Raum für konstruktive Kritik

DAAD/Ulf Dieter

Gruppenbild mit Bundestag: Stipendiaten beim Treffen in Berlin

Für rund 20 pakistanische und deutsche Studierende der Politikwissenschaften drehte sich in Marburg und Berlin acht Tage lang alles um das "Gute Regieren" - auf einer Studienreise, gefördert über das DAAD-Sonderprogramm "Good Governance Pakistan". Mit Mitteln des Auswärtigen Amtes stärkt der DAAD gezielt die demokratischen Kräfte Pakistans, seit das Land 2013 einen demokratisch vollzogenen Machtwechsel erlebte.

Abdul Rehman sitzt in einem Seminarraum des sozialwissenschaftlichen Instituts der Berliner Humboldt-Universität. Vor den Fenstern ziehen Menschen und der Verkehr der Metropole vorbei. Der pakistanische Student ist einige Tage in der deutschen Hauptstadt und verfolgt gespannt eine Debatte über eine zentrale Frage internationaler Politik: Sollen oder dürfen Staaten, die anderen Staaten Geld für die Entwicklungshilfe geben, an diese Gelder Bedingungen knüpfen? Intervenieren für „Good Governance“? Das Podium ist mit drei deutschen Politikwissenschaftlerinnen sowie Vertretern des Auswärtigen Amtes, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und deutscher NGOs prominent besetzt. Abdul Rehman diskutiert im politischen Berlin lebhaft mit.

„Uns hat sich ein Raum für kritischen Gedankenaustausch geöffnet, in dem jeder von unterschiedlicher Position aus seine Argumente vorstellen und vorantreiben konnte“, erzählt Abdul Rehman begeistert über die achttägige Studienreise, die der DAAD ihm und einem Kreis von rund 20 Politikwissenschaftlern aus Pakistan und Deutschland ermöglichte. Abdul Rehman macht seinen Master am National Institute of Pakistan Studies der Quaid-I-Azam-Universität in Islamabad. Er studiert dort unter anderem bei der DAAD-Langzeitdozentin PD Dr. Andrea Fleschenberg dos Ramos Pinéu, die gemeinsam mit der Universität Marburg die Studienreise organisierte. Unvergesslich für den Pakistaner bleiben vielschichtige Seminare und Informationsveranstaltungen in Marburg und Berlin, die von konstruktiver Kritik und der Pluralität politischer Ansichten lebten: „Wir haben uns zum Beispiel gegenseitig unsere aktuellen Arbeiten vorgestellt und dann sehr lebhaft gestritten – um Fragen der finanziellen Unterstützung in der Entwicklungspolitik, über Einflussnahme und Manipulation, die damit einhergehen können.“

Konstruktiver Streit ist gewollt

Die kritische Auseinandersetzung der jungen Pakistaner auf ihrer Reise berührte auch das DAAD-Förderprogramm selbst, das mit finanziellen Mitteln des Auswärtigen Amtes zur Krisenprävention ausgestattet ist. Über die gezielte Mittelvergabe möchte die deutsche Regierung die demokratischen Kräfte Pakistans stärken – auch das bedeutet, Einfluss zu nehmen. Genau um diese in vieler Hinsicht strittige Debatte jedoch gehe es, sagt Lars Gerold, Leiter des Referats für Pakistan und Afghanistan im DAAD. „Mit dem Sonderprogramm 'Good Governance Pakistan' sollen unter jungen Pakistanern gerade kritische Debatten über Konzepte guten Regierens in ihrem Heimatland angestoßen werden.“

Das auf drei Jahre angelegte DAAD-Programm finanziert nicht nur Studienreisen für Nachwuchswissenschaftler nach Deutschland. Kern des Sonderprogramms sind 15 Masterstipendien, die an ausgewählte pakistanische Führungskräfte vergeben werden – die ersten studieren bereits seit Oktober 2013 an acht deutschen Hochschulen im erfolgreichen DAAD-Programm „Public Policy and Good Governance“ (PPGG). Bewerben kann sich, wer einen ersten Hochschulabschluss in Fächern wie Politikwissenschaften, Wirtschaft oder Recht hat und zudem erste Arbeitserfahrungen vorweisen kann. An renommierten deutschen Hochschulen, wie etwa der Berliner Hertie School of Governance oder der Leuphana Universität Lüneburg, lernen die Programmteilnehmer die Prinzipien guter Regierungsführung kennen. Ziel der Ausbildung ist, orientiert an diesen Grundsätzen möglichst praxisnah konkrete Ideen zu entwickeln, die die Gesellschaft Pakistans voranbringen. Schließlich unterstützt das Programm auch die Mobilität von Wissenschaftlern über internationale Konferenzen, auf denen sie sich mit deutschen Kollegen und Teilnehmern aus Wirtschaft und Gesellschaft austauschen können.

Für eine bessere Zukunft

In Berlin sahen sich die Stipendiaten schließlich auch das deutsche Parlament an. Die pakistanische Doktorandin Tabinda Siddiqui faszinierte besonders das Reichstagsgebäude: „Es symbolisiert, dass Menschen in eine bessere Zukunft voranschreiten können.“ Fortschritt für die pakistanische Gesellschaft scheint Siddiqui indes insbesondere durch die Form intensiven und kritischen Austauschs mit anderen möglich, die sie auf der Studienreise erlebte. Und auch für die Marburger Masterstudentin Laura Jäkel bedeutet die Begegnung mit den pakistanischen Kollegen eine Erweiterung des persönlichen Horizontes: „In der Konfrontation mit ganz anderen Ansichten, anderen Blickwinkeln und Wünschen, selbst mit einer anderen Art zu argumentieren, erkennt und überwindet man hierzulande den eurozentrischen Blick.“

Bettina Mittelstraß (30. Januar 2014)