„DAAD-Lektoren berichten aus…“: Riga – Heiko F. Marten

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DAAD-Lektor Heiko F. Marten vor dem Schwarzhäupterhaus in Riga. Es wurde im Krieg zerstört und erst nach der Wiederherstellung der Unabhängigkeit Lettlands wieder aufgebaut

Brücken bauen zwischen Ost und West: Dr. Heiko F. Marten leitet das DAAD-Informationszentrum für Estland, Lettland und Litauen in Riga. Neben dem Unterrichten und Veranstaltungen zu Studien- und Forschungsmöglichkeiten in Deutschland versucht er, gelegentlich auch Zeit für Forschungsarbeit zu finden.

Nicht zuletzt für kleine Sprachen hat Dr. Heiko F. Marten ein Faible. Er beherrscht neben Englisch und Französisch auch Norwegisch, Dänisch, Estnisch und Lettisch. Für seine Dissertation beschäftigte er sich außerdem mit Gälisch und Samisch, die von Minderheiten in Großbritannien und Nordeuropa gesprochen werden. Welche Rollen spielen diese Idiome in Schottland und Norwegen und wie reagiert die Politik darauf? Der Frage ging er in seiner Doktorarbeit nach. „Sprachpolitik ist die Schnittstelle zwischen Sprache, Politik, Geschichte und Gesellschaft“, erzählt der 43-Jährige. „Das ist der Bereich der Sprachwissenschaft, der mich schon immer am meisten interessiert hat.“

Ein erstes Lektorat in Estland

Marten stammt aus Berlin, dort studierte er Anglistik, Skandinavistik und Geschichte. 1995 war er als Erasmus-Student in der norwegischen Stadt Bergen. Es folgten Arbeitsaufenthalte in Belgien, Norwegen und Großbritannien. 2009 trat er sein erstes DAAD-Lektorat an: in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Das Wetter im Baltikum erinnere ihn an das in Skandinavien, sagt er. Auch wegen der Nähe zur Ostsee ist es etwa acht Monate im Jahr zumeist kühl und regnerisch. 

In Lettland, wo Marten seit September 2016 das DAAD-Informationszentrum in der Hauptstadt Riga leitet, ist Deutsch nach Englisch und Russisch die wichtigste Fremdsprache. „Viele Menschen haben ein positives Bild von Deutschland“, sagt er. „Sie nehmen es als Fürsprecher der baltischen Staaten innerhalb der Europäischen Union wahr, als solide Volkswirtschaft mit guten Verdienstmöglichkeiten.“ Viele Letten möchten gern für eine Zeit lang in Deutschland studieren oder arbeiten, hat Marten beobachtet. „Aber für immer dorthin auswandern, das wollen nur wenige.“

Marten organisiert nicht nur in Lettland, sondern auch in den beiden anderen baltischen Staaten Estland und Litauen Veranstaltungen über Studien- und Forschungsmöglichkeiten in Deutschland sowie Messeauftritte. „Da kommen vom Schüler bis zur gestandenen Wissenschaftlerin alle Altersgruppen und Vertreter verschiedener Studienfächer“, sagt er. Er berät Bürger der baltischen Staaten ebenso wie Studierende aus anderen Ländern. „Für Menschen aus Indien, Afrika und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist das Baltikum eine Brücke nach Europa“, erklärt er. „Es ist für sie zunächst leichter, einen Studienplatz in Riga, Vilnius oder Tallinn zu bekommen als in Berlin oder München.“ In seiner Beratung ergründen sie, ob und wie sie eventuell doch noch in Deutschland studieren könnten.

„Linguistic Landscapes“

Für die Germanistik-Studierenden der größten Hochschule des Landes, der Universität Lettlands in Riga, hält Heiko F. Marten sprachwissenschaftliche Seminare – und außerdem Gastvorträge an weiteren baltischen Hochschulen. Er organisiert Seminare und Fortbildungen für Lehrkräfte. Doch auch andere Veranstaltungen gehören zum seinem Aufgabengebiet: So organisierte er beispielsweise im November 2017 ein Begegnungsseminar mit etwa 70 Studierenden aus Deutschland, Estland, Lettland, Litauen und Belarus in Daugavpils im Osten Lettlands zum Thema „Europäische Identität“ und „Medienkompetenz“ mit praktischen journalistischen und wissenschaftlichen Übungen. Ziel war es, nicht nur die deutsche Sprache zu verbreiten, sondern auch gesellschaftliche Impulse im Sinne von Demokratie und europäischen Werten zu setzen. 

Nur gelegentlich findet Marten noch Zeit für eigene Forschungen zu Mehrsprachigkeit in unterschiedlichen Kontexten und mit besonderer Leidenschaft zum Thema „Linguistic Landscapes“. „Seit ungefähr zehn Jahren beschäftigt es Sprachwissenschaftler weltweit“, erläutert er und nennt die Kernfrage des Forschungsgebiets: „Wo und wie findet sich Schriftsprache im öffentlichen Raum?“ In welchen Sprachen sind Graffitis, Plakate und andere Texte verfasst, die wir täglich auf der Straße, auf Bahnhöfen und anderswo sehen? Welche Funktionen haben sie, welche Symbole sind damit verbunden – und was sagt das über die Machtverhältnisse in der Gesellschaft aus?

Spricht man mit Marten über seinen Blick auf das Baltikum, so spürt man seine Wertschätzung für die Region. „Als postsowjetische Transformationsgesellschaften sind die baltischen Staaten nicht so perfekt organisiert wie Norwegen, Dänemark oder Finnland“, sagt er. „Aber sie sind dynamisch, die Menschen pragmatisch und am Austausch interessiert. Das macht den Aufenthalt hier so spannend.“

Josefine Janert (29. Dezember 2017)