Deutsch-russische Hochschule in Kasan: Wertvoller Austausch für Wissenschaft und Wirtschaft

OVGU Magdeburg/Stefan Berger

Gemeinsam für GRIAT (v. l.): Jens Strackeljan, Rektor der Otto-von Guericke-Universität Magdeburg, Albert Gilmutdinov, Rektor der Nationalen Tupolew-Universität in Kasan, Dietrich Möller, Präsident von Siemens Russland, Peter Scharff, Rektor der Technischen Universität Ilmenau, und Stephan Geifes, Leiter des Bereichs "Transnationale Bildung und Kooperationsprogramme" im DAAD

Das vom DAAD von Anfang an geförderte und beratend begleitete „German-Russian Institute of Advanced Technologies“ (GRIAT) in Kasan schreibt seit 2014 eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte. Erstmalig wurde eine bi-nationale Fakultät in einem Industrieland aufgebaut. Das GRIAT profitiert nicht nur von einem sehr aktiven Hochschulaustausch, sondern auch vom großen Interesse der Wirtschaft an der Weiterentwicklung des Kooperationsprojekts. Erst kürzlich unterzeichnete Siemens ein „Memorandum of Understanding“ mit der deutsch-russischen Hochschule.

Es gibt viele gute Gründe, die für ein Studium am „German-Russian Institute of Advanced Technologies“ (GRIAT) in Kasan sprechen: So verbindet die Hochschule etwa die Stärken deutscher und russischer Ingenieurausbildung und bietet ein Studium mit moderner Anwendungsorientierung. Und nicht zuletzt steht das GRIAT seit seiner Gründung im September 2014 für einen krisenfesten deutsch-russischen Austausch, der auch in politisch schwierigen Zeiten anhält. Dies wird auch von führenden Wirtschaftsvertretern anerkannt. Ende April 2016 betonte Dr. Dietrich Möller, Präsident von Siemens Russland, in einem Interview mit der Zeitung „Wedomosti“, dass Russland mehr als nur ein Markt sei: „Europa und Russland sind natürlich Partner“, sagte Möller. Erst im März 2016 hatte der Spitzenmanager eine Vereinbarung mit dem GRIAT unterzeichnet.

Dietrich Möller und Professor Albert Gilmutdinov, Rektor der Nationalen Tupolew-Universität in Kasan, an der das GRIAT angesiedelt ist, unterschrieben ein „Memorandum of Understanding“. Es sieht vor, dass Siemens Russland jährlich vier Stipendien an ausgewählte Studierende vergibt, um ihnen ein Masterstudium am GRIAT und den Auslandsaufenthalt in Deutschland mit bis zu 8.000 Euro pro Person zu finanzieren. Es ist nicht die einzige Kooperation zwischen Siemens und der deutsch-russischen Hochschule. So stattet der Konzern etwa zwei GRIAT-Labore aus und es gibt auch Überlegungen, dass das in Kasan sehr aktive Unternehmen Plätze für Praktika – kombiniert mit einem Studienaufenthalt – anbietet.

Meilenstein in der Entwicklung deutscher Studienangebote im Ausland

Der intensive Austausch zwischen Wirtschafts- und Wissenschaftskompetenz ist alles andere als ein Zufall. Das GRIAT markiert einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung deutscher Studienangebote im Ausland: Erstmalig wurde eine bi-nationale Fakultät in einem Industrieland aufgebaut. Der DAAD hat das GRIAT von Anfang an beratend begleitet und fördert zudem aus Mitteln des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Programms „Transnationale Bildung – Studienangebote deutscher Hochschulen im Ausland“ Koordination und die Lehre durch deutsche Dozenten. So sind Strukturen entstanden, die die Mobilität von Lehrenden und Studierenden in beide Richtungen fördern, sagt DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland. „Dies ist umso wichtiger, als dass solche Kooperationen gewährleisten, dass auch in Zeiten politischer Spannungen der interkulturelle Dialog nicht abreißt.“ Von Seiten der Politik wurde die besondere Bedeutung des GRIAT bereits mehrfach hervorgehoben. So besuchte im April 2016 der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow während seiner Russlandreise auch das GRIAT, begleitet von zahlreichen Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Auf dem Wirtschaftsforum Thüringen-Tatarstan warb Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee dafür, die Zusammenarbeit im Maschinen-, Anlagen- und Werkzeugbau in den kommenden Jahren auf eine neue Qualität zu heben. Zu diesem Zweck eröffnete er das deutsch-russische Engineering-Zentrum am GRIAT. Dieses Ingenieurbüro soll das technische Know-how beider Länder zusammenführen und als Brückenkopf, vor allem mittelständischer Unternehmen,  zur Technologieszene Tatarstans dienen. Darüber hinaus ist das Engineering-Zentrum ein Bindeglied zwischen der universitären Ausbildung und der beruflichen Praxis. Russische Unternehmen wie der Energieversorger TATENERGO verweisen darauf, dass sie seit Jahren auf Technik „Made in Germany“ setzen und dringend Nachwuchs suchen, der an deutschen Anlagen ausgebildet wird. 

Seit seiner Gründung bietet das GRIAT in Kooperation mit seinen deutschen Partnerhochschulen vier Masterstudiengänge an: Die Studiengänge „Communication and Signal Processing“ sowie „Research in Computer and Systems Engineering“ bringt die Technische Universität Ilmenau, Konsortialführer des GRIAT, in den Lehrbetrieb ein. Von der Universität Magdeburg kommen die Studiengänge „Electrical Engineering“ sowie „Chemical and Energy Engineering“. Im September 2015 sind zwei weitere Studiengänge der deutschen Partnerhochschulen hinzugekommen: Die Programme „Automotive Engineering“ und „Systems Engineering and Cybernetics“. Für die kommenden Jahre ist geplant, das Angebot auf 14 Studiengänge zu erweitern. Während auf Englisch unterrichtet wird, ist auch Deutsch Teil des Lehrplans, da das dritte Fachsemester verpflichtend an der jeweiligen deutschen Partnerhochschule stattfindet. Weitere deutsche Universitäten sind an einer Partnerschaft interessiert. Die Technische Universität Kaiserslautern wird sich bereits von September 2016 an am GRIAT-Konsortium beteiligen und zunächst den Studiengang „Embedded Computing Systems“ anbieten.

„Zur Zusammenarbeit bereit“

Wie gut sich in der deutsch-russischen Hochschule Stärken der Partner verbinden, hebt auch Suad Shumareye, die im DAAD für GRIAT zuständige Referentin, hervor: „Die russischen Hochschulen sind traditionell stark in Ingenieurwissenschaften, wobei allerdings die Zusammenarbeit mit der Industrie, die eine Stärke der deutschen Hochschulen ist, noch ausgebaut werden kann. Gerade das macht Deutschland zum Partner der ersten Wahl: Die Entwicklung von Technologietransferzentren ist ein wichtiges Element der laufenden russischen Hochschulreformen.“ Suad Shumareye beobachtet, dass die durch das GRIAT ermöglichten wertvollen Internationalisierungsperspektiven auch Akteure der Wirtschaft besonders ansprechen. „Kasan ist ein industrielles Zentrum mit Schwerpunkten in der Erdöl- und Automobilindustrie. Die deutsche Industrie, ist an dem weiteren Aufbau der deutsch-russischen Universität aktiv interessiert und zur Zusammenarbeit bereit.“

13. Mai 2016