SHARE: Gemeinsam für den südostasiatischen Hochschulraum

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Marc Wilde (Mitte) mit dem DAAD-SHARE-Team aus Bonn und Jakarta in Kuala Lumpur

Für das von der Europäischen Union mit zehn Millionen Euro finanzierte Projekt SHARE (European Union Support to Higher Education in the ASEAN Region) bedeutet der Jahreswechsel 2016/17 die Halbzeit. Seit 2015 und noch bis Januar 2019 setzen sich die europäischen Organisationen British Council, DAAD, Campus France und die niederländische Nuffic sowie die European University Association (EUA) und das Europäische Netzwerk zur Qualitätssicherung im Hochschulbereich (ENQA) für eine Harmonisierung des südostasiatischen Hochschulraums ein – Vorbild ist der europäische „Bologna-Prozess“. Marc Wilde, Hochschulmanagement-Experte beim DAAD in Bonn, spricht im Interview über die Bedeutung von SHARE, die Koordination des Bereichs Qualitätssicherung durch den DAAD und die enge Zusammenarbeit mit den südostasiatischen Partnern.

Herr Wilde, SHARE ist ein außergewöhnliches Projekt: Nicht weniger als sechs europäische Organisationen arbeiten mit zahlreichen südostasiatischen Partnern über einen Zeitraum von vier Jahren eng zusammen. Wie lässt sich Ihr Ziel kurz zusammenfassen? Und vor allem: Wie funktioniert der Austausch zwischen so vielen verschiedenen Akteuren?

Marc Wilde: Aufbauend auf den Erfahrungen bei der Harmonisierung des europäischen Hochschulraumes möchten wir unsere Partner in Südostasien dabei unterstützen, entsprechende Instrumente und Programme für ihre Region zu entwickeln. So gibt es beispielsweise kaum Stipendien für studentische Mobilität innerhalb der ASEAN-Region (Association of Southeast Asian Nations) und es fehlt ein mit dem europäischen ECTS vergleichbares einheitliches Credit Transfer System bei der Bewertung von Studienleistungen. Auch ein regionaler Qualifikationsrahmen und ein gemeinsames Verständnis der Qualitätssicherung sind in Südostasien noch nicht so verankert, wie wir das aus dem europäischen Hochschulraum kennen.

Um zu einer Harmonisierung des ASEAN-Hochschulraumes beizutragen, führen die an SHARE beteiligten Institutionen einen intensiven Dialog, der bei Weitem nicht nur das SHARE-Projektbüro in Jakarta betrifft. So tauschen sich die Beteiligten in internationalen Arbeitsgruppen, durch Delegationsreisen, Workshops und durch das Format des Policy Dialogue aus. Das sind große Konferenzen in der Region mit Fokus auf jeweils einen der thematischen Schwerpunkte von SHARE. Der letzte Policy Dialogue, den British Council und DAAD zusammen mit dem malaysischen Hochschulministerium und dem regionalen Netzwerk der Qualitätssicherungsagenturen AQAN Ende Oktober in Kuala Lumpur ausrichteten, war insbesondere für die Arbeit des DAAD von herausragender Bedeutung.

Was war das Besondere am Policy Dialogue in Kuala Lumpur?

Der Policy Dialogue in Kuala Lumpur hat sich auf ein gemeinsames Verständnis von Qualitätssicherung im ASEAN-Raum fokussiert. Die Verankerung eines regionalen Rahmens für die Qualitätssicherung wird – ebenso wie die Etablierung eines einheitlichen Qualifikationsrahmens in der Hochschulbildung – innerhalb des SHARE-Konsortiums vom DAAD koordiniert. Auf der Konferenz mit rund 200 Teilnehmern in Kuala Lumpur waren alle relevanten Interessengruppen vertreten. Zu den hochrangigen Teilnehmern zählten etwa der malaysische Hochschulminister Dato' Seri Idris Bin Jusoh, der stellvertretende ASEAN-Generalsekretär Vongthep Arthakaivalvatee oder Rebecca Hughes, Direktorin für Internationale Hochschulbildung beim British Council. Auf der Konferenz wurde der von AQAN entwickelte ASEAN Quality Assurance Framework (AQAF) erstmals offiziell vorgestellt. Dieser Rahmen ist sehr wichtig, damit in der Region Vertrauen in die Qualitätssicherung entstehen kann, die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen sich langfristig verbessert und die akademische Mobilität in Südostasien befördert wird.

Welchen besonderen Herausforderungen begegnen Sie in der Region Südostasien?

Wir arbeiten mit sehr unterschiedlichen Ländern zusammen, die auch von unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Entwicklung geprägt sind. Der hochentwickelte Stadtstaat Singapur hat natürlich andere Voraussetzungen als zum Beispiel die eher schwächer entwickelten Länder Kambodscha, Laos oder Myanmar. Mit dieser Disparität umzugehen ist sicherlich eine der Hauptherausforderungen für SHARE. Nicht jedes Land sieht unmittelbar und gleichermaßen die Vorteile der Harmonisierung des gemeinsamen Hochschulraums – aber das war ja zunächst auch in Europa nicht unbedingt der Fall.

Was erwarten die südostasiatischen Akteure im Rahmen von SHARE von ihren europäischen Partnern?

In der Region weiß und schätzt man, was wir in den vergangenen Jahren mit dem Bologna-Prozess geleistet haben und wie weit wir dort in der Entwicklung sind. Andererseits arbeiten wir bei SHARE mit sehr selbstbewussten südostasiatischen Partnern zusammen, die keinen einseitigen Wissenstransfer erwarten. SHARE kann nur erfolgreich sein, wenn wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten und nicht das Gefühl besteht, dass bloß europäisch konnotierte Instrumente und Programme eins zu eins auf die Region übertragen werden.

Was zeichnet den Partner DAAD aus?

Der DAAD wurde schon vor SHARE als Partner geschätzt: In einem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanzierten Projekt unseres DIES-Programms (Dialogue on Innovative Higher Education Strategies) arbeiten wir bereits seit 2011 intensiv und sehr vertrauensvoll mit denselben Organisationen in Südostasien zusammen, die auch bei SHARE unsere Partner sind: mit dem ASEAN University Network (AUN), mit dem ASEAN Quality Assurance Network (AQAN) und mit SEAMEO RIHED, dem für die Hochschulbildung zuständigen Büro des Zusammenschlusses der südostasiatischen Bildungsminister. Im Rahmen des DIES-Projekts ASEAN-QA konzentrieren wir uns zwar stärker auf Capacity Building, aber das Projekt bietet wertvolle Verbindungen zu SHARE.

Und natürlich spielt es bei SHARE eine positive Rolle, dass der DAAD mit einer eigenen Außenstelle in Jakarta vertreten ist. In der indonesischen Hauptstadt haben auch das ASEAN-Sekretariat und die bei SHARE federführende EU-Delegation ihren Sitz, ebenso das vom British Council geleitete Project Management Office von SHARE. Als Projektpartner vor Ort leistet das Team der DAAD-Außenstelle tagtäglich wertvolle Arbeit für SHARE – und wir bringen von der DAAD-Zentrale in Bonn unsere Erfahrung und unser Wissen, etwa mit Blick auf die Qualitätssicherung, ein.

Interview: Johannes Göbel (4. Januar 2017)