„DAAD-Lektoren berichten aus…“: Kasan – Thilo Zinecker

Victor Brig

Thilo Zinecker mit Studierenden: "Ich habe hervorragende Gruppen"

Kasan, westlich des Uralgebirges gelegene Hauptstadt der autonomen Republik Tatarstan, ist ein „Hotspot der russischen Hochschullandschaft“. Das sagt DAAD-Lektor Thilo Zinecker. Nur Wenige kennen diese Hochschullandschaft so gut wie Zinecker, der auch das DAAD-Informationszentrum Kasan leitet.

Der Hochschulstandort Kasan vibriert: Vor den Toren der Stadt entsteht derzeit ein russisches Silicon Valley namens Innopolis University. Zudem wurden die Technische Universität und die Technologische Universität von Russlands Regierung in den privilegierten Rang „Nationaler Forschungsuniversitäten“ erhoben. Die Föderale Universität bekam einen Sonderstatus zuerkannt, mit dem Auftrag, sich künftig unter den Top 100 internationaler Elite-Hochschulen zu platzieren. Und  an der Kasaner Staatlichen Technischen Forschungsuniversität wurde 2014 die deutsch-russische Universität German-Russian Institute of Advanced Technologies (GRIAT) gegründet – auch begleitet durch Förderung des DAAD. Ein spannendes Arbeitsfeld für Thilo Zinecker: Der Lektor leitet das an der Föderalen Universität angesiedelte Informationszentrum (IC) des DAAD. „Kasan ist derzeit ein Hotspot der russischen Hochschullandschaft, da macht die Arbeit großen Spaß“, sagt Zinecker.

Großes Interesse deutscher Hochschulen

Seit zehn Jahren arbeitet der 44-Jährige in Russland – erst als Lektor der Robert-Bosch-Stiftung, dann als Lehrkraft der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen an Schulen und schließlich für den DAAD. „Russland hat mich interessiert, seitdem ich mit meinen Eltern in den 80er-Jahren durch die Sowjetunion reiste“, erzählt der gebürtige  Niedersachse. Seit 2013 führt Zinecker das IC, das unter anderem über DAAD-Fördermöglichkeiten informiert, Tagungen, Seminare und internationale Konferenzen organisiert sowie russische Forschungsinstitutionen und Hochschulen berät. Diese Aufgabe hält ihn und seine beiden Mitarbeiterinnen gut auf Trab. Zinecker begleitet Delegationen deutscher Universitäten, Bundestagsabgeordneter und Stiftungen, die sich in Kasan informieren wollen. „Das Interesse der deutschen Hochschulen ist sehr groß“, konstatiert er. Universitäten wie Regensburg, die langjährige Partneruniversität Gießen und die Freie Universität Berlin suchen immer wieder gerne Forschungspartner in der 1,1-Millionen-Einwohner-Stadt.

Zinecker präsentiert den DAAD auch auf internationalen Bildungsmessen und bereist die untere und mittlere Wolga-Region, um DAAD-Programme vorzustellen. Zudem organisiert er zwei Regierungsstipendienprogramme der Republik Tatarstan, die pro Jahr bis zu 70 Studierenden und jungen Wissenschaftlern den Aufenthalt in Deutschland ermöglichen. „Die Anfragen aus der Region, Präsentationen zum Thema Studium in Deutschland zu halten, haben deutlich zugenommen“, sagt der IC-Leiter – und dies trotz der derzeit belasteten Beziehung zwischen Russland und der EU und dem Verfall der russischen Währung. Eine Frage besorgter russischer Eltern, auf die er stattdessen Antworten geben muss, sei beispielsweise, ob angesichts der vielen Flüchtlinge das Studium in Deutschland überhaupt sicher sei. „Wir versuchen, ihnen diese Ängste zu nehmen“, sagt Zinecker.

Auch stark im Sport

Weil seine Aufgabe als IC-Leiter sehr zeitaufwendig ist, hat Thilo Zinecker seine Lektorentätigkeit zeitlich reduziert. Unterrichtete er einst bis zu 20 Wochenstunden Deutsch, sind es heute nur noch sechs. Der Spaß ist jedoch ungebrochen groß: „Ich habe hervorragende Gruppen, freue mich auf den Unterricht und versuche meine Studierenden für ein Studium in Deutschland zu begeistern“, sagt der Lektor. Überhaupt fühlt sich Zinecker, der an der Universität Göttingen auch Sport studierte, äußerst wohl in Tatarstan. „Kasan ist mittlerweile Russlands Hauptstadt des Sports, weil hier zahlreiche Großveranstaltungen wie die Schwimm- und die Fecht-Weltmeisterschaft stattfanden“, sagt er. Zinecker als begeistertem Sportfan kommt so etwas entgegen. Deshalb vernahm er auch die jüngste Ankündigung tatarischer Politiker mit Begeisterung: Demnach will sich Kasan für die Olympischen Sommerspiele bewerben. „Das sollte man in jedem Fall Ernst nehmen“, meint er. Seine Wahlheimat könnte damit für weitere Ausrufezeichen sorgen.

Benjamin Haerdle (15. Dezember 2015)