur sehr viel für die praktische Arbeit mit Patienten in der Klinik lernen. Ich habe dort auch die Möglichkeit gehabt, im Labor zu arbeiten und mein Wissen in der Molekularbiologie und zu Forschungsmethoden zu vertiefen. Das Tolle war, dass ich außerdem als Forschungsassistentin an der Universität arbeiten konnte. So habe ich alles gelernt, was ich wissen muss, um eine „richtige“ Wissenschaftlerin zu werden. In Jordanien habe ich die Tumor-Immunologie besser kennengelernt und wollte unbedingt mein Wissen zu diesem Thema vertiefen. Deshalb war ich sehr froh, dass ich mithilfe eines weiteren DAAD-Stipendiums ein PhD-Studium in Dresden beginnen konnte. Vor etwa einem halben Jahr habe ich angefangen, zu neuen Therapien zu forschen, die zukünftig dazu beitragen sollen, Tumore zu identifizieren und sie abzutöten. 

Ich hoffe, dass ich nach meinem PhD-Studium eine Stelle an einer Universität bekomme und dann meine eigene Forschungsgruppe aufbauen kann. Es wäre toll, wenn ich schließlich Professorin werden würde. Das wäre mein Traum. Derzeit kann ich noch nicht sagen, ob das in Gaza möglich sein wird. Es gibt in der Region nicht so viele Stellen für Professoren und die Finanzierung ist nicht so leicht. Aber wir werden sehen.“


Mohammed Mushtaha (35): Wissen zu Erneuerbaren Energien vermitteln

„Eine der größten Herausforderungen in Gaza besteht darin, dass wir zu wenig Strom haben. Derzeit sind es nur vier Stunden pro Tag. Mit meiner Arbeit als Lehrbeauftragter am University College of Applied Sciences in Gaza möchte ich dazu beitragen, das zu ändern. Deshalb unterrichte und unterstütze ich Studierende, die im Bereich Erneuerbarer Energien arbeiten wollen. Wir haben hier einen Kurs für Studierende und Techniker aufgebaut. Sie lernen, wie Photovoltaik-, Wind-, Wärmeenergie- und Smart-Grid-Systeme gebaut sind, wie man sie bedient und instand hält. Hierfür haben wir eine Sachmittelspende vom DAAD erhalten, finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Auf diese Weise können wir unseren Studierenden das Wissen zu diesem wichtigen Thema vermitteln und ihnen ermöglichen, in diesem Bereich zu arbeiten. 

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Mohammed Mushtaha unterstützt inzwischen selbst Studierende

Für meine Arbeit in Gaza war mein PhD-Studium an der Universität Duisburg-Essen sehr hilfreich. Dank eines DAAD-Stipendiums konnte ich meine Doktorarbeit in Elektrotechnik dort schreiben. In meiner Promotion habe ich mich mit zwei Fallstudien zu Erneuerbare-Energie-Systemen für ein Krankenhaus und einen Milchbauernhof in Gaza beschäftigt. Dabei habe ich mir die technischen und wirtschaftlichen Aspekte angeschaut. Die Idee dahinter war, das Wissen, das ich mir in Deutschland angeeignet habe, auf zwei konkrete Fälle in meiner Region anzuwenden. 

Als ich nach meinem PhD-Studium zurück nach Gaza gekommen bin, habe ich angefangen, dieses  Wissen an meine Studierenden weiterzugeben. Ich hoffe, dass diese Strategie dazu beitragen kann, die Wissenslücken zwischen entwickelten Staaten wie Deutschland und Regionen wie Gaza ein bisschen zu verkleinern. Für meine berufliche Karriere war es auch sehr nützlich, dass ich meinen Master in Elektrotechnik mithilfe eines DAAD-Stipendiums in Jordanien machen konnte. Denn damals gab es noch keine Masterprogramme in Gaza. In Jordanien hingegen wurde einer der besten Kurse in der arabischen Region mit vielen Spezialisierungsmöglichkeiten angeboten. Auf diese Weise konnte ich meinem Traum näher kommen: meinen PhD zu machen und schließlich Professor zu werden.“

Hendrik Bensch (25. Januar 2018) 

HOCHSCHULEN UND WISSENSCHAFT IM GAZASTREIFEN

Im Gazastreifen gibt es fünf Universitäten, die Bachelor- und Masterprogramme anbieten; PhD-Programme sind derzeit noch im Aufbau. Zudem können Studierende sogenannte University Colleges besuchen, die mit Fachhochschulen in Deutschland vergleichbar sind. Insgesamt nutzen etwa 65.000 Studierende die Angebote der Hochschulen in der Region. Da aufgrund der Gaza-Blockade die Mobilität der Einwohner eingeschränkt ist, greifen viele Studierende und Wissenschaftler für ihre Weiterbildung auch auf digitale Kurse zurück.

Die Arbeit von Wissenschaftlern im Gazastreifen bewegt sich auf fachlich hohem Niveau, wie Christina Stahlbock, Leiterin des DAAD-Informationszentrums in Ostjerusalem, berichtet. „Viele sind zudem international gut vernetzt“, so Stahlbock. Sie waren für das Studium oder Forschungsprojekte im Ausland und bleiben dann in Kontakt mit den Hochschulen in den Gastländern. Das kommt wiederum Studierenden und anderen Wissenschaftlern über den DAAD-Alumniverein von Gaza zugute. Im Alumniverein engagieren sich etwa 100 Mitglieder, zu denen unter anderem Universitätspräsidenten aus der Region zählen. Die Mitglieder helfen den Studierenden und Forschenden, Kontakte zu Hochschulen und Wissenschaftlern im Ausland zu knüpfen, und informieren über Stipendien des DAAD. Auch fachliche Workshops veranstalten die Alumni.