Festveranstaltung in Paris: Gute Gründe zu feiern – vom ENA- bis zum Procope-Programm

Ambassade d'Allemagne/Brunet

Diskutierten über die deutsch-französische Partnerschaft in Europa (v. l.): Matthias Middell, Iris Barsan, Moderatorin Sunna Altnöder, Hélène Miard-Delacroix und Anne-Marie Descôtes

In der Residenz des deutschen Botschafters in Paris wurden gleich mehrere Partnerschaften des DAAD gewürdigt. Im Mittelpunkt stand dabei das 50-jährige Bestehen des DAAD-Programms mit der französischen Elitehochschule École nationale d’administration (ENA).

Sein Lob versteckte Helmut Kohl in einem Scherz. Von fünf deutschen „Enarchen“ werde er zurzeit „manipuliert“, meinte der damalige Bundeskanzler 1992 zur französischen Premierministerin Edith Cresson. Von Geheimnisverrat oder Infiltrierung konnte allerdings keine Rede sein:  im Gegenteil! Die fünf deutschen Absolventen der französischen Elitehochschule ENA gehörten im Kanzleramt zum engsten Beraterkreis des Regierungschefs, der gerne auf die politischen Analysefähigkeiten der „Enarchen“ zurückgriff. Diese sind bis heute an zahlreichen Schaltstellen in Deutschland zu finden: im Politikbetrieb, in Ministerien, auf hoher Verwaltungsebene, aber auch in führenden Positionen in Unternehmen.

Schon 1951, sechs Jahre nach ihrer Gründung, nahm Frankreichs legendäre Verwaltungshochschule École nationale d’administration (ENA) erstmals deutsche Bewerber auf. 1966 gewann dieses Studienangebot erheblich an Attraktivität hinzu. Der DAAD etablierte zusammen mit der ENA ein Stipendienprogramm. 383 Studierende haben seitdem mit einem DAAD-Stipendium die ENA besucht.

Enarchen für Europa

Rund 90 von ihnen fanden sich am 27. September zum Jubiläumsempfang anlässlich des 50-jährigen Bestehens des ENA-Programms im Palais Beauharnais, der Residenz des deutschen Botschafters, in Paris ein. Auch dies übrigens ein Ort, an dem deutsche Enarchen gewirkt haben. Reinhard Schäfers beispielsweise, der von 2008 bis 2012 hier als Botschafter amtierte, oder Andreas von Mettenheim, der von 1994 bis 1998 die  Presseabteilung leitete. Die Ausbildung an der ENA habe bei ihm den Entschluss bewirkt, in den Auswärtigen Dienst zu gehen, erzählte von Mettenheim am Rande des Empfangs. Seine Karriere führte ihn bis ins Amt des Botschafters in Rumänien. 

Viele der deutschen ENA-Absolventen haben sich in der „Gesellschaft der deutschen ehemaligen ENA-Schüler“ zusammengeschlossen. Andreas von Mettenheim ist ihr Vorsitzender. „Jeder einzelne Alumnus“, sagte er in seinem Grußwort, „bemüht sich in seinem Umfeld, einen Beitrag für die deutsch-französische Verständigung zu leisten.“ Zugleich wünschte er sich vom DAAD, dass dieser dem Programm auch weiterhin den Stellenwert einräume, „der ihm gebührt“.

Was bei der Präsidentin des DAAD, Professor Margret Wintermantel, zweifellos auf offene Ohren stieß, hatte sie doch zuvor viel Lobendes über das ENA-Programm geäußert. Viele der deutschen ENA-Absolventen seien „zu Mittlern und Fürsprechern der deutsch-französischen Idee“ geworden.

ENA-Programm: Festveranstaltung der DAAD-Außenstelle Paris

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DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel: Dank an die "Fürsprecher der deutsch-französischen Idee"

Bei dem Empfang, zu dem die Deutsche Botschaft und der DAAD geladen hatten, gab es allerdings noch mehr zu feiern. Zunächst einmal das 30-jährige Bestehen des Procope-Programms, das der DAAD in Kooperation mit Campus France 1986 erstmals aufgelegt hat. Seitdem sind über das Programm rund 4.100 deutsch-französische Wissenschaftsprojekte gefördert worden.

Dann das Exzellenz-Programm, das der DAAD im kommenden Jahr an der Universität Paris-Sorbonne einrichten wird. Neu eingerichtet wird an der französischen Traditionsuniversität dann auch ein DAAD-Lektorat im Fach Geschichte. Die Nähe des DAAD zur Sorbonne wird sich zudem ganz konkret manifestieren. In Kürze zieht die Pariser DAAD-Außenstelle in die „Maison de la Recherche“ um und wird sich dort die oberste Etage mit dem Centre interdisciplinaire d’études et de recherches sur l’Allemagne (CIERA) teilen. Für Professor Barthélémy Jobert, Präsident der Sorbonne, ist dieser Ortswechsel „sehr symbolträchtig“. Unter der Kuppel des alten Observatoriums öffne man nun ein Teleskop „Richtung Deutschland“.

Die Zukunft des Kontinents im Blick

Dem Anlass entsprechend lang war die Liste der Grußworte. Botschafter Dr. Nikolaus Meyer-Landrut rief dazu auf, Frankreich den Deutschen immer wieder „zu erklären“. Matthias Fekl, als Staatssekretär unter anderem verantwortlich für den französischen Außenhandel, mahnte, Deutschland und Frankreich müssten sich in Europa an die Spitze setzen, während Nathalie Loiseau, Direktorin der ENA, sich noch mehr deutsche Stipendiaten an der ENA wünschte.

Die anschließende Podiumsrunde widmete sich der Frage „Europa neu erfinden – eine Aufgabe für Entscheidungsträger in Deutschland und Frankreich?“ Dass sich Europa in einer Krise befinde, war Konsens unter den vier Diskutanten, über die Wege aus ihr heraus gab es unterschiedliche Meinungen. Hélène Miard-Delacroix, Professorin für deutsche Kulturgeschichte an der Sorbonne, meinte, Europa habe „die Menschen verloren“. Was man erreicht habe, werde von vielen gar nicht als Erfolg wahrgenommen: „Wir müssen von unten neu beginnen.“ Anne-Marie Descôtes, Generaldirektorin im französischen Außenministerium, forderte, bereits Beschlossenes umzusetzen: „Dann wären wir schon weiter.“ Iris Barsan, Jura-Dozentin der Université Paris-Est Créteil, kritisierte die „Top-down“-Entscheidungen in Brüssel, mahnte aber auch, nicht in einer Anspruchshaltung zu verharren: „Was sind die Bürger bereit, für Europa zu geben?“ Professor Matthias Middell, Direktor des Graduiertenzentrums Geistes- und Sozialwissenschaften der Research Academy Leipzig, merkte an, es räche sich, dass Europa zu lange „nach innen geschaut hat“.

ENA-Programm: Festveranstaltung der DAAD-Außenstelle Paris

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Viele Gespräche: Gelegenheit zum Austausch bestand bis zum Ausklang des Abends

Im Trubel des anschließenden Empfangs konnte man auch den drei aktuellen DAAD-Stipendiaten an der ENA begegnen: Joseph Dück, 28, der auf den Doppelabschluss in BWL und VWL studiert, Torsten Liebig, 28, und Axel Leisenberg, 27, beide Politikwissenschaftler. Joseph Dück will seine ENA-Erfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit in der Europäischen Union nutzen. Vom „Elitismus“ der ENA fasziniert war Torsten Liebig schon mit 16 Jahren, stellt jetzt allerdings fest: „Es wird auch an der ENA oft nur mit Wasser gekocht.“ Er möchte in den Auswärtigen Dienst. Axel Leisenberg empfindet es als „große Ehre“, an der ENA studieren zu können. Sein Ziel: „auf europäischer Ebene arbeiten“. Alle drei stehen nunmehr in der Tradition der deutschen ENA-Alumni. Deren Geschichte wird in einem mehr als 400 Seiten starken Erinnerungsbuch aufgeblättert, das die ENA rechtzeitig zum Jubiläum herausgegeben hat. Ein Kapitel trägt den Titel: „Une amitié solide – eine belastbare Freundschaft“.

Mathias Nofze (30. September 2016)