25 Jahre Zentren für Deutschland- und Europastudien: Anfang und Ausblick in den USA

Georgetown University

Blick auf die Georgetown University: ein traditionsreicher Ort – auch für die transatlantischen Beziehungen

Die große DAAD-Zentrenkonferenz fand 2016 in Washington, D.C., statt – an einem der Orte, wo alles begann. Zum Ausklang der Porträtserie der Zentren für Deutschland- und Europastudien, die der DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts fördert, blickt DAAD Aktuell auf die drei Gründungszentren in den USA.

Harvard, Berkeley, Georgetown: Es klingt wie ein Auszug aus dem „Who‘s Who“ der US-amerikanischen Hochschullandschaft. Die drei Spitzenuniversitäten beherbergen auch die drei Gründungszentren des mittlerweile weltweiten Netzwerks der DAAD-geförderten Zentren für Deutschland- und Europastudien, die sich durch ihre je eigenen Profile und Stärken auszeichnen.

An der Universität Georgetown in Washington, D.C., zielt das BMW-Zentrum für Deutschland- und Europastudien insbesondere darauf ab, transatlantische Führungskräfte auszubilden. Insgesamt sechs Professuren hat das Zentrum dafür eingerichtet, um zu aktuellen Themen aus Europa und mit Bezügen zu den Wirtschafts-, Politik- und Kulturwissenschaften sowie zur Geschichte forschen und lehren zu können. Für Studierende bietet es den interdisziplinären Masterstudiengang Deutschland- und Europastudien an sowie diverse Aufbaustudiengänge. Die wissenschaftliche Expertise, die in Form von Konferenzen, Vorlesungen und weiteren Veranstaltungen den Weg in die Öffentlichkeit findet, wird insbesondere von jenen aufgegriffen, die in der transatlantischen Zusammenarbeit tätig sind, sei es in der Politik, in NGOs, in der Wirtschaft oder in der Wissenschaft.

25 Jahre DAAD-geförderte Zentren für Deutschland- und Europastudien: die Gründungszentren

BMW Center

Engagiert: Studierende des M.A.-Studiengangs Deutschland- und Europastudien am BMW-Zentrum

Das Interesse an der Expertise des BMW-Zentrums insbesondere im Bereich der Beziehungen der USA zu Europa dürfte durch die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten noch einmal deutlich zunehmen. Dieser Ansicht ist auch Professor Jeffrey Anderson, Direktor des BMW-Zentrums für Deutschland- und Europastudien. „Der Ausgang der US-Wahlen hat zu einer Schockwelle für die transatlantische Community geführt, sowohl in Europa als auch in den USA“, sagt der Politikwissenschaftler. Die Wahl von Trump bringe bedeutende, möglicherweise existenzielle Auswirkungen für die transatlantischen Beziehungen, erklärt er und nennt zwei Beispiele. So habe Trump offen über eine Annäherung zu Russland sinniert und er habe dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, Befürworter einer „illiberalen Demokratie“, eine Einladung ausgesprochen. „Diese unsichere Situation bringt beides, Herausforderung und Gelegenheit“, schlussfolgert Anderson.

„Echte Leidenschaft“

Auch wenn es einfachere Zeiten gegeben hat: Mit der Bewertung von Krisen in den transatlantischen Beziehungen dürften die etablierten US-amerikanischen Zentren für Deutschland- und Europastudien umzugehen wissen. Das Minda de Gunzburg-Zentrum für Europastudien (CES) geht schon seit 1969 als interdisziplinäres Institut für Sozialwissenschaften an der Universität Harvard Fragen zur Geschichte und Gegenwart Europas nach. Das Netzwerk, das das CES seitdem aufgebaut hat, ist enorm: Zwölf Lehrende aus vier sozialwissenschaftlichen Bereichen, dazu weitere 45 Dozenten der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften sowie von den Harvard Professional Schools sind daran angegliedert. So können Themen aus einer übergeordneten Perspektive mit Bezug zu verschiedenen geschichtlichen Entwicklungen, Traditionen und Ansätzen analysiert werden. Mehr als 120 Seminare stehen Bachelorstudierenden zur Auswahl, um ihr Wissen zu europäischer Geschichte, Wirtschaft und Anthropologie zu vertiefen. „Am CES wurde ich überzeugt, dass sich wissenschaftliche Sorgfalt und echte Leidenschaft ergänzen können“, sagt Dr. Yascha Mounk, der als Dozent der Politischen Theorie an der Universität Harvard lehrt und derzeit zu den gefragtesten Stimmen des politisch-kulturellen Diskurses zählt. Die thematische Bandbreite des CES wird seit diesem Studienjahr nochmals erweitert: So bietet das Zentrum das neue Zusatzfach Europäische Geschichte, Politik und Gesellschaft an.

25 Jahre DAAD-geförderte Zentren für Deutschland- und Europastudien: die Gründungszentren

CES

Dialog: Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Gespräch mit Studierenden am CES

Rund 4.000 Kilometer Luftlinie entfernt Richtung Westen liegt mit dem Berkeley-Zentrum für Deutschland- und Europastudien (CGES) eine weitere bedeutende Einrichtung, die sich in Form von interdisziplinärer Forschung und Lehre mit einem modernen Deutschland- und Europabild auseinandersetzt. Im Jahr 2000 gründete das CGES gemeinsam mit anderen Studiengängen zu europäischen Staaten das Institut für Europastudien (IES) als Dacheinrichtung. „Als die führende Einrichtung für Forschung und Lehre zu Europa an der Westküste der USA ist die Rolle des Instituts für Europastudien lebendiger als je zuvor“, sagt Professor Jeroen Dewulf, wissenschaftlicher Leiter des CGES und des IES. Das IES halte dank der Fördermittel der EU, des US-Bildungsministeriums und des DAAD den transatlantischen Austausch entlang intellektueller, politischer, sozialer, unternehmerischer und kultureller Pfade offen und dynamisch. Als Bestandteil des IES setzt das CGES dabei auf eine Vielzahl von Veranstaltungen mit hochrangigen Gästen, wie die Geschäftsführerin Dr. Akasemi Newsome beispielsweise vom Herbst 2016 zu berichten weiß: So sei Ende Oktober der nordirische Finanzminister Máirtín Ó Muilleoir für eine Diskussion zum Thema Brexit zu Gast gewesen. Zudem habe man in der Vorlesungsreihe zur deutschen und europäischen Geschichte renommierte Historiker etwa von der FU Berlin, der Universität Oxford oder der Universität Michigan zu Gast gehabt.

25 Jahre DAAD-geförderte Zentren für Deutschland- und Europastudien: die Gründungszentren

CGES

Am CGES in Berkeley: Ort des transatlantischen Denkens

Beste Möglichkeiten

Am BMW-Zentrum für Deutschland- und Europastudien plant man im kommenden Jahr aus Anlass der Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 60 Jahren, sich mit diesem wichtigen Jubiläum zu beschäftigen. Generell bietet das Zentrum in der US-amerikanischen Hauptstadt ohnehin beste Möglichkeiten, sich auszutauschen, wie der Historiker Professor Mario Daniels zu berichten weiß: „Washington hat für Wissenschaftler viel zu bieten, insbesondere die unglaublichen Ressourcen der Library of Congress, die National Archives und mehr als ein Dutzend anderer Einrichtungen“, sagt der DAAD Visiting Assistant Professor am BMW-Zentrum. Das Deutsche Historische Institut sei beispielsweise ein akademisch exzellenter Ort, um Kontakte zu schließen und Veranstaltungen zu besuchen.

Auf die US-amerikanische Hauptstadt und die Politik, die der designierte US-Präsident Trump von dort aus machen wird, werden ab dessen Amtseinführung am 20. Januar ohnehin viele Blicke gerichtet sein. Zentrumsdirektor Jeffrey Anderson ist aber nicht bang, wenn er an die Zukunft denkt. „Wir  haben den Eindruck, dass das Zentrum, gemeinsam mit den anderen vom DAAD geförderten Zentren, genau aus diesem Grund gegründet wurde: um zu helfen, die Partnerschaft mit Europa und Deutschland zu stärken.“ Man freue sich, sich in den nächsten Jahren aktiv und konstruktiv mit den Partnern in Europa engagieren zu können.

Benjamin Haerdle (20. Dezember 2016)

Weitere Informationen

Das BMW-Zentrum für Deutschland- und Europastudien an der Universität Georgetown in Washington, D.C., wird vom DAAD seit seiner Gründung 1990 gefördert. Es wird von Professor Jeffrey Anderson geleitet. Bereits mehr als 400 Studierende haben den Masterstudiengang Deutschland- und Europastudien seit 1991 erfolgreich abgeschlossen.

Dem 1969 gegründeten Minda de Gunzburg-Zentrum für Europastudien (CES) an der Universität Harvard steht Professor Grzegorz Ekiert vor. Das Zentrum bietet vielfältige wissenschaftliche Begleitmaßnahmen für Studierende, Doktoranden und Wissenschaftler. Zum Lehrpersonal zählen insgesamt fast 60 Dozenten.

Das 1990 ins Leben gerufene und an der University of California angesiedelte Berkeley-Zentrum für Deutschland- und Europastudien (CGES) wird seit seiner Gründung vom DAAD finanziell unterstützt. Dem CGES steht Professor Jeroen Dewulf als wissenschaftlicher Leiter vor; Ehrenvorsitzende ist Professor Beverly Crawford. Insgesamt mehr als 5.000 Graduierte in Deutschland- und Europastudien hat das CGES bislang unterstützt.