Zentren für Deutschland- und Europastudien: das CIERA – 12 Standorte, ein Ziel

CIERA

Talente fördern: Teilnehmer eines Schreibworkshops am CIERA

Klangvolle Namen der französischen Forschungs- und Bildungslandschaft verbindet das Centre interdisciplinaire d'études et de recherches sur l'Allemagne (CIERA). Es ermöglicht herausragende wissenschaftliche Arbeiten – und hat einen besonderen Blick für den akademischen Nachwuchs.

Unter den 20 aktuell und ehemals vom DAAD geförderten Zentren für Deutschland- und Europastudien ist das Centre interdisciplinaire d'études et de recherches sur l'Allemagne (CIERA), das interdisziplinäre Zentrum für Deutschlandstudien und -forschung, eine Besonderheit. Die Standorte des CIERA verteilen sich über nicht weniger als zwölf renommierte Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die insbesondere auf dem Gebiet der Geistes- und Sozialwissenschaften einen herausragenden Ruf genießen – und die ihre Forschungsaktivitäten in Bezug auf Deutschland als Mitglieder in das CIERA mit Sitz in Paris einbringen.

25 Jahre DAAD-geförderte Zentren für Deutschland- und Europastudien: das CIERA

CIERA

Nathalie Faure (M.): "Ein großer Mehrwert"

Zum CIERA zählen etwa die Universitäten Paris-Sorbonne, Strasbourg oder Lumière Lyon 2 sowie beispielsweise die Écoles normale supérieure in Paris und Lyon oder die „Sciences Po“-Institutionen in Paris und Grenoble. Sie bilden ein Netzwerk der Deutschlandstudien in Frankreich, dessen Vorteile für Nathalie Faure auf der Hand liegen: „Ein großer Mehrwert ist, dass jede Einrichtung ihre Stärken und das eigene Profil in das Netzwerk einbringt“, sagt die CIERA-Generalsekretärin. Hinzu komme, dass sich die Mitglieder in ihren wissenschaftlichen Profilen sehr gut ergänzen. „Dem CIERA ist es gelungen, die Gräben zwischen den französischen Germanisten und den systematischen Geistes- und Sozialwissenschaften, die sich mit Deutschland befassen, zuzuschütten und vielfache thematische Brücken zwischen den Disziplinen zu bauen“, formuliert CIERA-Gründungsdirektor Professor Michael Werner.

„Akteur und Motor“

Das wissenschaftliche Netzwerk des 2001 gegründeten CIERA ist ein wertvoller Begleiter der deutsch-französischen Zusammenarbeit, die auf den Ebenen der Zivilgesellschaft und der Regierungen schon seit vielen Jahren dank etlicher Initiativen auf einer sehr festen Basis steht. „Das CIERA sieht sich als Akteur und Motor von deutsch-französischen Forschungsprojekten und will die Zusammenarbeit der Wissenschaftler beider Staaten stärken“, erklärt Nathalie Faure. Eine der Säulen des Zentrums sind die kooperativen Forschungs- und Ausbildungsprogramme: Wissenschaftler aus Frankreich können jedes Jahr Anträge einreichen, um gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland für zwei Jahre zu forschen. Derzeit fördert das CIERA mehr als 20 solcher Projekte: Juristen forschen beispielsweise zum Thema Mindestlohn in Frankreich und Deutschland, Historiker widmen sich dem Thema Liebe, Gender und Sexualität während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit und Philosophen analysieren zentrale Motive der Lebensphilosophie in beiden Staaten.

Das interdisziplinäre und das grenzüberschreitende Forschen stehen dabei im Vordergrund. „Über die deutsch-französische Grenze oder die fachliche Grenze hinweg zu arbeiten, ist meines Erachtens fast das Gleiche“, sagt Professor Christophe Duhamelle, Historiker und seit April 2015 CIERA-Direktor. „Es geht in beiden Fällen darum, das Eigene, das Selbstverständliche, fruchtbar in Frage zu stellen.“ Duhamelle selbst arbeitete zwischen 2000 und 2007 am französischen Forschungszentrum Mission Historique Française en Allemagne in Göttingen, erst als wissenschaftlicher Referent, später als Direktor.

25 Jahre DAAD-geförderte Zentren für Deutschland- und Europastudien: das CIERA

CIERA

Dialog für die Forschung: Postdoc-Workshop mit CIERA-Direktor Christophe Duhamelle

Damit solche grenzüberschreitende Forschungskooperation auch nachhaltig gelingt, hat sich das CIERA insbesondere der Nachwuchsförderung verschrieben. Das beginnt bereits bei den Masterstudierenden und setzt sich fort über die Doktoranden bis hin zu den Postdocs. Drei Veranstaltungen organisiert CIERA-Mitarbeiterin Agathe Bernier-Monod pro Jahr im Rahmen des seit 2010 laufenden Masterprogramms. „Wir wollen Absolventen der Geistes- und Sozialwissenschaften helfen, den Berufseinstieg im deutsch-französischen Umfeld zu schaffen“, sagt sie. Mitte November 2016 fand zum Beispiel ein eintägiges Seminar an der Universität Sorbonne und der Deutschen Botschaft in Paris statt. Dabei bekamen Studierende praktische Ratschläge, wie sie ihre Jobsuche am besten organisieren, wie man sich in Bewerbungsgesprächen verhält oder wie man einen Lebenslauf schreibt. Ende März 2017, erzählt Bernier-Monod, lade das CIERA ans Goethe-Institut in Lyon zu einem weiteren Seminar ein. Dort stehe das Berufsfeld Kultur und Kommunikation im Mittelpunkt.

Doch das CIERA will Masterstudierende nicht nur für den Berufseinstieg fit machen. Es bietet auch einmal pro Jahr eine zweitägige Fortbildung für jene Jungforscher an, die promovieren wollen oder noch in der Startphase der Doktorarbeit sind. Inhalte seien etwa, so Agathe Bernier-Monod, wie man seine Dissertation finanziere, wie man publiziere oder wie man sich in schweren Zeiten der Promotion motivieren könne.

Freude am deutsch-französischen Austausch

Für Doktoranden organisiert das Zentrum für Deutschlandstudien nahezu das gesamte Jahr über Seminare. Sie können sich je nach Stadium ihrer Dissertation Themen aussuchen und Workshops besuchen – etwa zum wissenschaftlichen Schreiben oder zur Verteidigung der Dissertation. „Das Besondere ist, dass das Programm offen ist und dass sich auch Nachwuchswissenschaftler aus Nicht-Mitgliedshochschulen und aus Deutschland bewerben können“, hebt Nathalie Faure hervor. An jedem Seminar nehmen bis zu 20 Doktoranden teil. „Über einen Mangel an interessierten Studenten können wir uns nicht beklagen“, freut sich die Generalsekretärin. Auch CIERA-Mitarbeiterin Agathe Bernier-Monod nahm jahrelang am Doktorandenprogramm teil. Seit 2013 promoviert sie in Zeitgeschichte an der Sorbonne über deutsche Abgeordnete, die sowohl in der Weimarer Republik als auch in der jungen Bundesrepublik im Parlament saßen. Sie weiß, wie wichtig solche Seminare sein können: „Die Veranstaltungen sind sehr vielfältig, sie begleiten einen während der Promotion und verstärken Spaß und Freude, im Kontext der deutsch-französischen Beziehungen zu arbeiten“, sagt die Doktorandin. Nächstes Jahr wird sie ihre Dissertation beenden, danach würde sie gerne weiter in der Forschung arbeiten.

Einen Abschluss findet im kommenden Jahr auch das Forschungsnetzwerk „Europa als Herausforderung“, das sowohl das deutsche als auch das französische Bildungsministerium für fünf Jahre förderten. Das CIERA war eine der sieben beteiligten Einrichtungen. Rund 50 Wissenschaftler, darunter 20 Doktoranden und sechs Postdocs aus beiden Staaten, forschten seit 2012 zu den Themen Sozialstaat, Nachhaltigkeit und urbane Gewalträume. 2017 wird Bilanz gezogen. CIERA-Generalsekretärin Faure ist schon jetzt von dem gemeinsamen Forschungsgroßprojekt begeistert: „Dieses Netzwerk war ein sehr interessantes Experiment der deutsch-französischen Zusammenarbeit.“ Und ein bemerkenswerter Beleg dafür, wie das CIERA grenzüberschreitenden Austausch ermöglicht.

Benjamin Haerdle (9. Dezember 2016)

Weitere Informationen

Das Centre interdisciplinaire d'études et de recherches sur l'Allemagne (CIERA) wurde im Jahr 2001 gegründet. Rund 500 Studierende und Doktoranden sind am CIERA eingeschrieben. Masterstudierenden, Doktoranden und Postdocs bietet das Zentrum Mobilitätsstipendien für Aufenthalte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch im Zentrennetzwerk ist das CIERA sehr aktiv und organisiert zum Beispiel gemeinsam mit der LMU München und dem Willy Brandt Zentrum in Breslau die Sommerschule „Weimarer Dreieck“. Zudem ist das CIERA Austragungsort für eine Phase des studienbegleitenden Kollegs Europa. Finanziert wird das Zentrum von den zwölf Mitgliedsinstitutionen, vom französischen Ministerium für Bildung, Hochschulwesen und Forschung und vom DAAD. Geleitet wird es seit 2015 von Professor Christophe Duhamelle.