Leibniz-Preise für DAAD-Alumni: Professor Bénédicte Savoy im Porträt

DFG/Ausserhofer

Bénédicte Savoy: "Mich motiviert die Relevanz meiner Arbeit für die Gegenwart"

Unter den DAAD-Alumni, die 2016 mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ausgezeichnet werden, ist mit der Kunsthistorikerin Professor Bénédicte Savoy auch eine Wissenschaftlerin mit einem außergewöhnlichen deutsch-französischen Lebensweg. In Berlin begeistert Bénédicte Savoy ihre Studierenden – und möchte für ein Beutekunst-Projekt junge Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt nach Deutschland einladen.

Von Paris nach Berlin: Bénédicte Savoy trat diese Reise zum ersten Mal als Schülerin in den 1980er-Jahren an, für ein Austauschjahr in West-Berlin. Ein anderes Berlin lernte die Französin 1993 kennen, nach dem Fall der Mauer: Als Germanistikstudentin der École normale supérieure in Paris zog es sie mit einem Erasmus-Stipendium erneut in die deutsche Hauptstadt. „Ich war jung, Berlin unglaublich aufregend und ich wollte nicht mehr weg“, erzählt Bénédicte Savoy. So bewarb sie sich auch noch für ein DAAD-Stipendium in Berlin – mit Erfolg.   

Einatmen…

Mit 22 Jahren, dem französischen Universitätsabschluss Maîtrise und einem DAAD-Stipendium in der Tasche lebte die Pariserin 1994 in Berlin zum ersten Mal ganz auf eigenen Füßen. „Ich kam aus dem sehr kompetitiven französischen Bildungssystem und hatte meinen vorgezeichneten Weg seit der ersten Schulklasse bestens erfüllt. Aber in diesem Jahr habe ich intellektuell zum ersten Mal kaum etwas Messbares gemacht – und das war enorm wichtig für mich“, sagt Bénédicte Savoy, heute Professorin für Kunstgeschichte an der Technischen Universität (TU) Berlin und 2016 für ihre herausragenden Forschungsarbeiten ausgezeichnet mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Es war ein Jahr voller Aufbruchstimmung für die junge Akademikerin. Ein Jahr, in dem sie an nur einem Tag mit dem Rad von Berlin an die Ostsee fuhr oder an einem Theater einen Studentenjob in der Beleuchtungsabteilung hatte. Am Ende konnte sie auch Deutsch sprechen wie ein Handwerker aus Berlin-Spandau, erinnert sie sich lachend. „Meine Germanistikprofessoren in Paris erschraken zwar, aber dieses DAAD-Jahr war wie Einatmen für mich.“

…für eine herausragende wissenschaftliche Karriere

„Bénédicte Savoy erhält den Leibniz-Preis 2016 als eine der angesehensten und innovativsten Kunsthistorikerinnen gleich zweier Länder“, schreibt die DFG über die Preisträgerin. Viele Jahre des kreativen wissenschaftlichen Arbeitens folgten dem DAAD-Stipendienaufenthalt: Savoy verlegte ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin, promovierte zwar auf einer Forschungsstelle an ihrer Pariser Fakultät, hielt aber das dafür erforderliche Seminar wiederum an der Freien Universität Berlin. Ihr Forschungsthema in der französischen Germanistik machte es möglich zu pendeln – auf den Spuren eines Kulturtransfers der besonderen Art: des napoleonischen Kunstraubs in Deutschland.

Binnen kurzer Zeit erarbeitete sie sich damit die Aufmerksamkeit deutscher und französischer Kunsthistoriker und erhielt 2003 eine Juniorprofessor und 2009 den Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Moderne an der TU Berlin. Museumsgeschichte, Kunstgeschichte als Kulturgeschichte und Provenienzforschung wurden ihre Themen und machen sie heute zu einer gefragten Expertin, wenn es um die Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern geht – zum Beispiel im Fall der auch aus nationalsozialistischer Beutekunst bestehenden Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt, deren Entdeckung 2012 einen politischen Skandal nach sich zog.

„Mich motiviert die Relevanz meiner Arbeit für die Gegenwart“, sagt die Leibniz-Preisträgerin, die stets die Verbindung zu dem halten will, was die moderne Gesellschaft beschäftigt. „Wenn ich zweifle, stelle ich mir und auch meinen Studierenden die Frage: Warum arbeite ich darüber im Jahr 2016?“ Sie findet die Antworten und steckt mit ihrer Motivation und Begeisterung ihre Studierenden an – ein Talent, für das sie auch als Lehrende bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.

Verlust von Kunstschätzen

An der Förderung des akademischen Nachwuchses liegt ihr viel. Den Leibniz-Preis will die Kunsthistorikerin auch dafür einsetzen, die wackligen Stellen ihres wissenschaftlichen Teams zu stabilisieren. Zum anderen will sie junge Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker aus aller Welt für ein umfangreiches Projekt nach Berlin einladen: über Beutekunst und Kunstraub und die Zerstörung von Kunst- und Kulturgütern durch Krieg. Im globalen Kontext, aus der Perspektive der Opfer und von der Antike bis heute.

Dabei stehen Fragen im Mittelpunkt, die angesichts der Vernichtung und Ausbeutung von Kunst- und Kulturstätten wie Palmyra in Syrien aktueller nicht sein können: Wie fühlt sich eine Stadtgemeinde oder Nation, wenn ihr die Kunstschätze weggenommen werden? Wie drückt sich eine solche Verletzung aus? Und was sind die Lösungen? Müssen es Restitutionen und Rückgaben sein? Bénédicte Savoy sagt: „Kunst zirkuliert, und diese Verflechtung mit ihren Impulsen, die Begegnung, der Austausch, die Aneignung wie Ablehnung macht uns zu Menschen und muss uns Anfang des 21. Jahrhunderts interessieren.“

Bettina Mittelstraß (1. März 2016)