ID-E 2016: Internationale Perspektiven auf das Berufsziel Professur

DAAD/Andreas Paasch

Sie diskutierten noch vor allem die "deutsche Perspektive" (v. l. n. r.): Ernst-Ludwig von Thadden, Anna Tschaut, Thomas Grünewald, Moderator Jan-Martin Wiarda, Andreas Schlüter und Bettina Burger-Menzel

Wie verlaufen sie, die „Wege zur Professur“, denen sich der International Dialogue on Education (ID-E) in Berlin mit Beteiligung des DAAD widmete? Jedenfalls nicht zwingend geradlinig, wie der Blick in verschiedene Länder und die Offenheit für Alternativen zeigen.

Etwas unsicher wirkte die junge britische Biologin, die derzeit ihre Postdoc-Zeit in Berlin verbringt. In ihrer Heimat habe man sie immer ermutigt, ins Ausland zu gehen – aber, so ihre Frage an das Podium, ist das wirklich der richtige Weg, wenn man eine Professur anstrebt? Professor Rosemary Deem, Dean der Doctoral School der Royal Holloway, University of London, betonte: „Noch besser ist es, wenn Sie bereits früher ins Ausland gehen.“ Schließlich zeige ja schon die Vielfalt der während des International Dialogue on Education vorgestellten Wissenschaftssysteme die Notwendigkeit, internationale Unterschiede zu kennen – und sich dementsprechend orientieren zu können. Und Jule Specht, Professorin für Persönlichkeitspsychologie an der Universität zu Lübeck und Vorstandsmitglied der Jungen Akademie, nannte wertvolle neue Ideen und Kontakte als Vorteile des Auslandsstudiums. Das war dann auch eine Antwort, die über den Einzelfall hinaus sehr gut zum International Dialogue on Education (ID-E) passte: Ohne Austausch geht es nicht.

Erst recht nicht in der Kanadischen Botschaft in Berlin. Ein Ort, wie Botschafterin Marie Gervais-Vidricaire bei ihrer Begrüßung formulierte, „um Brücken zu bauen und den Austausch von Ideen und Menschen zu befördern“. Das tat der ID-E 2016 bereits zum 13. Mal; längst etabliert ist die transatlantische Kooperation von British Council, DAAD, Freier Universität Berlin, der deutsch-amerikanischen Fulbright-Kommission und der Kanadischen Botschaft. Professor Christine Musselin erweiterte auf dem Podium die Frage nach Wegen zur Professur um die französische Perspektive. Und 2016 agierte zudem – wie schon 2014 – der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft als Partner des ID-E-Konsortiums. Auch Professor Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes, setzte mit seiner Begrüßungsansprache einen Grundton: für die Vielfalt des Austauschs, den Wert der Internationalität („Der Weg zur Professur sollte zumindest einmal ins Ausland geführt haben.“) und für Hochschulen, die sich wandeln müssten. „Systematische Personalentwicklung“ nannte Schlüter als ein Feld, in dem die Hochschulen von den Unternehmen lernen könnten.

International Dialogue on Education 2016

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Gastgeberin am Ort des Austauschs: Botschafterin Marie Gervais-Vidricaire

„Der Flaschenhals ist nicht natürlich“

Professor Ernst-Ludwig von Thadden, Rektor der Universität Mannheim, mahnte in Berlin neue Konzepte des Qualitätssicherungsmanagements und der Personalplanung an. Man müsse wegkommen von der Einstellung: „Die Berufungskommission wird es schon richten.“ Von Thadden hielt einen von zwei Impulsvorträgen des ID-E-Vormittags, der sich auf die Situation in Deutschland konzentrierte. Vor zwei Jahren hatte der Mannheimer Rektor mit dem Modell einer „Laufbahnprofessur“, orientiert am amerikanischen Tenure-Track-Verfahren, für Aufsehen gesorgt. Die Zustimmung der baden-württembergischen Landesregierung blieb aber aus. Die Politik also als Bremser?

So einfach machten es sich die Berliner Diskutanten nicht. Zumal etwa Dr. Thomas Grünewald, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung, auf Initiativen seines Bundeslandes verweisen konnte, etwa die Förderung von Kooperationen zwischen Fachhochschulen und kleinen und mittleren Unternehmen, bei der ein Großteil der Personalkosten zum Vorteil der Firmen übernommen wird – mit dem Ziel, den Akademikern die für eine FH-Professur notwendige berufliche Praxis zu erleichtern. Dr. Anna Tschaut, Bundesvorsitzende von THESIS, dem Interdisziplinären Netzwerk für Promovierende und Promovierte, begrüßte derweil die Einrichtung von 1.000 neuen Tenure-Track-Stellen durch den Bund von 2017 an als „guten ersten Schritt“. Zugleich wollte sie den sprichwörtlichen „Flaschenhals“, an dem viele Wünsche auf eine Professur scheitern, nicht einfach hinnehmen: „Das ist nicht natürlich, sondern eine Frage, wie man Karrierewege gestalten will.“

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Plädierte für Offenheit: Andreas Zaby, Präsident der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht

Wie sich diese Wege mit Blick auf die Professur an der Fachhochschule gestalten lassen, nahm Professor Andreas Zaby, Präsident der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht und Vorsitzender des Fachhochschulverbands UAS7, in seinem Impulsvortrag in den Blick. Er machte deutlich, dass die Fachhochschulen dringend nach qualifiziertem Professorennachwuchs suchen und warb für neue Ansätze, etwa den bundesweiten, deutlichen Ausbau von kooperativen Promotionskollegs der Universitäten und der Fachhochschulen. Der Vorteil: Die Kollegs bilden nicht nur herausragenden wissenschaftlichen Nachwuchs aus, sondern stehen auch für die von Zaby geforderte größere „Durchlässigkeit“ zwischen den unterschiedlichen Hochschultypen. Anfreunden kann sich Zaby zudem mit der kürzlich vom Wissenschaftsrat empfohlenen Einrichtung von Schwerpunktprofessuren: Die Reduzierung des Lehrdeputats (etwa mit Gewinn für die Forschungsarbeit) könnte durchaus helfen, die FH-Professur attraktiver zu machen. Bettina Burger-Menzel, Professorin an der Technischen Hochschule Brandenburg und im Wissenschaftsrat Mitglied der Arbeitsgruppe Karriereziele und -wege an Fachhochschulen, betonte: „Es ist wichtig, dass man verschiedene Strukturelemente schafft, kontextabhängig ausprobiert – und informiert.“

Möglichst mit globaler Perspektive, könnte man hinzufügen: Dr. Birgit Klüsener, Direktorin der Abteilung Stipendien im DAAD, sagte bei Ihrer Eröffnung des internationalen Teils des ID-E: „Wir haben es hier nicht mit einem rein deutschen oder rein europäischen Problem zu tun.“ Sie verwies unter anderem auf eine von „Science Europe“ Ende Oktober veröffentlichte Studie, die den Mangel an akzeptablen Karriereperspektiven herausstellte – und auf die auch in den USA zunehmende Unsicherheit für Nachwuchsforscher. Dass etwa der Tenure Track auch in den USA nicht als einzig selig machender Weg angesehen wird, konnte Professor Jacqueline Edmondson bestätigen. Edmondson, Associate Vice President und Associate Dean for Undergraduate Education der Pennsylvania State University, berichtete von Nachwuchswissenschaftlern, die sich bewusst für zeitlich begrenzte Stellen und gegen den Tenure Track entschieden – und verschwieg auch die hohen Kosten, die etwa die Doktorandenausbildung für die Penn State bedeute, nicht. Zugleich sagte sie: „Die Doktorandenausbildung ist für uns zwar sehr teuer. Wir sehen sie aber als Investment an.“

Verantwortung für die Universitäten!

Den Wert des wissenschaftlichen Nachwuchses erkennen – diesen Punkt verknüpfte Professor Jule Specht mit selbstbewussten Forderungen: Die jungen Forscher müssten sich fragen, wo sie die besten Arbeitsbedingungen sehen; Aufgabe des Wissenschaftssystems sei es aber, die dafür nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Für Professor Christine Musselin, CNRS-Forschungsdirektorin am Pariser Centre de sociologie des organisations, gehört zu verbesserten Rahmenbedingungen in Frankreich, dass der Einfluss bei Berufungen vom Nationalen Universitätsrat (CNU) auf die einzelnen Universitäten verlagert wird: „Sie werden sich sonst nie richtig verantwortlich für ihr Recruitment fühlen.“

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Internationale Runde (v. l. n. r.): Jacqueline Edmondson, Jule Specht, Jan-Martin Wiarda, Christine Musselin, Léo Charbonneau und Rosemary Deem

Wer aber Verantwortung übernehmen will, der braucht den Blick nach außen. Auch wenn die Fülle der verschiedenen Karriereschritte – etwa vom französischen Maître de conférences über den britischen Senior Lecturer bis zur deutschen Juniorprofessorin – einen verwirren kann, wie Léo Charbonneau einräumte. Charbonneau, einer der angesehensten kanadischen Autoren zu Bildungsfragen, verdeutlichte auf dem Podium, dass sein Heimatland die Doktorandenausbildung auch in Zukunft enorm ausweiten will, obwohl schon heute viele Kanadier mit Ph.D. ihr Ziel verfehlen, in der akademischen Welt zu bleiben.

Zu einer bewussten, erfolgversprechenden Entscheidung, eine Professur anzustreben, gehört auch das Abwägen der Alternativen. Doch wer kann die aufzeigen? „Ich verbringe mein Leben in der Abgeschiedenheit des akademischen Systems – wie soll ich Ratschläge zu Alternativen geben?“, hatte einmal ein kanadischer Professor gegenüber Charbonneau geklagt. Dass das akademische System so abgeschieden nicht sein muss, dafür stand der International Dialogue on Education auch bei seiner 13. Auflage.

Johannes Göbel (9. November 2016)