Leibniz-Preise für DAAD-Alumni: Professor Frank Bradke im Porträt

DZNE/Laubertphoto

Frank Bradke: "Für mich als Student war damals das DAAD-Stipendium in London der Traum"

Deutschlands wichtigster Forschungsförderpreis, der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis, geht 2016 unter anderen an vier DAAD-Alumni: an den Neurobiologen Frank Bradke, die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, die Biochemikerin Marina Rodnina und den Rechtswissenschaftler Christoph Möllers. Für alle war die DAAD-Förderung ein Meilenstein auf ihrem beruflichen Weg. DAAD Aktuell stellt die Preisträger mit einer Serie vor. In Teil eins: Frank Bradkes Werdegang zu einem der renommiertesten Molekularbiologen weltweit – und der entscheidende Anteil eines Auslandsaufenthalts in London.

Er war noch ein Schüler, als er in der Urania – seit 1888 Zentrum für den Dialog von Wissenschaft und Öffentlichkeit in Berlin – einen Vortrag über die Entwicklung des Nervensystems hörte. Das Thema hat ihn nie wieder losgelassen. „Ich wollte seitdem wissen, wie wir denken können und wie unser Gehirn funktioniert“, erzählt Frank Bradke, heute Professor für Neurobiologie an der Universität Bonn und Leiter einer Forschungsgruppe am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Das zur Helmholtz-Gemeinschaft gehörende Zentrum widmet sich der grundlegenden Erforschung von Gehirnerkrankungen mit Blick auf die Entwicklung neuer Therapien und neue präventive Ansätze.

Nervenleitungen zum Wachstum anregen

Frank Bradkes Forschungsinteresse gilt der Entwicklung der Nervenbahnen. Bei Verletzungen des zentralen Nervensystems – im Rückenmark oder Gehirn – regenerieren sich die Nervenleitungen nicht wie im peripheren Nervensystem. Bei einem Schnitt in den Finger kommt das Gefühl nach einer Weile zurück, erklärt Bradke. „Im Rückenmark bleiben die Nervenzellen aber wie sie sind, die Nervenfortleitungen wachsen nicht wieder aus.“ Warum ist das so? Und muss das so bleiben? – fragt sich der Forscher. „Denn im Embryo wachsen die Nervenfortleitungen problemlos und verbinden in der Entwicklung die einzelnen Nervenzellen zu einem Netzwerk.“ Der gebürtige Berliner arbeitet seit 2011 mit seiner Forschungsgruppe am DZNE daran, ob und wie man dieses Entwicklungsprogramm reaktivieren und die Nervenleitungen zum Wachstum anregen kann. Zahlreiche Untersuchungen brachten bereits wertvolle Ergebnisse auf dem langen Weg zu neuen therapeutischen Ansätzen bei Querschnittslähmung: Bedeutende Schritte, für die Frank Bradke 2016 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) den begehrten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis erhält.

„Das Studium in London legte den Grundstein“

Für seine Karriere hatte die Entscheidung, als Student einen Einblick in die britische neurobiologische Forschung zu bekommen, zentrale Bedeutung. „In Berlin wurde Anfang der 1990er-Jahre zu meinem Interessensgebiet noch nicht so intensiv geforscht“, erinnert sich Frank Bradke. Deshalb bewarb er sich nach dem Vordiplom für ein DAAD-Jahresstipendium in England und studierte von 1993 bis 1994 am University College London. „In diesem Jahr habe ich mehr gelernt als in der Zeit davor – das Studium in London hat den Grundstein für meinen Werdegang gelegt.“ Dabei war der Londonaufenthalt zunächst gar nicht anvisiert. Bradke hatte sich für ein Stipendium in Canterbury beworben, aber dann erfahren, dass Forschung und Lehre am University College London wertvoller für ihn waren. Bis heute ist er dem DAAD dankbar, dass die Umorientierung in letzter Minute kein Problem war. „Ich konnte meine erste Begründung über den Haufen werfen und ohne mit der Wimper zu zucken wurde mir auf meinen Wunsch hin das Stipendium für London gewährt.“ Das University College belohnte den deutschen Studenten für seinen Wissensdurst mit einem Bachelor-Abschluss in Anatomie und Entwicklungsbiologie. Den wissenschaftlichen Austausch nach London pflegt Frank Bradke bis heute.

Im Anschluss an sein Diplom in Berlin promovierte Frank Bradke in Heidelberg am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) – die zweite wichtige Weichenstellung für den Neurobiologen, der von dort aus im Jahr 2000 als Postdoc wieder ins Ausland an die University of California in San Francisco und die Stanford University ging. Vor seiner Berufung als Professor an die Universität Bonn und zum Gruppenleiter am DZNE forschte Bradke in leitender Funktion am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried. Er erhielt bedeutende Auszeichnungen für seine Forschung, ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und in der Europäischen Organisation für Molekularbiologie (EMBO).

Frank Bradke gehört heute zu den renommiertesten Molekularbiologen weltweit. Was er mit dem Leibniz-Preis machen wird, entscheidet er noch. „Darüber muss ich jetzt in Ruhe nachdenken“, sagt der ausgezeichnete Forscher. Sicher ist, dass der Preis wohl wieder einen Traum seines Forscherherzens erfüllt. „Für mich als Student war damals das DAAD-Stipendium in London der Traum. Das hat mich enorm geprägt und war ganz wichtig für mich.“

Bettina Mittelstraß (12. Februar 2016)