„DAAD-Lektoren berichten aus…“: Eriwan – Angela Nerenz

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Angela Nerenz (3. v. l.) mit dem Team des DAAD-Informationszentrums Eriwan

Sie fördert das Selbstbewusstsein ihrer Studentinnen, geht mit offenen Augen durch das lebendige Eriwan und kann in Armenien auch ihre sehr guten Russischkenntnisse nutzen. Dabei war das Lektorat in der ehemaligen Sowjetrepublik zunächst ein Plan B für Angela Nerenz.

Neulich hat Angela Nerenz ihre Studentinnen und Studenten zu einem Stadtspaziergang durch Eriwan mitgenommen, die 2.800 Jahre alte Hauptstadt Armeniens. Sie sollten frei und ohne Hilfsmittel über die Kirchen, die Kindereisenbahn und andere Sehenswürdigkeiten reden – auf Deutsch. „Es ist wichtig, dass das nicht nur im geschützten Raum der Uni klappt“, sagt die 33-jährige DAAD-Lektorin. Vor einer Gruppe von 15 Menschen in einer Fremdsprache zu parlieren, während in Hörweite der Verkehr vorbeirauscht, das fiel besonders einigen Studentinnen schwer, erinnert sich Angela Nerenz. Doch die Übung habe auch ihr Selbstbewusstsein gestärkt.

DAAD-Lektoren berichten aus: Eriwan – Angela Nerenz

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Unterwegs in Eriwan: Teilnehmer einer Stadtführung mit Angela Nerenz

Angela Nerenz unterrichtet seit zwei Jahren an der Staatlichen Brjussow-Universität für Sprachen und Sozialwissenschaften. In ihren Kursen sitzen fast ausschließlich Frauen. Die Bachelor-Studentinnen haben Fächer wie Pädagogik, Linguistik, Deutschlandkunde oder Übersetzen/Dolmetschen belegt und sind zwischen 17 und 22 Jahren alt. Die meisten leben noch zu Hause bei ihrer Großfamilie, die immer ein Wörtchen mitredet, wenn Entscheidungen zu treffen sind. Angela Nerenz legt daher Wert darauf, die Eigenständigkeit und Kreativität ihrer Studentinnen zu fördern. Das werde ihnen auch außerhalb des Kurses nützen, glaubt sie. Möglichst jede Unterrichtsstunde solle einen Bezug zur Praxis, zum Alltag haben.

Die Lektorin lässt ihre Studierenden zum Beispiel in kleinen Gruppen Informationen über ein Thema sammeln und damit eine Präsentation vorbereiten, alles auf Deutsch. Für Armenien, wo das Studium stark verschult ist, eine ungewöhnliche Methode. Sie sorgt zunächst in jedem Kurs aufs Neue für Irritation und erfordert eine Eingewöhnungszeit. „Doch es fällt bei den Studentinnen und Studenten, den Kolleginnen und Kollegen auf fruchtbaren Boden“, sagt Angela Nerenz, die von begeisterten Studierenden zu erzählen weiß. „Die Armenier sind überhaupt liebenswerte und herzliche Menschen“, sagt die DAAD-Lektorin.

Eriwan: eine Entdeckung

Dabei wollte Angela Nerenz vor zwei Jahren eigentlich das DAAD-Lektorat im überwiegend russischsprachigen Donezk in der Ostukraine übernehmen. In Halle an der Saale hatte sie das Fach Regionalwissenschaften mit dem Schwerpunkt Russland/Südosteuropa studiert; Russisch spricht sie sehr gut. Wegen des Krieges in der Ukraine flog sie im Spätsommer 2014 nicht nach Donezk, sondern nach Eriwan. Doch auch dort kann sie ihre Russischkenntnisse anwenden. Armenien gehörte bis 1991 als Armenische Sozialistische Sowjetrepublik zum großen Nachbarstaat. Bis heute verstehen fast alle Russisch. „Gerade junge Leute sprechen inzwischen auch gut Englisch“, sagt Angela Nerenz. Der Englischunterricht verdränge an vielen Schulen den Deutschunterricht.

Ein paar Worte Armenisch hat Angela Nerenz inzwischen auch gelernt. Gern läuft sie zu Fuß durch ihre Wahlheimat Eriwan. Doch wenn sie mit Büchern und Beamer unterwegs ist, nimmt sie meistens eines der günstigen Taxis; gerne plaudert die Lektorin mit den Fahrern. Oft erfährt sie ganze Familiengeschichten, hört von Kindern, Enkeln ‒ und von Verwandten, die seit Jahrzehnten im Ausland wohnen und regelmäßig Geld nach Hause schicken. Das ist in Armenien üblich. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, und Millionen Armenier leben in der Diaspora. Draußen, vor dem Fenster des Taxis rauscht derweil die Millionenstadt Eriwan vorbei. Vielleicht entdeckt Angela Nerenz, während sie plaudert, sogar einen geeigneten Ort für den nächsten Stadtrundgang?

Josefine Janert (8. November 2016)