Grimm-Preise für kulturelle Vermittler

DAAD/Thomas Engels

Tanja Škerlavaj und Mark Louden sind in Bayreuth ausgezeichnet worden

Der Sprachwissenschaftler Professor Mark Louden erhält beim Deutschen Germanistentag in Bayreuth den Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis. Er ist einer der führenden Forscher zur deutschen Sprache in den Vereinigten Staaten. Einen Förderpreis erhält die slowenische Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Tanja Škerlavaj.

Einen Preisträger, der schon mit Franz Josef Strauß das Bayernlied gesungen hat – das gab es in der 22-jährigen Geschichte des Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preises wohl noch nie. Mark Louden, Professor für Germanistische Sprachwissenschaft und Direktor des Max-Kade-Instituts für deutsch-amerikanische Studien an der University of Wisconsin-Madison, ist der erste. Am 27. September 2016 wurde er an der Universität Bayreuth mit der renommierten Auszeichnung geehrt. Ebenso preiswürdig: die slowenische Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Tanja Škerlavaj. Sie erhielt den Jacob- und Wilhelm-Grimm-Förderpreis.

Es war Anfang der 1980er-Jahre bei der Amtseinführung von Friedrich Kardinal Wetter in München: Dort verbrachte Mark Louden gerade ein Studienjahr zur Erforschung des Bayerischen und sang in seiner Freizeit im Domchor. Nach dem Gottesdienst stand Mark Louden zufällig vor der Frauenkirche neben dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, und so kam es zu dem denkwürdigen gemeinsamen Singen von „Gott mit dir, du Land der Bayern...“, wie der Anfang der Freistaats-Hymne heißt.

Weltweite Variationen der deutschen Sprache

Loudens heutige Tätigkeit hat zwar immer noch viel mit Gottesfürchtigkeit zu tun, aber nichts mehr mit bairischen Dialekten: Louden ist einer der führenden Forscher zur deutschen Sprache in Amerika, derzeit arbeitet er mit internationalen Kollegen an einem Werk über „Varieties of German worldwide“. Louden beschäftigt sich aber vor allem auch mit dem Jiddischen und dem „Pennsylvania Dutch“. Das hat sich aus der Sprache vor allem westmitteldeutscher Einwanderer in die USA vor mehr als 200 Jahren entwickelt und wird heute nur noch von Mennoniten und Amischen gesprochen. Laudator Professor Peter Auer betonte bei der Preisverleihung in Bayreuth, dass Louden, der in Wisconsin Germanistik lehrt, „als Linguist Bedeutendes und Beeindruckendes geleistet“ habe, wies aber auch schmunzelnd darauf hin, dass Louden eigentlich ja ein „germanistischer Amerikanist“ sei, denn mit dem „Pennsylvania Dutch“ habe er eine „amerikanische Sprache“ zum Schwerpunkt seiner Studien gemacht. Nicht nur das: Louden ist selbst Mitglied einer mennonitischen Gemeinde und somit kultureller Vermittler.

Preisträger Mukherjee 2
DAAD/Thomas Engels

Joybrato Mukherjee, Vizepräsident des DAAD, überreichte Mark Louden den Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis

Dass er für all das nun den Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis erhält, war für Louden selbst „eine absolute Überraschung“. Er wertet dies für sich auch als „Aufbruch“: Der Preis ist nicht nur mit 10.000 Euro dotiert, er beinhaltet auch ein Stipendium für einen vierwöchigen Forschungsaufenthalt in Deutschland. Der ist bereits geplant: im kommenden Jahr in Marburg.

Gesellschaftlich relevante Forschung

„Die Arbeit von Mark Louden bleibt nicht bei der distanzierten Erforschung stehen, sondern findet auch praktischen Niederschlag in seiner Tätigkeit als Dolmetscher zwischen Pennsylvania Dutch und Englisch“, urteilte der Vizepräsident des DAAD, Professor Joybrato Mukherjee. Nicht nur Forschung zu betreiben, sondern auch praktische gesellschaftliche Relevanz anzustreben, entspricht ganz dem Geist des Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preises. Seine Namensgeber gelten nicht nur als die Gründerväter der Germanistik, auch sie übernahmen gesellschaftliche Verantwortung und engagierten sich in der 1848er-Revolution.

Wenn der DAAD in ihrem Namen jährlich einen Preis an Wissenschaftler verleiht, die sich nicht nur im Fach, sondern auch auf internationaler Ebene verdient gemacht haben, „so wollen wir damit auch ein Signal in die Geisteswissenschaften und besonders in die Germanistik hinein senden“, sagte der DAAD-Vizepräsident. „Gewissermaßen einen Impuls dafür geben, das Fach international zu denken und den Austausch über Grenzen und Kulturen hinweg zu pflegen.“ Auch die Trägerin des Förderpreises Dr. Tanja Škerlavaj zeichne es aus, „dass sie sich nicht auf linguistische Einzelanalysen beschränkt, sondern den Blick auf größere Zusammenhänge und weitere Horizonte richtet“.

Es ist die Mehrdeutigkeit unserer Sprache, der sich die slowenische Nachwuchswissenschaftlerin Tanja Škerlavaj angenommen hat. Neben der Arbeit an der Dissertation zur Sprache von Werbetexten und der Mehrdeutigkeit von Sprache war die junge Germanistin als Lektorin für deutsche Sprache und Prüferin für das Österreichische Sprachdiplom tätig, außerdem in einem Forschungsprojekt zur Bologna-Reform. Aktuell lehrt Škerlavaj an der Abteilung für Germanistik der Universität Ljubljana. „Eine, wenn nicht die vielversprechendste Nachwuchswissenschaftlerin in Slowenien und der Region“, nannte sie Laudator Professor Gerhard Lauer. Sie selbst sagt: „Ich bin sehr dankbar und sehe den Preis als Motivation weiterzumachen.“ Als Stipendiatin des DAAD konnte sie bereits Kontakte zu deutschen Hochschulen knüpfen, nun darf sie sich neben dem Preisgeld von 3.000 Euro auf einen weiteren Forschungsaufenthalt in Deutschland freuen.

Anja-Maria Meister (05. Oktober 2016)

Der Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis

Mit den Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preisen zeichnet der DAAD Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland aus, die sich neben ihrer fachlichen Leistung in besonderer Weise für die internationale Zusammenarbeit in den Fachbereichen Germanistik und Deutsch als Fremdsprache engagieren. Vergabejury ist der Beirat Germanistik des DAAD, der den DAAD in allen Belangen der Förderung von Germanistik und Deutsch an Hochschulen berät. Die Preise werden aus Mitteln des Auswärtigen Amts finanziert. Die Preisverleihung fand 2016 zum zweiten Mal im Rahmen des Deutschen Germanistentags statt, diesmal an der Universität Bayreuth. Laudator des Preisträgers war Professor Peter Auer, Ordinarius für Germanische Philologie und Direktor der „FRIAS School of Language & Literature“ an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg (Breisgau). Die wissenschaftlichen Leistungen der Nachwuchspreisträgerin würdigte der Vorsitzende des DAAD-Beirats Germanistik, Professor Gerhard Lauer, Professor für Neuere Deutsche Literatur am Seminar für Deutsche Philologie der Universität Göttingen.