Folgenschwere Hürde

DAAD/Thilo Vogel

Mehr als eine Million Flüchtlinge sind 2015 nach Deutschland gekommen. Eine große Herausforderung, aber auch eine Chance für Staat und Gesellschaft. Denn es sind erfahrungsgemäß zuerst die besser Informierten, die besser Ausgebildeten, die besser Vernetzten, die die Risiken einer Flucht auf sich nehmen. Das lässt erwarten, dass unter den Flüchtlingen viele ein gutes Bildungsniveau haben. Bisherigen Hochrechnungen zufolge - wirklich belastbare Untersuchungen liegen noch nicht vor - bringen 30.000 bis 50.000 Menschen Voraussetzungen mit, die ihnen ermöglichen, ein Hochschulstudium aufzunehmen oder ihr Studium fortzusetzen.

Zwar handelt es sich damit um einen kleineren Teil der Flüchtlinge. Ihm kommt jedoch eine besondere Rolle zu: Erfolgreiche Bildungsbiographien, besonders in akademischen Berufen, können Modellcharakter für viele andere Menschen haben. Und wie Erfahrungen in Krisenstaaten zeigen, sind gerade bei jungen Menschen berufliche Perspektiven ein zentraler Faktor, sich zu engagieren und positiv in die Gesellschaft hineinzuwirken. Hinzu kommt, dass Hochschulen mit ihrem hohen sozialen Ansehen in unserer wie auch in anderen Gesellschaften eine zentrale Multiplikatorenwirkung ausüben.

Es ist also eine zentrale Aufgabe für die Hochschulen, studierfähige und studierwillige Flüchtlinge erfolgreich in den akademischen Bereich zu integrieren. Damit das gelingt, braucht es in erster Linie verlässliche Strukturen, die den Flüchtlingen Wege in die akademische Welt aufzeigen und ein erfolgreiches Bestehen in ihr möglich machen. Ausländische Studierende und insbesondere Flüchtlinge brauchen eine gute Betreuung. In den vergangenen Monaten haben sich Hochschulen darauf vorbereitet, und sie erhalten dabei viel Unterstützung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat 100 Millionen Euro für die Jahre 2016 bis 2019 zur Verfügung gestellt.

Die Integration lässt sich in vier Phasen unterteilen: die Einstiegsphase, die Vorbereitung, die Studienphase selbst und der Übergang in die berufliche Karriere.

Die erste Phase beginnt mit dem Erstkontakt an einer Hochschule, der Prüfung von Studierfähigkeit und Sprachkenntnissen. Dieser Einstieg beinhaltet die Prüfung von Dokumenten, die Ermittlung der akademischen Eignung sowie Lösungen, wenn die Dokumente nicht vorliegen. Für all diese Schritte gibt es erste Hilfestellungen über Prüfungs- und Testverfahren wie TestAS oder Uni-Assist, deren Kosten vom DAAD übernommen werden können. In dieser Phase, die vor allem von Diagnostik geprägt ist, werden die Weichen für das Studium oder aber eine Vorbereitungsphase gestellt.

Wer über keinen direkten Hochschulzugang verfügt, wird an ein Studienkolleg oder gleichwertige Einrichtungen verwiesen. Das BMBF finanziert hier 2400 zusätzliche Plätze pro Jahr. Ebenso werden den Hochschulen selbst Mittel zur Verfügung gestellt, um potenzielle Studierende durch Vorbereitungskurse fachlich wie sprachlich auf ihr zukünftiges Studium vorzubereiten (Programm Integration von Flüchtlingen ins Fachstudium- Integral. Solche Propädeutika werden auch bei jenen Interessenten häufig nötig sein, die formell über eine direkte Hochschulzugangsberechtigung verfügen (etwa Syrer mit einem guten Abschluss der Sekundarschule). aber ihre Ausbildung länger unterbrechen mussten. Diese Phase der Vorbereitung legt die Grundlage für einen erfolgreichen Studien verlauf. Das BMBF hat fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um studentische Initiativen und Mentorenprogramme zu fördern und das große und eindrucksvolle Engagement der deutschen Studierenden nachhaltig zu unterstützen und wenn irgend möglich auch durch Credits zu honorieren (Programm: Welcome- Studierende engagieren sich für Flüchtlinge). Denn zur Integration gehören auch der enge persönliche Kontakt und die Betreuung während des Studiums.

Und wie stellt sich die Lage zur Zeit an den Hochschulen dar? Trotz eines sehr großen Engagements aufseiten deutscher Hochschulen, die vieles sehr flexibel möglich gemacht haben, liegen die Immatrikulations-Zahlen bei den meisten von ihnen erst im zweistelligen Bereich; der große Ansturm bleibt aus. Es wäre jedoch gefehlt, daraus auf mangelndes Bildungsinteresse bei den Flüchtlingen zu schließen. Richtig ist vielmehr, dass sich einerseits die meisten Flüchtlinge noch mitten im Asylverfahren befinden. Dies könnte sich zum Herbst dieses Jahres ändern, denn die Asylverfahren sollen sich verkürzen. Andererseits verfügen viele Flüchtlinge noch nicht über die nötigen Deutschkenntnisse: Das Sprachproblem ist augenblicklich die vielleicht größte Hürde überhaupt und zugleich die folgenschwerste. Denn bei der Integration beginnt alles mit dem Erlernen der deutschen Sprache. Es ist mit einem erheblichen Zeitaufwand und Kosten verbunden und wird auch nicht vollständig von den Integrationskursen abgedeckt. da dort das benötigte Sprachniveau - in der Regel CI - nicht erreicht wird. Hier besteht nach wie vor eine große Lücke, die dringend geschlossen werden müsste. Dieser zusätzliche Förderbedarf in zweistelliger Millionenhöhe sollte dringend angegangen werden. Der Spracherwerb ist nicht allein ein erhebliches finanzielles Problem, sondern erfordert auch wesentlich mehr Lehrkräfte. Initiativen einzelner Hochschulen, oft durch Länderministerien gefördert, werden die Breite des Bedarfs nicht abdecken können.

von Dorothea Rüland

Dieser Artikel erschien in der DUZ vom 03.02.2016, gekürzte Fassung