Wert des Rechts, Wert des Austauschs

DAAD/Annarita Jenco

Alumnus Luigi Malferrari, Mitglied des juristischen Dienstes der Europäischen Union, bei seinem Vortrag an der LUISS

Das 7. DAAD-Alumni-Treffen für Juristen bot Außergewöhnliches: Rund 150 Alumni trafen sich in Rom; die Mehrheit reiste eigens aus Deutschland an. Sie erlebten nicht nur einen anspruchsvollen Austausch mit ihren italienischen Fachkollegen und einen Vortrag des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Professor Udo Di Fabio, sondern lernten die „Ewige Stadt“ auch durch eindrucksvolle Exkursionen kennen.

Rom zeigte Flagge: An den unterschiedlichsten Gebäuden wehte in diesen spätsommerlichen Tagen die europäische Fahne, etwa am Museum Palazzo Massimo, am Justizpalast oder am italienischen Landwirtschaftsministerium. Auch auf dem Campus der Libera Università Internazionale degli Studi Sociali Guido Carli (LUISS) war der goldene Sternenkranz auf blauem Grund zu sehen. Und das passte an diesem Septemberwochenende besonders gut, denn in der Aula der LUISS wurde während des Alumni-Treffens des DAAD intensiv über Europa nachgedacht und miteinander gesprochen. „Recht und Moral in einem interkulturellen Europa“ lautete der Titel des Treffens der Juristen.

Es war eine außergewöhnliche Gelegenheit zum deutsch-italienischen Austausch, aber auch mit Kollegen, die der Beruf in andere Länder geführt hat, etwa in die Schweiz, nach Belgien, oder in die Russische Föderation. Die Alumni unternahmen eindrucksvolle Exkursionen: zum Senat, in die Vatikanischen Gärten, zum Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur sowie durch das antike Rom. Diese Führung wurde von keinem Geringeren geleitet als Professor Ortwin Dally, DAAD-Alumnus und Leitender Direktor der Abteilung Rom des Deutschen Archäologischen Instituts.

DAAD-Alumni-Treffen für Juristen in Rom

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Ortwin Dally (r.) führte Christian Bode und die Alumni über das Forum Romanum

„Eine wirkliche Weltgesellschaft“

Die Bedeutung der „Ewigen Stadt“ als „Wiege des römischen Rechts, in der die Rechtssysteme Europas ihre Grundlage haben“, hob zum Auftakt des Treffens DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel hervor, die die Alumni gemeinsam mit der deutschen Botschafterin Dr. Susanne Wasum-Rainer und LUISS-Rektor Professor Massimo Egidi begrüßte. Auch mit Blick auf die sich aktuell dramatisch zuspitzende Flüchtlingskrise sprach Wintermantel von einer besonderen Verantwortung der Alumni: „Wer wie Sie durch studienbezogene Auslandsaufenthalte über den Tellerrand geschaut hat, trägt zur Bildung einer wirklichen Weltgesellschaft bei, die den hohen Anforderungen der Zukunft gewachsen sein kann, gewachsen sein wird.“

DAAD-Alumni-Treffen für Juristen in Rom

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Udo Di Fabio hielt einen pointierten Eröffnungsvortrag, dem auch Alumnus Franco Reale hochkonzentriert folgte

Diese Weltgesellschaft braucht den Austausch, den die Alumni-Treffen der Juristen besonders fördern. Beim letzten Beisammensein in Freiburg 2012 wurde die Idee zum Treffen in Rom geboren und in der Folge insbesondere vom Alumnus Franco Reale umgesetzt. Der ehemalige Student der Universitäten Osnabrück und Florenz sowie der römischen Universität „Tor Vergata“ ist heute für eine auf den deutsch-italienischen Rechtsverkehr spezialisierte Kanzlei in der italienischen Hauptstadt tätig. In enger Zusammenarbeit mit dem Veranstaltungsreferat des DAAD und dem DAAD-Informationszentrum Rom gestaltete Reale das Programm des Alumni-Treffens, das zudem von der Beratung durch Dr. Christian Bode, von 1990 bis 2010 Generalsekretär des DAAD und seit 2012 Vorsitzender des DAAD-Freundeskreises, profitierte. Während Bodes Amtszeit als Generalsekretär wurde die Förderung der deutschen Juristen mehr und mehr auf verschiedene Länder ausgeweitet. Die größte Gruppe der in Rom versammelten Alumni hat ihre Stipendiatenzeit in Großbritannien verbracht. Bode machte deutlich, was viele der Alumni besonders verbindet: „Die Mehrheit hat in der europäischen Wertegemeinschaft eine Auslandserfahrung gemacht.“

DAAD-Alumni-Treffen für Juristen in Rom

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Auch die ausgelassene Stimmung beim gemeinsamen Abendessen gehört zu den Alumni-Treffen des DAAD

Gegen den antieuropäischen Populismus

Über das Zusammenkommen von Vielfalt und verbindlichen Werten hatte im Eröffnungsvortrag des Alumni-Treffens bereits Udo Di Fabio mit Verve gesprochen. Der Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn zählt in Deutschland zu den profiliertesten Stimmen im Diskurs über das Verhältnis von Recht und Gesellschaft; von 1999 bis 2011 war Di Fabio Bundesverfassungsrichter und formulierte etwa das Urteil zum europäischen Vertrag von Lissabon vor. In Europa sei zwar ein polyzentrisches Regierungssystem installiert worden, so Di Fabio in Rom, dies aber „im einheitlichen Rahmen der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“. Gerade weil in Europa die Gefahren von Fragmentierung und Abschottung drohten, unter anderem befeuert durch populistische Bewegungen, sei es wichtig, die europäische Idee zu erklären. Di Fabio warnte davor, Werte wie individuelle Freiheit, persönliche Entfaltung und demokratische Selbstbestimmung zu relativieren: „Der westliche Lebensstil ist nicht nur ein Konsumstil.“

Der Wert der persönlichen Entfaltung in der Wissenschaft wurde während des Alumni-Treffens mehrfach deutlich. Auch durch die Verleihung des Ladislao Mittner-Preises an die beiden italienischen Rechtswissenschaftler Dr. Alberto De Franceschi und Professor Riccardo Omodei Salè, zu der die Alumni von Annette Schavan, Deutschlands Botschafterin beim Heiligen Stuhl und zuvor langjährige Bundesministerin für Bildung und Forschung, empfangen wurden. (Einen Artikel zur Verleihung des Mittner-Preises finden Sie demnächst auf DAAD Aktuell.) Im Garten der Botschaft berichtete DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel zudem von dem von ihr wenige Stunden zuvor unterzeichneten „Memorandum of Understanding“ mit dem italienischen Bildungsministerium, durch welches das Vigoni-Programm für den deutsch-italienischen projektbezogenen Personenaustausch unter der Programmbezeichnung „PPP Italien“ neu aufgelegt werden kann.

DAAD-Alumni-Treffen der Juristen in Rom

DAAD/Annarita Jenco

Unterzeichnung des MoU "MIUR-DAAD Joint Mobility Program" (PPP Italien): DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel mit Professor Marco Mancini (Abteilungsleiter für "Hochschulen und außeruniversitäre Forschung" im italienischen Ministerium für Bildung, Universitäten und Forschung MIUR) und, stehend von links nach rechts: Professor Federico Cinquepalmi (Abteilungsleiter für "Internationalisierung der Forschung" im MIUR), Susanne Wasum-Rainer (Deutsche Botschafterin in Italien) und Tobias Bargmann (Leiter des DAAD-Informationszentrums Rom)

Fachlich vielschichtiges Programm

Den rechtswissenschaftlichen Austausch betrieben die Alumni in Rom mit einem vielschichtigen Vortrags- und Diskussionsprogramm. Die Frage „Wie erkennt man das wahrhafte Recht?“ behandelte Thomas Kluger, DAAD-Alumnus und Richter am Landgericht Magdeburg, in einem Tandemvortrag gemeinsam mit Markus Graulich, Professor für Grundfragen und Geschichte des Kirchenrechts an der Päpstlichen Universität der Salesianer in Rom. Der internationalen Pluralität der Rechts- und Kulturordnungen waren gleich drei Vorträge gewidmet. Hier machte der italienische DAAD-Alumnus Dr. Luigi Malferrari, Mitglied des juristischen Dienstes der Europäischen Union, die mit dem EU-Motto „In Vielfalt geeint“ verbundenen Herausforderungen für die Praxis des Europäischen Gerichtshofs und der EU-Kommission deutlich.

DAAD-Alumni-Treffen für Juristen in Rom

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Richterin Angelika Peck diskutierte auf dem Podium mit den Alumni Julia Lemke, Doktorandin am Institut für Recht und Ökonomik der Universität Hamburg, und Ugo Pioletti, Professor für Strafrecht an der Universität Camerino


Angelika Peck, DAAD-Alumna und Richterin am Amtsgericht Berlin-Tiergarten, hielt einen Vortrag innerhalb des Podiums „Korruption als Rechts- und Kulturproblem: Eine Zukunftsfrage Europas“. Im Gespräch zeigte sie sich in Rom beeindruckt vom internationalen Charakter des Alumni-Treffens. Es ist eine Kultur, die sie auch in ihrer Arbeit am Amtsgericht Berlin-Tiergarten pflegt, etwa wenn sie im Rahmen des „European Judicial Training Network (EJTN)“ ausländische Kollegen zu Gast hat und sie über das deutsche Rechtssystem informiert. Vom Wert des Austauschs ist Peck überzeugt: „Man kann gar nicht genug dafür tun, dass die Menschen miteinander reden. Nur wenn man sich austauscht, kann man einander verstehen.“

Johannes Göbel (29. September 2015)