„Welcome“: Ausgezeichnete studentische Initiativen

DAAD/Stefan Zeitz

Gruppenbild der Preisträger: "Grandiose ehrenamtliche Arbeit"

Aus 450 Initiativen, die seit 2015 im DAAD-Förderprogramm „Welcome – Studierende engagieren sich für Flüchtlinge“ an 162 deutschen Hochschulen unterstützt werden, kürten der DAAD und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Berlin drei Preisträger.

„Tausende junger Studierender in unserem Land haben in den vergangenen zwei Jahren auf wirklich grandiose Art und Weise gezeigt, was heute ehrenamtliche Arbeit sein kann“, sagte Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Berlin zur Eröffnung der Preisverleihung, mit der DAAD und BMBF das besondere studentische Engagement für die Integration von Flüchtlingen an deutschen Hochschulen würdigten. Der 1. Preis, dotiert mit 10.000 Euro, ging an die „Refugee Law Clinic Berlin e.V.“ (RLC) an der Humboldt-Universität zu Berlin, den 2. Preis über 5.000 Euro erhielt die „Initiative Deutschkurse für Asylsuchende“ der Technischen Universität Dresden und über den mit 3.000 Euro dotierten 3. Preis freute sich die Initiative „Geflüchtete helfen Geflüchteten“ der Universität Siegen.

Vorbildcharakter hätten alle 450 Initiativen, die im Förderprogramm „Welcome – Studierende engagieren sich für Flüchtlinge“ unterstützt werden, ergänzte DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland, die gemeinsam mit Staatssekretärin Quennet-Thielen die Preise überreichte. „Die Initiativen dienen als Vorbild für gelungene Integration ausländischer Studierender allgemein, können als Grundlage für den Ausbau der Integrationsarbeit und der Internationalisierung unserer Hochschulen fungieren und tragen dazu bei, unsere Campus weltoffener zu machen.“

Erster Preis für ehrenamtliche Rechtsberatung

Insgesamt zwölf Beratungsteams mit 60 engagierten Beratern bietet zum Beispiel allein die Refugee Law Clinic (RLC) – ein Verein von Studierenden der Rechtswissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. Seit ihrer Gründung 2014 leistete die RLC rund 5.000 Beratungsstunden; pro Semester werden durchschnittlich fast tausend Flüchtlinge und Migranten beraten. Zum Beispiel darüber, was eine sogenannte „Anhörung“ im Asyl- und Aufenthaltsrecht ist und was mit ihr auf Geflüchtete zukommt, wie der Vorsitzende des Vereins, der Jurastudent Elmedin Sopa, erklärte. „Mit dem Preisgeld wollen wir unter anderem ein Podcast entwickeln, in dem solche Begriffe in einfacher deutscher, englischer, arabischer und wenn möglich auch in persischer Sprache erläutert werden.“

Welcome-Preis für studentische Initiativen

DAAD/Stefan Zeitz

DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland und Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen würdigten das große Engagement der Studierenden

Alle Welcome-Initiativen folgen einem Kerngedanken, sei es mit Buddy- und Mentorenprogrammen, mit Sprachkursen und Beratung in sozialen, akademischen, fachlichen, alltäglichen, psychologischen oder eben juristischen Fragen: Sie wollen Hilfe zur Selbsthilfe leisten und den Geflüchteten, die die Voraussetzungen für ein Hochschulstudium mitbringen, ermöglichen, erfolgreich im akademischen und sozialen Alltag zurechtzukommen und aktiver Teil der deutschen Gesellschaft zu werden.

Geflüchtete helfen Geflüchteten

In vielen Initiativen engagieren sich Geflüchtete, die zuvor selbst unterstützt wurden – so wie Majdi Bido, der im Sommer 2014 aus Syrien flüchtete. In einer Notunterkunft in Deutschland arbeitete der Wirtschaftsinformatiker ehrenamtlich und besuchte gleichzeitig  den Deutschkurs von Christian Gerhus, der an der Universität Siegen als Vorstudienberater für Geflüchtete arbeitet. Majdi Bido traf im Deutschkurs auch Shaza Ismail aus dem Sudan, die selbst schon bald beim Übersetzen half. Heute ist sie Studentin im Masterprogramm Kommunikationstechnik an der Universität Siegen und gehört mit Majdi Bido zum Kernteam der Initiative „Geflüchtete helfen Geflüchteten“, die in Berlin den dritten Preis erhielt. Mit dem Geld möchten die Studierenden ihr Projekt ausbauen, um den Berufseinstieg nach dem Studium zu erleichtern – diese Herausforderung für viele wurde auch im Anschluss an die Preisverleihung auf einem Regionaltreffen mit den Vertretern ostdeutscher Welcome-Initiativen intensiv diskutiert.

Welcome-Preis für studentische Initiativen

DAAD/Stefan Zeitz

Zeit für Anerkennung und Austausch: Die Projektverantwortlichen nutzten das Treffen in Berlin auch zum Dialog über die konkrete Arbeit der studentischen Initiativen

Rund 80 engagierte Studierende tauschten sich in diesem „Worldcafé“ über die dringendsten Schwierigkeiten aus, die ihnen täglich begegnen: Wie macht man das deutsche Hochschulsystem verständlich? Was tun andere, um die Sprachkompetenzen auch jenseits der Kurse zu verbessern? Wie hilft man Geflüchteten nicht nur zu Beginn, sondern begleitet sie durch das Studium? Welche kulturellen Unterschiede thematisiert man, welche nicht? Wie spricht man zum Beispiel am besten Frauen an, damit auch sie den Weg in die Sprachkurse und an die Hochschulen finden? Wie bringt man noch mehr Helfer in die Initiativen?

Shaza Ismail berichtete bei diesem Austausch, dass der persönliche Kontakt mit kreativen Ideen die meisten Erfolge bringe. Am Zuckerfest, das von Muslimen am Ende des Fastenmonats Ramadan gefeiert wird, verteilte die Welcome-Initiative aus Siegen Baklava auf dem Campus und erzählte dabei von ihrer Arbeit. In den darauffolgenden Tagen stießen viele neue Freiwillige zur Initiative hinzu.

Gewinn für alle

Der Erfahrungsaustausch macht ebenso Mut wie die Preisvergabe und die konkrete Arbeit in den Initiativen. „Wir nehmen wahnsinnig viel mit“, erzählte in Berlin Christine Mantu von der „Initiative Deutschkurse für Asylsuchende“ der Technischen Universität Dresden, die mit dem zweiten Preis geehrt wurde. Mantu denkt dabei zum Beispiel an Soft Skills, die für alle Hochschulabsolventen auf dem Weg in einen globalen Arbeitsmarkt wertvoll sind. „Dazu zählen natürlich interkulturelle Kompetenzen, aber auch viele Erfahrungen in der Veranstaltungsplanung und im Management von unübersichtlichen Situationen sowie das unkonventionelle, flexible und selbstständige Arbeiten.“ Vorurteile und das eigene Wertesystem würde in der Arbeit mit den Geflüchteten ebenfalls überprüft und reflektiert, sagte die junge Politikwissenschaftlerin – ein zentraler Schritt zur weltoffenen Gesellschaft.

Bettina Mittelstraß (12. Juli 2017)