HOPES: Europäischer Einsatz für geflüchtete Studierende

DAAD/Sander de Wilde

Diskutierten in Brüssel (v. l.): Nadim Karkutli (Leiter des Madad Fund der EU), Ahmad Al Barakat Almasalma (syrischer Student an der Universität Rostock), Christian Hülshörster (Leiter des DAAD-Bereichs Stipendienprogramme Süd), Norbert Neuser (Mitglied des Europäischen Parlaments) und HOPES-Programmdirektor Carsten Walbiner

Das EU-geförderte Projekt HOPES ("Higher and Further Education Opportunities and Perspectives for Syrians") ermöglicht syrischen Flüchtlingen den Zugang zur Hochschulbildung in den Aufnahmeländern Libanon, Jordanien, Ägypten, Irak und der Türkei. Getragen wird HOPES vom DAAD als Konsortialführer und seinen europäischen Partnerinstitutionen British Council, Campus France und EP-Nuffic aus den Niederlanden. Zehn Monate nach dem Projektstart spricht HOPES-Programmdirektor Dr. Carsten Walbiner vom DAAD über Erreichtes, aktuelle Herausforderungen und europäische Partnerschaft in Zeiten der Krise.

Herr Dr. Walbiner, wie sieht die Hoffnung aus, die HOPES den Stipendiaten des Programms geben will?

Carsten Walbiner: Es geht darum, Menschen in einer sehr problematischen Situation eine neue Perspektive zu geben. Ich habe das zum Beispiel bei einer Begegnung mit syrischen Studierenden im Libanon erlebt: Diese jungen Leute hatten unter sehr schwierigen Umständen ihre Bachelorabschlüsse geschafft, standen aber nach ihrer Flucht vor dem Nichts. Sie waren voller Dankbarkeit, durch HOPES ihre Masterabschlüsse machen zu können. Höhere Bildung wird von den HOPES-Stipendiaten als ein extrem hohes Gut angesehen, mit dem sie die persönliche Weiterentwicklung, aber natürlich auch die Aussicht auf ein besseres Leben verbinden.

Bei einer Veranstaltung in der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU wurde Ende Januar eine erste Bilanz zu HOPES gezogen. Wie war die Stimmung in Brüssel?

Es war zu spüren, dass sich zwischen dem HOPES-Auftraggeber EU und den durchführenden Organisationen wie dem DAAD ein besonderes Vertrauen entwickelt hat. Wir verstehen nun besser wie die EU in diesem speziellen Bereich funktioniert und welche politischen Zwänge existieren, ohne die ein Europa mit 28 Partnern nicht zu gestalten ist. Aber ich denke, die EU hat auch von uns Bildungsinstitutionen gelernt. Sie hat sich bei der Flüchtlingshilfe verständlicherweise auf die karitative Soforthilfe konzentriert und war längere Zeit kein Akteur in der Hochschulbildung. Nadim Karkutli, der Leiter des Madad Fund der EU, aus dem HOPES finanziert wird, versteht aber durchaus, dass wir einen langfristigen Ansatz verfolgen, der nicht mit dem HOPES-Projektende 2019 zum Abschluss kommt.

HOPES: Interview mit Dr. Carsten Walbiner (Februar 2017)

DAAD/Sander de Wilde

Carsten Walbiner: "HOPES zeigt beispielhaft, wie die europäischen Partner Synergien schaffen"

Wie nehmen Sie aktuelle Krisen in der EU war?

Das Weltgeschehen geht nicht spurlos an uns vorüber. So gibt es Befürchtungen, dass der British Council durch den Brexit bei gemeinsamen EU-Projekten wie HOPES künftig nicht mehr dabei sein könnte. Dabei zeigt HOPES beispielhaft, was gemeinsam erreicht werden kann und wie die verschiedenen europäischen Partner Synergien schaffen. In der arabischen Welt wird die EU häufig positiver wahrgenommen als die einzelnen europäischen Staaten.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Türkei?

Natürlich bereitet uns die Entwicklung mit dem Putschversuch im vergangenen Sommer und dem anschließenden Ausnahmezustand Sorgen. Niemand weiß genau, wie es weitergeht. Wir erleben aber auf der institutionellen Ebene auch bei unseren türkischen Partnern einen sehr pragmatischen Ansatz: Wir kümmern uns in der Flüchtlingskrise um Menschen – und denen muss geholfen werden. Die Zusammenarbeit ist getragen von gegenseitigem Respekt.

Was hat HOPES bisher erreicht? Welche Projektschritte möchten Sie hervorheben?

Wir haben es in allen HOPES-Projektländern geschafft, noch zum vergangenen Wintersemester Stipendien zu vergeben. Insgesamt sind es bereits über 200 Stipendien. Dafür waren logistische Meisterleistungen nötig. Wir haben zum Beispiel mit HOPES einmal an einer Auswahl von Stipendienbewerbern im türkischen Gaziantep teilgenommen: In vier Tagen wurden mehr als 1.000 Bewerber interviewt. Auch haben wir darauf geachtet, unsere Angebote mit schon bestehenden Initiativen zu harmonisieren und als ergänzende Offerten zu gestalten. In Libanon, Jordanien, Ägypten und der Türkei sind unsere Englischkurse für die Stipendiaten angelaufen.

Was werden Sie als Nächstes angehen?

Aktuell wird mit großem Eifer an dem Aufbau einer neuen Website für das HOPES-Projekt gearbeitet. Sie wird ein wesentliches Element unserer Beratungstätigkeit sein. Natürlich werden wir auf der Website auch über Erfolge und Ergebnisse berichten, es geht aber nicht um Selbstdarstellung. Im Wesentlichen soll es eine Informationswebsite sein, die es den jungen Interessenten erlaubt, den eigenen Platz im Hochschulwesen der Gastländer zu bestimmen. Wenn das gelingt, dann fällt es auch leichter, die nötige Hilfe zu liefern. Auch wird in den nächsten Tagen der „Call for Proposals“ für Kurzzeitprojekte im Rahmen von HOPES  veröffentlicht. Ministerien, Hochschulen oder auch NGOs können in den HOPES-Ländern Projekte für Flüchtlinge im Hochschulwesen finanziert bekommen. Das kann zum Beispiel der  Aufbau eines Hilfszentrums für soziale Beratungen sein. Oder auch eine Studie, die sich mit den Haupthindernissen für Geflüchtete auf dem Weg an die Hochschulen beschäftigt.

Gibt es eine Herausforderung, die Sie hervorheben möchten?

Wir müssen meiner Meinung nach noch stärker auf die Flüchtlinge zugehen und können nicht zwingend erwarten, dass sie in den jeweiligen Aufnahmeländern weite Wege zu uns auf sich nehmen. Wir werden über alternative Angebote nachdenken, vielleicht können wir Webinare nutzen. Wir wollen uns grundsätzlich weiterentwickeln und können dabei nicht zuletzt auf dem großen Erfahrungsschatz des DAAD aufbauen.

Interview: Johannes Göbel (22. Februar 2017)