Interview mit David Capitant: „Ein Studium in zwei Sprachen erweitert den Horizont“

Deutsch-Französische Hochschule

Professor David Capitant leitet seit 1. Januar 2016 stellvertretend die Dachorganisation und Fördereinrichtung „Deutsch-Französische Hochschule“

Am 1. Januar 2016 hat Professor David Capitant, der an der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne öffentliches Recht lehrt, das Amt des Vizepräsidenten der Deutsch-Französischen Hochschule angetreten. Im Interview spricht er über deutsch-französische Hochschulbeziehungen, Patenschaften und die Frage, warum in Deutschland für ihn immer die Sonne scheint.

Herr Professor Capitant, Sie engagieren sich seit vielen Jahren für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Was hat Ihr Interesse für Deutschland geweckt?

David Capitant: Sicherlich hat der Zufall eine gewisse Rolle gespielt, aber vor allem die zahlreichen Angebote zur Förderung der deutsch-französischen Freundschaft. Wie bedeutend sie waren, wird einem erst rückblickend richtig klar. Meine Familie hatte keine direkte Verbindung zu Deutschland. Doch ich lernte Deutsch in der Schule als erste Fremdsprache, und so reiste ich als Schüler häufig nach Deutschland. Mehrere Jahre in Folge war ich zu Besuch in Bad Godesberg, jeweils im Sommer. So wurde Deutschland für mich das Land, in dem immer die Sonne scheint – dabei bin ich an der Côte d’Azur aufgewachsen. Nach meinem Jurastudium absolvierte ich das Austauschprogramm zwischen dem Deutschen Bundestag und der Französischen Nationalversammlung. Von dort war es nur noch ein kleiner Schritt zu dem Entschluss, bei dem namhaften Pariser Juristen Michel Fromont zu den deutschen Grundrechten zu promovieren.

Ihr Forschungsaufenthalt in Heidelberg wurde durch ein DAAD-Stipendium ermöglicht. Welche Rolle spielt der DAAD für Ihren deutsch-französischen Werdegang?

Ohne dieses Stipendium wäre es für mich schwierig gewesen, den Aufenthalt am Max-Planck-Institut in Heidelberg zu finanzieren, der für meine Promotion notwendig war. Erst in dieser Zeit ist mein Interesse für Deutschland zu einer echten kulturellen und beruflichen Kompetenz gereift. Ohne das Stipendium wäre mein Lebensweg anders verlaufen.

Sie sind an Ihrer Universität für zwei deutsch-französische Studiengänge zuständig. Welche fachlichen und beruflichen Kompetenzen erwerben die Studierenden dieser Programme?

Das deutsch-französische Doppelabschlussprogramm zwischen den Universitäten Paris 1 Panthéon-Sorbonne und Köln hat im vergangenen Jahr sein 25-jähriges Bestehen gefeiert. Jedes Jahr werden 30 deutsche und 30 französische Abiturienten in das Programm aufgenommen. Sie studieren zunächst zwei Jahre deutsches Recht in Köln, danach zwei Jahre französisches Recht in Paris. Auf deutscher Seite erwerben sie den Bachelor, auf französischer den M1 (erstes Jahr des Masters). Danach können sie ihre juristische Ausbildung in Frankreich, Deutschland oder in einem Drittland fortsetzen. Auch an Wirtschafts- und Politikhochschulen sind unsere Absolventen gerne gesehen. Entsprechend vielfältig sind die Berufswege als Rechtsanwälte, Wirtschaftsjuristen, Jura-Professoren, aber auch als Journalisten oder Unternehmer.

Das zweite Programm, MEGA (Master of European Governance and Administration) genannt, ist ein Weiterbildungsmaster für Beamte der öffentlichen Verwaltung aus Deutschland, Frankreich und weiteren EU-Ländern. Wir bieten ihn gemeinsam mit der École Nationale d'Administration (ENA), der Universität Potsdam, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung BAköV an. Ziel ist es, europäische Führungskräfte für die immer komplexeren Beziehungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten auszubilden.

Sie sitzen im Verwaltungsrat des 2013 gegründeten Vereins „DAAD Alumni France“. Wie sehen Sie die Zukunft dieses jungen Vereins?

Die Stärke des Vereins ist die Vielfalt der fachlichen Profile, die unter der engagierten Präsidentschaft von Nadine Magaud vereint werden. „DAAD Alumni France“ gelingt es bestens, sich im Umfeld der vielen anderen Alumni-Vereine zu behaupten. Ein sehr erfolgreiches Projekt ist das Patenschaftsprogramm, bei dem französische Alumni deutschen Stipendiaten helfen, sich in Frankreich einzuleben.

Am 1. Januar 2016 übernahmen Sie das Amt des Vizepräsidenten der Deutsch-Französischen Hochschule, einer Dachorganisation und Fördereinrichtung. In zwei Jahren werden Sie ihr Präsident. Was möchten Sie in Ihrer Amtszeit erreichen?

Die Deutsch-Französische Hochschule (DFH), das sind 6000 Studierende aller Fachrichtungen jedes Jahr, in Studiengängen, die eine deutsche und eine französische Hochschule gemeinsam entwickelt haben. Der Mehrwert liegt in der deutsch-französischen Kompetenz und darin, wie sehr sich der Horizont durch ein Studium in zwei Kulturen und zwei Sprachen erweitert. Die meisten unserer Absolventen werden nicht in erster Linie für den deutsch-französischen Arbeitsmarkt ausgebildet, sondern für eine Tätigkeit im internationalen Bereich.

Ich wünsche mir, dass die DFH sich noch stärker im Bereich der Forschung engagieren möge. Die Studierenden der integrierten Studiengänge sollten schrittweise in eigenes Forschen eingeführt werden. Die DFH sollte auch dazu beitragen, Antworten auf aktuelle Fragen wie etwa die Integration von Flüchtlingen zu finden. Der deutsch-französische Ministerrat hat die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und den ehemaligen französischen Premierminister Jean-Marc Ayrault kürzlich beauftragt, deutsch-französische Projekte in dem Feld zu entwickeln. Hier kann die DFH mit ihrem Netz von Mitgliedshochschulen in beiden Ländern einiges beitragen, etwa durch gemeinsame Forschungsprojekte oder durch die Entwicklung von Unterrichtsmodulen zu Integrationsfragen. Das alles geht aber nicht ohne ausreichende Finanzierung.

Mathias Nofze (4. Januar 2015)

Stand: 21.01.2016