Dynamisches Asien: Strategien und Best-Practice-Beispiele in der Digitalisierung der Hochschulbildung

Eine von vielen Stationen: die Delegation der Reise zur Digitalen Bildung beim Besuch der Hong Kong Baptist University

Wie lassen sich digitale Bildungsangebote sinnvoll an den Hochschulen integrieren? Über den Status quo der Digitalisierung auf dem boomenden asiatischen Bildungsmarkt informierten sich während einer Delegationsreise deutsche Hochschulvertreter und Repräsentanten von Wissenschaftsorganisationen. Auf Initiative des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und mit Unterstützung des DAAD besuchten sie Hochschulen und Forschungslabore in Malaysia, Singapur und Hongkong.

Der papierlose Unterricht ist für Claudia Finner, Leiterin des DAAD-Informationszentrums Singapur und Lektorin an der National University of Singapore, weitgehend Realität: „Arbeitsblätter stellen wir Dozenten den Studierenden online zur Verfügung. Diese können sie sich dann runterladen und auf ihren Tablets bearbeiten“, erklärt sie. Es gehöre zum Selbstverständnis der Bildungspolitik Singapurs, dass Online und Blended Learning weit verbreitet sind. „Großen Wert legt man auch auf die Fortbildung der Unterrichtenden beim Einsatz dieser Methoden“, sagt Finner. Darüber hinaus habe man in Singapur stets einen pragmatischen Ansatz: Digitalisierung in Forschung und Lehre soll möglichst einen praktischen Nutzen haben. So stand beim Besuch der Delegation aus Deutschland auch die Vorführung von EVA auf dem Programm. EVA ist der Prototyp eines elektronischen Taxis für Singapur, entwickelt am TUM Create, dem gemeinsamen Forschungsprojekt der TU München mit der Nanyang Technological University, finanziert durch die National Research Foundation Singapore. „Prototyp nicht im industriellen Sinne, sondern als wissenschaftliches Forschungsobjekt“, erläutert Claudia Finner. „In einem solchen Taxi können die Fahrgäste zum Beispiel selbst die Temperatur der Klimaanlage einstellen und die Musik auswählen – alles digital über ihr Smartphone.“

Netzwerk des DAAD

Die Expertise der DAAD-Lektoren vor Ort und das Netzwerk des DAAD mit seinen Kontakten zu Multiplikatoren in Wissenschaft und Politik waren ausschlaggebend für den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, die Delegationsreise nach Asien mit GATE-Germany zu organisieren, dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Konsortium Internationales Hochschulmarketing von DAAD und Hochschulrektorenkonferenz (HRK). „Es ist uns gelungen, hochrangige Gesprächspartner zu vermitteln und die Reise inhaltlich gut zu betreuen“, resümiert Stefanie Nartschik-Mikami, Teamleiterin Marketing Services bei GATE-Germany. Das habe das positive Feedback der Delegationsteilnehmer, darunter der stellvertretende Generalsekretär des Stifterverbandes, Dr. Volker Meyer-Guckel, widergespiegelt. Die Generalsekretärin des DAAD, Dr. Dorothea Rüland, lobte die während der Reise vorgestellten Konzepte für digitale Lehr- und Lernangebote : „Die Asienreise hat gezeigt, dass erfolgreiche Digitalisierung gewollt sein und von Geldgebern und Hochschulleitungen unterstützt werden muss – und dass es einer Strategie bedarf, in der klare Ziele definiert werden. Zudem kommt es darauf an, finanzielle Anreize zu schaffen sowie die Motivierten zu fördern und den akademischen Nachwuchs einzubinden.“  

Die DAAD-Generalsekretärin beurteilt die Entwicklungen auch aus der Perspektive der Patin der Themengruppe „Internationalisierung und Marketingstrategien“ im „Hochschulforum Digitalisierung“. Das Hochschulforum ist eine gemeinsame Initiative des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft mit dem CHE Centrum für Hochschulentwicklung und der HRK Hochschulrektorenkonferenz. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Noch bis Ende 2016 tauschen sich dort mehr als 70 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik über die Auswirkungen der Digitalisierung für Lehre und Forschung an den Hochschulen aus. „In unserer Themengruppe beschäftigen wir uns mit zwei Leitfragen“, erklärt Stefan Hase-Bergen, Stellvertreter Rülands in ihrer Funktion als Themenpatin und Leiter der Geschäftsstelle GATE-Germany und des Bereichs Marketing im DAAD: „Wie kann die Digitalisierung die Internationalisierungsprozesse deutscher Hochschulen unterstützen? Und welche Möglichkeiten eröffnet die Digitalisierung dem internationalen Marketing deutscher Hochschulen?“ Die Asien-Reise habe eine wertvolle Gelegenheit geboten, Strategien und Best-Practice-Beispiele der digitalen Bildung aus wichtigen Partnerländern deutscher Hochschulen kennenzulernen.

Malaysia etwa verfolgt mit dem gesamten Komplex der Online-Learning-Formate eine „dezidierte Strategie, die in die nationale Bildungsoffensive eingebettet ist“, sagt Dr. Guido Schnieders, der bis Ende April das DAAD-Informationszentrum in Kuala Lumpur leitete und nun Leiter des Referats für Internationales Hochschulmarketing im DAAD in Bonn ist. Das malaysische Bildungsministerium steuert die Entwicklung der Hochschulen mittels konkreter Jahrespläne. Im aktuellsten dieser Pläne, dem „Malaysia Education Blueprint (Higher Education)“ für die Jahre 2015 bis 2025 spielen Internationalisierung und Digitalisierung eine zentrale Rolle. „Außerdem ist man in Malaysia bereit, dafür viel Geld auszugeben“, hebt Guido Schnieders hervor.

Innovationskraft der Universitäten

In der Hochschulpolitik Hongkongs liegt der Fokus auf der Digitalisierung der Lehre, berichtet Dr. Siegbert Klee, Leiter des DAAD-Informationszentrums Hongkong und Macau: „Wegen des hohen Guts der akademischen Freiheit und institutionellen Autonomie verfolgt Hongkong eher einen Bottom-up-Ansatz, bei dem die Hongkonger Regierung und das University Grants Committee auf die Innovationskraft und den Optimierungswillen der Universitäten vertrauen“, sagt Siegbert Klee. Die Lehrenden würden durch ein anreizbasiertes System dazu motiviert, die elektronischen Lehr- und Lernmittel einzusetzen. Auch für den internationalen Austausch nutzt man die Digitalisierung: Da sich viele Studierende kein ganzes Auslandssemester leisten können, kombinieren sie Online-Kurse zum Beispiel mit einem Sommerintensivprogramm, das einen „klassischen“ Studierenden- und Dozentenaustausch umfasst. Im Zentrum aller pädagogischen und technischen Anstrengungen stehe an den Hongkonger Universitäten immer, so Klee, der einzelne Studierende.

Für die digitale Internationalisierung

DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland ist von den vielfältigen Erkenntnissen der Delegationsreise beeindruckt. Für die weitere Entwicklung in Deutschland sieht sie wichtige Impulse: „Die Digitalisierung sollte gerade in der Internationalisierung genutzt werden, da sie auch nicht mobilen Studierenden internationale Erfahrung ermöglicht. Hierzu müssten in Deutschland vor allem Förderrichtlinien geändert werden: Nicht nur tatsächliche Mobilität sollte gefördert werden, sondern auch digitale Internationalisierung.“

Claudia Wallendorf (13. Mai 2016)