"Uns wird sehr viel Sympathie entgegengebracht"

DAAD

Dr. Roman Luckscheiter

Neuanfang in einem Land im Wandel: Seit September 2014 leitet Dr. Roman Luckscheiter die DAAD-Außenstelle Kairo. Im Interview spricht er über seinen Blick auf die Umbrüche in Ägypten, das große Interesse an der Zusammenarbeit mit Deutschland und das enorme Potenzial des akademischen Austauschs.

Herr Dr. Luckscheiter, seit dem Beginn des „Arabischen Frühlings“ vor bald vier Jahren wird Ägypten von tiefgreifenden Veränderungen geprägt. Wie erleben Sie das Land?

Ich erlebe vor allem Menschen, die etwas bewegen und aufbauen wollen. Die Motivation in Wissenschaft und Politik, gemeinsam mit Deutschland neue Wege zu gehen und drängende Probleme zu lösen, ist sehr groß. Das betrifft natürlich in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit, aber auch Umweltprobleme, Fragen der medizinischen Versorgung oder Herausforderungen in der Städteplanung. Uns wird sehr viel Sympathie entgegengebracht. Gerade auch weil Deutschland und der DAAD in der Vergangenheit über alle Schwierigkeiten hinweg starke Partner waren. Die DAAD-Außenstelle Kairo ist bereits seit 54 Jahren ein Anziehungspunkt. Das hat sich durch die 2011 vereinbarte Transformationspartnerschaft zwischen Deutschland und Ägypten noch einmal verstärkt.

Sie sehen den Wandel Ägyptens trotz Rückschlägen hoffnungsvoll…

Grundsätzlich ja, vor allem aufgrund der zahlreichen jungen, motivierten Talente, denen ich bereits während meiner ersten beiden Monate an der DAAD-Außenstelle Kairo begegnet bin, seien es Stipendiaten, Alumni oder andere, an unserer Arbeit interessierte Persönlichkeiten. Zum Beispiel ist der neue Generaldirektor des nationalen Prestigeprojekts „Grand Egyptian Museum“, Prof. Dr. Tarek Sayed Tawfik, ein DAAD-Alumnus und guter Freund der Außenstelle. Solche herausragenden Persönlichkeiten mit Bezug zum DAAD finden Sie in Ägypten in allen Fachbereichen. Grundsätzlich wird der Wissenschaft in Ägypten ein enormer Stellenwert beigemessen; die Modernisierung des Landes wird sehr stark mit der Entwicklung und Internationalisierung der Bildung, insbesondere der Hochschulbildung, verknüpft. Diesen Anspruch nehmen wir ernst. Genauso ernst nehmen wir aber auch die Frage, wie es um die Freiheit von Forschung und Lehre in Ägypten bestellt ist, und beobachten die entsprechenden Entwicklungen genau.

Vor Ihrem Wechsel an die Außenstelle Kairo waren Sie in der Bonner Zentrale des DAAD als Referatsleiter für Hochschulprojekte im Ausland zuständig. Ein herausragendes Beispiel für das Potenzial der Transnationalen Bildung ist die German University in Cairo (GUC), das mit rund 10.000 Studierenden weltweit größte vom DAAD geförderte Hochschulprojekt.

Der Standort Kairo zeigt besonders deutlich, wie attraktiv transnationale Ansätze in der Bildung sein können. Von meiner vorherigen Aufgabe habe ich nach Kairo das Wissen mitgenommen, wie wichtig der kooperative Ansatz ist. Der DAAD will nicht einfach „das deutsche Modell“ abliefern, sondern setzt auf das Engagement der Akteure in den Partnerländern. Unser Ziel ist es, diese engagierten Partner bei ihrer Internationalisierung zu unterstützen. Für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist dabei „capacity building“ ganz wichtig, etwa im Projektmanagament, im Marketing, aber auch im „proposal writing“. Hierfür ist unsere DAAD Kairo Akademie das geeignete Instrument, an der wir bisher über 400 Module angeboten und über 8.000 Teilnehmer erreicht haben. Da profitieren wir auch davon, dass deutsche Hochschulen diesen Sensibilisierungsprozess für „soft skills“ auch erst in den letzten Jahren durchlaufen haben.

An welche Kooperationen können Sie in Ihrer Arbeit anknüpfen?

Begeistert bin ich zunächst einmal von den vier kofinanzierten Stipendienprogrammen, die der DAAD gemeinsam mit den Ministerien für Hochschulbildung und für Forschung als Resultat des Deutschen Wissenschaftsjahrs 2007 erfolgreich etablieren konnte. Hier hat sich auch die ägyptische Seite in den vergangenen Jahren konstant finanziell in Millionenhöhe engagiert. Dann gibt es eine Reihe bilateraler Studiengänge, die unter anderem in den Bereichen Erneuerbare Energie, Bildungsmanagement, Pflege des kulturellen Erbes oder Städteplanung Nachwuchskräfte für einen sehr aktuellen Bedarf ausbilden, was hoffentlich auch langfristig von den ägyptischen Hochschulen erkannt und übernommen wird. Dank der Mittel des Auswärtigen Amts für die Transformationspartnerschaften sind zudem in nahezu allen Fachbereichen zahlreiche äußerst innovative und sozial relevante Kooperationen entstanden, die entsprechende Aufmerksamkeit genießen: So wurde neulich im Beisein des Forschungsministers ein „Memorandum of Understanding“ zwischen der Alexandria University, der Cairo University und der TU München für ein Projekt zur Aufforstung von Wüstengebieten mittels Abwasser unterzeichnet. Das Projekt setzt Akzente für nachhaltiges Wirtschaften und wurde vom Minister zur Nachahmung empfohlen.

Das Projekt zeigt beispielhaft, dass Ägypten für deutsche Hochschulen wertvolle Zugänge zu interessanten Forschungsbedingungen für viele Fächer bietet, man denke nur an die Solarenergie oder die Forschung zu bestimmten Krankheiten. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang die Funktion des 2012 gegründeten „Deutschen Wissenschaftszentrums“ (DWZ) in Kairo, dessen Konsortialführer der DAAD ist, und das sich als lebendiges Forum für den Austausch von Experten und Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft beider Länder erweist, etwa auch in den Sozialwissenschaften.

Wie wollen Sie in den kommenden Jahren die deutsch-ägyptische Zusammenarbeit ausbauen?

Erstens liegt mir viel daran, dass Interesse deutscher Akademiker an Ägypten wieder zu stärken und wieder mehr Studierende und Wissenschaftler für den Standort zu gewinnen, der ja auch als Drehkreuz sowohl für den Nahen Osten als auch für die Zusammenarbeit mit Afrika noch an Bedeutung gewinnen wird. Da wollen wir mit der Außenstelle, aber auch im Rahmen des DWZ, eine zentrale Anlaufstelle sein. Zweitens sehe ich es als Herausforderung für meine Zeit in Ägypten an, die unglaubliche Vielzahl der bestehenden und angestoßenen Kooperationen einmal fachlich miteinander zu vernetzen und thematische „Cluster“ der bilateralen Wissenschaftsbeziehungen zu bilden, die unsere Arbeit dann auch noch sichtbarer und anschlussfähiger machen. Wir vergeben zum Beispiel viele Fördergelder in den wichtigen Bereich Agrarwissenschaften, ohne dass das als besonderer Fokus der Zusammenarbeit mit Deutschland besonders bekannt wäre. Und drittens möchte ich die Zusammenarbeit auch mit internationalen Organisationen wie etwa der Unesco suchen, die für die nachhaltige Verankerung unserer Arbeit interessante Partner in der Region werden könnten. Die Zeichen dafür stehen ganz gut.

Sie sind Germanist und waren beim DAAD auch schon für die weltweite Förderung von Deutsch als Fremdsprache zuständig. Bei Ihrer Amtseinführung in Kairo haben Sie deutlich gemacht, dass Sie dieser Bereich auch weiterhin beschäftigen wird.

Ja, die Nachfrage nach Deutsch ist in Ägypten riesig. Allerdings verbinden sich hiermit ganz unterschiedliche Berufsbilder: Das reicht von der Arbeit im Call Center bis zur preisgekrönten Nachwuchsforscherin in der Germanistik. Wir wollen die Deutschvermittlung noch besser an der Nachfrage ausrichten, die nicht unbedingt in die Philologie zielt, und haben da in letzter Zeit auch schon mit entsprechend zugeschnittenen Lektoraten in Alexandria und an der Helwan Universität Vorstöße unternommen. Auch eine stärkere Anwendungs- und Berufsorientierung der Germanistik kann dazu beitragen, der ägyptischen Gesellschaft neue Perspektiven im internationalen Kontext zu eröffnen.

Johannes Göbel (5. November 2014)

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Tradition und neue Impulse: der DAAD in Ägypten

Das 1960 eröffnete Büro in Kairo ist weltweit die zweitälteste DAAD-Außenstelle. Neue Impulse haben die traditionsreichen deutsch-ägyptischen akademischen Beziehungen durch die 2011 auf Initiative des Auswärtigen Amts vereinbarte Transformationspartnerschaft erhalten; der DAAD beteiligt sich an der Partnerschaft mit speziellen Förderprogrammen. Für die gute Vernetzung des DAAD in Ägypten steht auch die 2011 gegründete „DAAD Kairo Akademie“, die unter dem Dach der Außenstelle überfachliche Fortbildungsangebote für ägyptische Nachwuchswissenschaftler anbietet – mittlerweile auch an Universitäten und Forschungseinrichtungen im ganzen Land. Besondere Strahlkraft hat zudem das Deutsche Wissenschaftszentrum (DWZ) Kairo entwickelt. Unter der Konsortialführerschaft des DAAD und der Leitung von Dr. Roman Luckscheiter wirbt das DWZ erfolgreich für den Wissenschafts-, Technologie- und Innovationsstandort Deutschland; Partnerinstitutionen sind unter anderem die Freie Universität Berlin, die Fraunhofer-Gesellschaft und die Alexander von Humboldt-Stiftung.