Zentren für Deutschland- und Europastudien: Zwei starke Standorte in Israel

CGS

Am Zentrum für Deutschlandstudien (CGS) in Jerusalem: engagierte Akademiker im Austausch über Israel, Deutschland und Europa

Das weltweite Netzwerk der DAAD-geförderten Zentren für Deutschland- und Europastudien ist in Israel mit gleich zwei Standorten vertreten. In der Serie zum 25-jährigen Jubiläum des Zentrennetzwerks stellt DAAD Aktuell das Zentrum für Deutschlandstudien in Jerusalem und das Haifa-Zentrum für Deutschland- und Europastudien in einem Doppelporträt vor.

Es wird der erste große Höhepunkt des Jahres 2017 am vom DAAD geförderten Zentrum für Deutschlandstudien (CGS) an der Hebräischen Universität Jerusalem: Am 16. und 17. Januar diskutieren Wissenschaftler, Experten und Zeitzeugen über den Terrorismus Ende der 1970er-Jahre – rund 40 Jahre, nachdem israelische Sicherheitskräfte 1976 in Uganda ein von Terroristen entführtes Passagierflugzeug der Air France stürmten und nachdem die GSG 9 ein Jahr später in Mogadischu die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ beendete. Beide Ereignisse zeigten auf drastische Weise auch die antisemitische Seite des Terrorismus.

Für Professor Noam Shoval, Direktor des CGS, eine ganz typische Tagung, denn: „Unsere Veranstaltungen sollen relevant sein.“ Dies bedeute, dass sie einerseits einen hohen akademischen Anspruch haben: Auf der zweitägigen Konferenz werden zahlreiche renommierte Wissenschaftler aus Israel, Deutschland und den USA Vorträge halten. Andererseits sollen die Tagungen aber auch das Interesse der Studierenden und Wissenschaftler der gesamten Universität und der Öffentlichkeit wecken. Eine Erwartungshaltung, die das CGS seit seiner Gründung im Jahr 2007 auszeichnet. Angesiedelt an der renommierten Hebräischen Universität, die auf eine lange Tradition der Germanistik zurückblickt und an der bereits Albert Einstein und Sigmund Freud tätig waren, integriert das Zentrum Wissenschaftler aus den Rechts-, Sozial- und Geisteswissenschaften, die zu gegenwartsbezogenen Deutschlandthemen forschen und lehren. „Deutschland ist eines der wichtigsten Länder in Europa und hat aufgrund seiner Historie eine hohe Bedeutung in der Geschichte Israels“, sagt Shoval. Studierten viele junge Menschen am CGS, könne das helfen, die Beziehung zwischen den beiden Staaten zu stärken.

25 Jahre DAAD-geförderte Zentren für Deutschland- und Europastudien: die Zentren in Israel

CGS

Diskutierten im Januar 2016 über die deutsch-israelischen Beziehungen in den Jahren 1974 bis 1982 (v. l.): Arye Naor, Shlomo Avineri, Moderatorin Gisela Dachs und Martin Rupps

Neue Ideen mit Blick auf Europa
Rund zwei Autostunden von Jerusalem entfernt liegt an der Mittelmeerküste mit Haifa die drittgrößte Stadt Israels. Von dort aus formuliert das ebenfalls vom DAAD finanzierte Haifa-Zentrum für Deutschland- und Europastudien (HCGES) einen ähnlichen Anspruch, erweitert um einen noch stärkeren Fokus auf Europa. „Wir wollen innovative und originelle Forschung betreiben“, sagt HCGES-Direktor Professor Eli Salzberger. Das Zentrum an der Universität Haifa bündelt etwa Angebote aus den Fachbereichen Wirtschaft, Recht, Politikwissenschaften, Geografie, Soziologie, Geschichte und Literatur, die einen aktuellen Bezug zu Deutschland und Europa haben. Entsprechend groß ist die Vielfalt: Die Themen reichen vom Bürgerlichen Gesetzbuch über deutschsprachige Literatur oder die Erinnerung an den Holocaust in der DDR bis zu aktuellen politischen Fragestellungen, etwa mit Blick auf die Folgen der Migration für Europa oder die Arbeit deutscher politischer Stiftungen in Israel.

25 Jahre DAAD-geförderte Zentren für Deutschland- und Europastudien: die Zentren in Israel

HCGES

Eli Salzberger: "Das gegenseitige Interesse ist groß"

Die Arbeit des HCGES erklärt sich nicht nur durch die geografische Nähe der Hafenstadt zu Europa, sondern auch durch den besonderen Bevölkerungsmix der israelischen Metropole, der sich auch an der Universität widerspiegelt: 25 Prozent der Studierenden sind palästinensischer Abstammung oder haben andere arabische Wurzeln. „Haifa will ein Modell für die Zukunft sein, in der Menschen aller Glaubensrichtungen friedlich zusammenleben“, sagt Eli Salzberger. Diese Haltung öffne die Forschung und die Lehre am HCGES auch für neue Ideen und Fragestellungen.

Ein außergewöhnlicher Ort
Die Atmosphäre in Haifa übt auf Studierende einen besonderen Reiz aus. María Jordan Chelini schrieb sich 2014 für den englischsprachigen Masterkurs German and European Studies am HCGES ein, der als akademisches Herzstück des Zentrums gilt. „Ich wollte mehr wissen über die aktuelle deutsche Politik, Geschichte und Kultur“, sagt die Argentinierin, die zuvor Philosophie in Buenos Aires studiert hatte und schon immer gerne Texte deutscher Philosophen las. Die Zeit am HCGES hat sie in guter Erinnerung. „Die Atmosphäre war sehr entspannt und multikulturell“, sagt die Katholikin. Haifa sei in Israel ein außergewöhnlicher Ort, an dem Juden, Christen und Muslime zusammenkommen und gemeinsam studierten. Derzeit sitzt sie in ihrer Heimatstadt Buenos Aires an ihrer Masterarbeit und analysiert, wie US-Amerikaner, Franzosen und Briten nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten, die deutsche Bevölkerung zwischen 1945 und 1949 umzuerziehen, um so den Nationalsozialismus zu überwinden.

Einen Schritt weiter in der akademischen Laufbahn ist Moran Pearl, die ihren Master am CGS in Jerusalem erworben hat und derzeit dort promoviert. Die studierte Kunstgeschichts- und Politikwissenschaftlerin interessiert sich für aktuelle Literatur, Kunst und Kultur in Deutschland. „Die Möglichkeit, dies im Kontext der Gegenwart und der Geschichte Deutschlands sowie des deutsch-israelischen Verhältnisses näher zu ergründen, bietet mir das CGS in Jerusalem“, sagt sie. In ihrer Doktorarbeit forscht sie zur Erinnerungskultur in der Kunst, etwa anhand von Kunstinstallationen, Ausstellungen oder des Kunstprojekts „Stolpersteine“, mit dem auf Straßen in Deutschlands Städten und Gemeinden an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird. „Professoren und Studenten am Zentrum sind exzellent, viele Experten kommen aus Deutschland extra zu Blockseminaren angereist“, nennt Pearl Pluspunkte der Doktorandenausbildung am CGS. Zudem gebe es jährliche Exkursionen nach Deutschland, bei denen man viel über Kultur und Politik lernen könne. Noch weiß die Israelin nicht, in welche Richtung es sie nach der Promotion ziehen wird, doch eines steht fest: „Ich hoffe, Vermittlerin zu werden zwischen den beiden Kulturen.“

25 Jahre DAAD-geförderte Zentren für Deutschland- und Europastudien: die Zentren in Israel

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Von Haifa nach Brüssel: Besuch des Europaparlaments durch eine HCGES-Gruppe

„Reger Zulauf an Studierenden“
Die positiven Auswirkungen der interdisziplinären Zentren in Jerusalem und Haifa auf das deutsch-israelische Verhältnis kann wohl am besten Professor Hans-Georg Soeffner einschätzen. Der emeritierte Soziologieprofessor ist seit 2007 Mitglied in den wissenschaftlichen Beiräten von CGS und HCGES. „Beide Zentren sind bestens etabliert, kooperieren miteinander, haben große Erfolge und freuen sich über einen regen Zulauf an Studierenden“, sagt er. Die Akzeptanz in der Öffentlichkeit sei groß; beide Zentren seien wichtige Orte akademischer Diskussionen, an denen man über die Beziehung zwischen Deutschland und Israel streiten könne. Den Universitäten in Jerusalem und Haifa zollt Soeffner Respekt. „Die Universitäten kämpfen sehr darum, die finanzielle Unterstützung für die Zentren aufrecht zu halten“, sagt er. Dies sei nicht immer leicht. Insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften haben auch in Israel derzeit nicht immer einen einfachen Stand.

Neue Formen des akademischen Austauschs
Zugute kommt den beiden Zentren derzeit das, was HCGES-Direktor Salzberger als „honeymoon“ zwischen Israel und Deutschland bezeichnet: „Das gegenseitige Interesse ist groß: Viele Deutsche leben in Israel und vor allem junge Israelis zieht es immer häufiger nach Deutschland“, sagt er. Dies seien besondere Bande, die HCGES-Wissenschaftler auch als Forschungsthema interessierten. Einher geht damit, dass die Rolle Deutschlands in der Diskussion um Migranten, um die Zukunft Europas oder auch das Aufkommen der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland vor allem bei jungen Menschen in Israel derzeit eine große Aufmerksamkeit weckt, wie Noam Shoval feststellt. Ein Indiz: Die Einschreibungszahlen steigen. „Am CGS haben sich für den Masterkurs German Studies 15 Studierende zum jetzigen Wintersemester eingeschrieben, deutlich mehr als im Vorjahr“, sagt er. Erstmals bietet das Zentrum ab dem Wintersemester 2017/18 einen Studierendenaustausch mit der Freien Universität Berlin sowie den Universitäten Wien und Innsbruck an. Und auch vom HCGES gibt es Neues zu vermelden. Dort ist es seit diesem Herbst erstmals möglich, zu promovieren. „Das Interesse an der Promotion ist groß, nicht nur von Studierenden in Haifa, sondern auch aus Deutschland“, sagt Direktor Salzberger. Zwei der Doktoranden promovieren in Double-Degree-Programmen bereits in Deutschland: an der Universität Marburg und an der Universität der Bundeswehr München.

Benjamin Haerdle (2. Dezember 2016)

Weitere Informationen

Das Zentrum für Deutschlandstudien (CGS) an der Hebräischen Universität Jerusalem wurde 2007 gegründet und ist eingebettet in das „Europäische Forum“ der Universität. Fünf Wissenschaftler, darunter der CGS-Direktor Professor Noam Shoval, sind dort angestellt. 20 Studierende studieren derzeit am CGS im Masterprogramm German Studies, 40 im Masterprogramm European Studies. Im Doktorandenprogramm forschen 15 Nachwuchswissenschaftler. Der siebenköpfige Beirat wird geleitet vom Rektor der Hebräischen Universität Jerusalem, Professor Asher Cohen.

Das 2007 gegründete Haifa-Zentrum für Deutschland- und Europastudien (HCGES) ist an der Universität Haifa angesiedelt. Im Jahr 2009 startete das HCGES den englischsprachigen Masterkurs German and European Studies, für den aktuell 20 Studierende eingeschrieben sind. Fünf Nachwuchsforscher promovieren am Zentrum. Sechs Wissenschaftler aus den Disziplinen Geschichte, Recht, Soziologe und Politik sind am HCGES beschäftigt.