Deutsch-Kolumbianisches Friedensinstitut: Wertvolle Chancen für Wissenschaft und Gesellschaft

JLU Pressestelle/Franz Möller

DAAD-Vizepräsident Joybrato Mukherjee: "Das Deutsch-Kolumbianische Friedensinstitut wird konkret in die Politikberatung einsteigen"

Neue Hoffnung in einem jahrzehntelangen Konflikt: Das Deutsch-Kolumbianische Friedensinstitut (DKFI) nimmt seine Arbeit inmitten der Diskussionen um das Friedensabkommen im kolumbianischen Bürgerkrieg auf. Der DAAD fördert das Institut aus Mitteln des Auswärtigen Amts – und DAAD-Vizepräsident Professor Joybrato Mukherjee ist seiner Arbeit auch als Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen verbunden. Im Interview spricht Mukherjee über die Auswahl der deutschen Partnerinstitutionen des Friedensinstituts in einem kompetitiven Verfahren, die Rolle des DAAD als Politikberater und den Friedensnobelpreis für Kolumbiens Präsident Santos.

Herr Professor Mukherjee, seit dem 1. Oktober 2016 fördert der DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts das Deutsch-Kolumbianische Friedensinstitut (DKFI). Einen Tag nach dem Beginn der Förderung wurde der zwischen der kolumbianischen Regierung und den Farc-Rebellen ausgehandelte Friedensplan in einem Referendum knapp abgelehnt. Was bedeutet das für das Kooperationsprojekt?

Joybrato Mukherjee: Natürlich hatten wir uns durch das Referendum weiteren Rückenwind erhofft, das DKFI ist allerdings langfristig geplant. Das Projekt wurde bereits vor rund acht Monaten vom DAAD ausgeschrieben, als noch überhaupt nicht fest mit einem gültigen Friedensvertrag zu rechnen war. Und jetzt, nach dem Referendum, haben sich alle Beteiligten und Konfliktparteien dahingehend geäußert, dass keiner den Friedensprozess als solchen infrage stellt. Das gilt für die kolumbianische Regierung um Präsident Santos wie für die Farc-Rebellen. Und der ehemalige Staatspräsident Uribe, einer der Wortführer der Nein-Kampagne vor dem Referendum, hat sich zurückhaltend und konstruktiv geäußert. Im Übrigen haben uns das Auswärtige Amt und Bundesaußenminister Steinmeier unmittelbar nach dem Referendum ganz klar signalisiert, wie wichtig es gerade in der aktuellen Lage ist, den Friedensprozess mit dem Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstitut zu flankieren. Und natürlich hat uns auch der Friedensnobelpreis für Präsident Santos bestätigt.

Was sind die zentralen Ziele des Friedensinstituts?

Das Deutsch-Kolumbianische Friedensinstitut soll grundsätzlich drei Handlungsfelder abdecken. Zum einen natürlich die Friedens- und Konfliktforschung, in der sozial- und rechtswissenschaftliche Forschungsarbeiten im Mittelpunkt stehen. Hinzu kommt der Bereich der Lehre: Wir haben vor, gemeinsame, binationale Programme für Masterstudierende und Doktoranden zu etablieren. Der dritte Bereich steht vielleicht am stärksten in der öffentlichen Aufmerksamkeit: Der Transfer der wissenschaftlichen Arbeiten des Instituts in ganz konkrete Politikberatung und Öffentlichkeitsarbeit.

Könnten Sie bitte für diesen Bereich ein Beispiel geben?

Der Punkt der Übergangsjustiz spielt eine herausragende Rolle. Wie ist nach einem über fünf Jahrzehnte währenden Bürgerkrieg mit Strafen umzugehen, wie mit Amnestie? Wie kann sichergestellt werden, dass sich Täter gegenüber ihren Opfern erklären und dass zugleich nicht der Sühnegedanke im Vordergrund steht, sondern die Aussöhnung. Hier können nicht herkömmliche Strafverfahren gewählt werden, vielmehr müssen alternative Wege gegangen werden – wie dies etwa auch in Südafrika nach dem Ende der Apartheid der Fall war. Wie sich das in Kolumbien gestalten kann, ist ein Bereich, in dem das DKFI konkret in die Politikberatung einsteigen und dabei der Frage nachgehen wird, welche Instrumente für den Friedensprozess sinnvoll sind.

Was bringen die deutschen Partner in das neue Institut ein?

Die Partner wurden in einem hochkompetitiven Verfahren ausgewählt und ergänzen sich gegenseitig optimal. Der Konsortialführer Justus-Liebig-Universität hat von allen deutschen Hochschulen die längste Erfahrung in Kolumbien und ist seit Anfang der 1960er-Jahre sehr aktiv im Land; damit verbunden sind sehr gute Kenntnisse der Wissenschaftslandschaft und aller am DKFI beteiligten kolumbianischen Partner. Für die herausragende Expertise der Justus-Liebig-Universität im Völkerrecht steht beispielhaft Professor Thilo Marauhn, der das deutsche Konsortium des DKFI als wissenschaftlicher Koordinator leitet. Herausragende Lateinamerika-Expertise und sozialwissenschaftliche Expertise kommt von den Partnern Freie Universität Berlin, Georg-August-Universität Göttingen und dem Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, die sich schon immer intensiv mit Post-Konflikt-Situationen beschäftigt hat. Wertvoll ergänzt wird das deutsche Konsortium durch die Freiburger Albert-Ludwigs-Universität, die etwa über Professor Michael Wirsching hohe Kompetenz in Fragen der Traumabewältigung einbringt. Sowohl die deutsche Seite des Friedensinstituts als auch die kolumbianische Seite unter der Führung der Universidad Nacional können in den kommenden Jahren um weitere Partner wachsen.

Welche Bedeutung hat das Deutsch-Kolumbianische Friedensinstitut für den DAAD?

Kolumbien ist seit Langem ein wichtiger Partner für den DAAD. Das DAAD-Informationszentrum in Bogotá ist als Ansprechpartner sehr gefragt; sein Leiter Dr. Reinhard Babel begleitet alle DAAD-Projekte in Kolumbien intensiv. Auch vor diesem Hintergrund hat es uns besonders gefreut, dass das Auswärtige Amt uns gebeten hat, das DKFI auszuschreiben. Der DAAD hat bereits Anfang 2013 mit der „Strategie 2020“ deutlich gemacht, dass es nach den Feldern „Stipendien für die Besten“ und „Internationalisierung der Hochschulstrukturen“ unsere dritte große Aufgabe ist, Wissen für Wissenschaftskooperationen bereitzustellen. Und das ist letztlich auch das Kerngeschäft, wenn es um die Beratung der Politik geht. Der DAAD stellt sein umfassendes Wissen und sein weltweites Netzwerk zur Verfügung, um die Hochschulen bei ihren Projektaktivitäten bestmöglich zu unterstützen. Zugleich können wir der Politik vermitteln, wo Chancen einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit liegen und wo wichtige gesellschaftliche Prozesse – wie die Konfliktüberwindung in Kolumbien – gemeinsam unterstützt werden können.

Interview: Johannes Göbel (9. November 2016)