DAAD-Alumnus Owen Gump: Ausstellung und Auszeichnung

Owen Gump

Owen Gump, "Horizon Study No. 1 (Pt. Reyes)", 2015, C-Print, 40.6 x 50.8 cm (Ausschnitt)

„Ich bin ein Späteinsteiger“, sagt Owen Gump über seinen Weg zur Fotografie. In Seattle studierte der 1980 geborene Kalifornier zunächst Städteplanung und musste dafür Gebäude dokumentieren. Das Fotografieren faszinierte ihn. Er absolvierte einen Kursus in  Architekturfotografie und bewarb sich für ein DAAD-Stipendium an der Kunstakademie Düsseldorf. Im Anschluss daran machte er sein Diplom an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Heute lebt und arbeitet er als freischaffender Fotograf in Berlin und Nordkalifornien. Für seine Landschaftsaufnahmen erhält Gump am 27. November 2015 den renommierten Kunstpreis der Leipziger Volkszeitung im Museum der bildenden Künste Leipzig. Unter dem Titel „El Niño“ ist dort im Anschluss bis zum 28. Februar 2016 eine repräsentative Auswahl seiner Arbeiten zu sehen.

Herr Gump, Sie haben mit einem DAAD-Stipendium drei Semester an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert. Inwiefern hat das Ihren beruflichen Werdegang beeinflusst?

Owen Gump: Ich hatte bereits in den USA von der Düsseldorfer Kunstakademie gehört. Thomas Ruff und die „Becher-Schule“ – benannt nach dem Künstlerpaar Bernd und Hilla Becher – waren mir ein Begriff. Die Rolle der Kunst hat in Deutschland eine andere Tradition als in Amerika. Sie steht in einem anderen Verhältnis zur Gesellschaft, setzt sich mit ihr auseinander und folgt einem anderen pädagogischen Bild. Ich habe bei Thomas Ruff und Walter Nikkels studiert. Die künstlerischen Impulse, die ich dort bekommen habe, haben mich darin bestärkt, mein Kunststudium fortzusetzen. Das hat mich auf meinen heutigen Weg gebracht und war tatsächlich ein Umbruch und eine Weichenstellung für mein Leben.

Vom Rheinland nach Ostdeutschland: Nach dem DAAD-Stipendium in Düsseldorf sind Sie nach Leipzig gegangen und haben an der dortigen Hochschule für Grafik und Buchkunst Ihr Diplom gemacht. Wie haben Sie Deutschland erlebt? Was war ausschlaggebend für Sie, in Deutschland zu bleiben?

Nach meinem Studium im Rheinland war Ostdeutschland atmosphärisch ganz anders. Im Rheinland ist man sehr offen, in Ostdeutschland vielleicht eher etwas verschlossen. Damals vor zehn Jahren waren auch die wirtschaftlichen Unterschiede größer. Ich kam zu einer Zeit nach Leipzig als gerade die „Ostalgie“ aufkam. Ich als Ausländer hatte dazu aber keinen Bezug und habe mich da immer als neutralen Außenstehenden gesehen. Überraschend war für mich, dass es in so einem kleinen Land doch so große regionale Unterschiede gibt. Aber ich will das jetzt nicht nur an West- und Ostdeutschland festmachen. Ich glaube, regional bedingte Mentalitätsunterschiede gibt es auch zwischen Nord- und Süddeutschland. In Deutschland sehe ich weitaus mehr Möglichkeiten, künstlerisch zu arbeiten als in Amerika. Hier gibt es ein starkes Geflecht zwischen Kunsthochschulen, Galerien und Institutionen wie Museen und Kunstvereinen. Man hat Interesse daran, jungen Künstlern Ausstellungsmöglichkeiten zu bieten. Deshalb bin ich in Deutschland geblieben.

Fotografie: DAAD-Alumnus Owen Gump

℅ Lonelyfingers.com

Owen Gump: "Ich bin ein bildender Künstler, der mit Fotografie arbeitet"

Auf Ihren Fotos sind selten Menschen zu sehen. Wo würden Sie sich als Fotograf einordnen?

Ich interessiere mich sehr für Landschaften und bin wohl im weitesten Sinne ein Landschaftsfotograf, allerdings suche ich dabei nicht das Pittoreske. Landschaft ist für mich die Begegnung von Mensch und Natur, wobei der Einfluss des Menschen sichtbar wird. Man könnte auch sagen, meine Landschaftsaufnahmen zeigen die Struktur der Natur, wie sie vom Menschen geändert wurde. Ich bin ein bildender Künstler, der mit Fotografie arbeitet. Das ist für mich ein Medium, ein Mittel zum Zweck.

In einem früheren Interview nennen Sie die Literatur als große Inspirationsquelle für Ihre Arbeit. Ist das heute noch so? Wie würden Sie Ihre Vorgehensweise beschreiben?

Das gilt auch heute noch. Wie keiner anderen Kunst gelingt es Literatur, Dinge freizulegen, Narrative zu konstruieren, ein Bild ohne Bilder zu gestalten. Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur – eines der großen Themen in Amerika – spiegelt sich in der Landschaft wider. Ich verbringe mehrere Monate im Jahr in Nordamerika, einerseits, um meine Familie zu besuchen, andererseits, um durch den Westen zu fahren und Landschaftsaufnahmen zu machen. Am Anfang steht immer eine Idee, ein Konzept. Das macht allerdings nur 30 bis 40 Prozent aus. Ich vertraue auch auf meine Intuition, möchte mich überraschen lassen, offen sein für Spontanes. Es muss auch Raum da sein für Momentaufnahmen. Auf die wartet und hofft man ja immer. Diese Momente zu erkennen ist eine Sache der Wahrnehmung, die auch ein Fotograf immer wieder schärfen muss.

Ihre Ausstellung im Museum der bildenden Künste in Leipzig trägt den Titel „El Niño“. Was erwartet die Besucher?

In meiner Ausstellung zeige ich Werke der letzten zehn Jahre. Das umfasst alle Themen, mit denen ich mich beschäftigt habe. „El Niño“ bezeichnet ja dieses Wetterphänomen, das Klima und Umwelt massiv beeinflusst. Es ist hier allerdings nicht konkret gemeint, sondern setzt den assoziativen Rahmen für meine Arbeiten. Für mich ist es eine Auseinandersetzung darüber, wie unser Verhältnis zum Normalen ist und worin das Verhältnis von der Norm zur Ausnahme besteht. Wie stark sind die menschlichen Einflüsse auf dieses Phänomen? Passen wir uns an diese Verhältnisse an oder ignorieren wir sie? Das sind Fragen, die sich auch den Betrachtern stellen könnten. Dieser Titel ist also kein Konzept, sondern markiert ein Ideenfeld.

Interview: Claudia Wallendorf (24. November 2015)