Falling Walls Lab 2017: Wettbewerb um die besten Ideen

Nathalie Schueller

Die Uhr tickt: Kate Bredbenner bei ihrem erfolgreichen Auftritt in New York

Zum „Falling Walls Lab“, dem weltweit etablierten Wettbewerb für bahnbrechende neue Ideen in der Forschung, treffen sich in Berlin wieder 100 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ein Viertel der Teilnehmer hat sich über das weltweite Netzwerk des DAAD qualifiziert. DAAD Aktuell stellt drei der Forschenden mit ihren vielversprechenden Ideen vor.

Kaushik Parida will die Mauer des Schweigens durchbrechen – ein Schweigen, zu dem Menschen verurteilt sind, die weder hören noch lautsprachlich kommunizieren können. In seiner Heimat Indien begegnet er beinahe täglich hörgeschädigten und sprechbehinderten Menschen. „Es ist mir ein persönliches Anliegen, mich forschend für sie einzusetzen.“

Gerade erst hat der Materialwissenschaftler an der Nanyang Technological University (NTU) in Singapur seine Doktorarbeit eingereicht, schon denkt er an die Zukunft. Kaushik Paridas Forschung beschäftigt sich unter anderem mit Piezoelektrizität – das ist elektrische Spannung, die an festen Körpern entsteht, wenn sie sich verformen. Im Falling Walls Lab stellt er in zweieinhalb Minuten eine zweite Haut vor – transparent, biegsam und als Handschuh zu tragen. Wird diese Haut bewegt, erzeugt sie Audiosignale.

Falling Walls Lab 2017

Nanyang Technological University

Kaushik Parida (l.) qualifizierte sich über das Falling Walls Lab in Singapur für das Berliner Finale

„Zwischen Hörenden und Nichthörenden besteht eine Wand aus Sprachlosigkeit“, sagt Kaushik Parida, „denn taube Menschen kommunizieren mit Gebärdensprache, aber hörende Menschen beherrschen diese Sprache in aller Regel nicht.“ Mit seinem Handschuh will er nun Gesten in Laute übertragen und mehr Kommunikation möglich machen: Die Lautsprache kommt dann aus den Lautsprechern eines elektronischen Gerätes, zum Beispiel eines Smartphones. Noch bedarf es dieser Wechselbeziehung mit einem externen Hilfsmittel: „In Zukunft soll diese zweite Haut aber gänzlich wie ein elektronisches Gerät funktionieren“, sagt Parida. „Dann erzeugen Gesten hörbare Sprache und nach dem Gespräch können wir mit einer weiteren Geste das Licht ausschalten.“

Der Inder Kaushik Parida, der zurzeit als Forschungsassistent an der Nanyang Technological University arbeitet, hat sich in Singapur für das Falling Walls Lab in Berlin qualifiziert – in der Vorausscheidung, die die NTU mit dem DAAD-Informationszentrum Singapur und weiteren lokalen Partnern organisierte. Ein ähnlich weiter Weg liegt hinter der Portugiesin Dr. Ana Verissimo. Sie qualifizierte sich im Falling Walls Lab Tokyo, einer gemeinsamen Veranstaltung von EURAXESS Japan und dem Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) in Tokyo unter Leitung des DAAD. Verissimo forscht derzeit in Japan an einem speziellen 3D-Biodruck.

Gedruckte Organe?

„Nein“, sagt Ana Verissimo, um gleich Missverständnisse zu vermeiden: „Mit einem 3D-Biodrucker wird man keine Menschen drucken können und ganze Organe sind noch lange nicht druckbar.“ Aber in ihrem Forschungsgebiet, dem Druck künstlicher Blutgefäße, kann man möglicherweise bald wichtiges organisches Material über einen Drucker herstellen – mit wertvollem Nutzen für die Transplantationsmedizin. „3D-Biodruck funktioniert ein bisschen wie das Verzieren eines Kuchens: Man quetscht elastisches Material durch eine vorgeformte Tülle in die gewünschte Form“, erzählt Ana Verissimo.

Falling Walls Lab 2017

DWIH Tokyo

Starker Vortrag: Ana Verissimo überzeugte die Jury in Tokyo mit einem faszinierenden Ansatz

Die technologischen Hürden dafür sind hoch. Wenn Zellen wie „Druckertinte“ verwendet werden, braucht es zum Beispiel eine Art „Kleber“, damit sie die gewünschte Struktur annehmen. Aber jede zusätzliche Substanz kann Unverträglichkeiten im menschlichen Körper hervorrufen. Deshalb forscht Ana Verissimo an der Saga University in Japan: Hier geht man technologisch einen ungewöhnlichen Weg. Damit Zellen aggregieren und in Form bleiben, kommt japanisches Kunsthandwerk ins Spiel. Kleine Nadeln werden eingesetzt, wie sie eigentlich in der japanischen Blumensteckkunst Ikebana verwendet werden, um mit Zellbällchen eine Struktur zu bauen. „Dieses Wissen, das sich aus kulturellem Austausch und der Begegnung von Kunst und Wissenschaft ergibt, möchte ich zurück nach Europa tragen“, sagt Ana Verissimo. Sie liebt den Wettbewerb – und freut sich deshalb auf die 99 Mitbewerber beim Falling Walls Lab in Berlin. Unter ihnen tritt dann auch Kate Bredbenner aus den USA an, die Gewinnerin der Vorausscheidung am DWIH New York.

Komplexität in Kürze

Kate Bredbenner forscht an der Rockefeller University in New York über HIV. Wenn sie nicht im Labor ist, dreht die Biologin kleine Youtube-Videos über Erkenntnisse moderner Wissenschaft. Diese Zusatzaufgabe ist ihr persönlich wichtig, um Fortschritte in der Forschung an die Menschen zu kommunizieren, denen sie helfen kann: „Ich übersetze aktuelle Wissenschaftsartikel der jeweils letzten sechs Monate in das Lieblingsformat der sozialen Medien: in drei bis fünf Minuten kurze, animierte Videos.“ Darunter sind komplexe Themen und für die meisten ansonsten völlig unzugänglicher Stoff. „Vieles wird für andere Wissenschaftler veröffentlicht, nicht für die Bevölkerung“, meint Kate Bredbenner und fühlt sich herausgefordert, diese Barriere zu durchbrechen. „Komplexes Detailwissen kann sehr relevant für die Öffentlichkeit sein, wenn es zum Beispiel um Krebs oder Genetik geht.“

Die junge Amerikanerin ist damit Forscherin und Wissenschaftsjournalistin in einer Person. „Aber ich nutze eben nur das Internet und die kürzeste Form der Vermittlung“, sagt sie bescheiden. Das Hochkomplexe in aller Kürze korrekt zu vermitteln ist aber eine der größten Herausforderungen, die es gibt. Sie verbindet die aus aller Welt angereisten Teilnehmer des Falling Walls Lab.

Bettina Mittelstraß (8. November 2017)

Video: Kate Bredbenners Auftritt beim Falling Walls Lab New York

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Falling Walls 2017