Forschungspartner mit Vorteilen

AllWet RES

Nutzung der Feuchtgebiete im afrikanischen Alltag: Das Forschungsprojekt "AllWet RES" setzt auf ein Umdenken

Deutsche Nachwuchswissenschaftler sammeln Heilpflanzen im Regenwald, sie befragen Bauern in küstennahen Feuchtgebieten und untersuchen den Ölgehalt äthiopischer Pflanzensamen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte DAAD-Programm "Welcome to Africa" verzeichnet bereits zur Halbzeit deutliche Erfolge. Wir haben nachgefragt, was sich seit dem Projektstart 2012 getan hat, und stellen drei naturwissenschaftlich ausgerichtete Forschungspartnerschaften vor.

Im tropfnassen Gelände des Mount Cameroon sind seit zwei Jahren immer wieder Nachwuchswissenschaftler der Technischen Universität Dortmund unterwegs. Viele von ihnen sind zum ersten Mal in einem tropischen Land. Unter teils schwierigen, auf jeden Fall anstrengenden Bedingungen suchen sie im schwülen Regenwald nach Pflanzen mit entzündungshemmenden Wirkstoffen. Die Proben dienen als Grundlage für die Arbeit im Labor. In einem praktischen Kurs erlernen Masterstudierende und Promovenden aus Dortmund gemeinsam mit Nachwuchswissenschaftlern der Yaoundé Universität in Kamerun das mikrobielle Arbeiten an Umweltproben. „In den gesammelten Pflanzen haben wir bereits etliche vielversprechende Verbindungen gefunden, die antibakteriell wirken oder in der Behandlung von Tumoren eingesetzt werden könnten“, erklärt Projektleiter Michael Spiteller, Professor für Chemie am Institut für Umweltforschung der TU Dortmund. Die afrikanischen Partner sind bei der Suche nach den Heilpflanzen unentbehrlich. „Sie vermitteln uns zum Beispiel Kontakte zu traditionellen Heilern, die das Gelände gut kennen.“ Die am Projekt beteiligten Studierenden und Nachwuchswissenschaftler der University of Yaoundé wiederum geben die im Labor gewonnenen Fähigkeiten in eigenständigen Kursen an ihrer Universität weiter.

Zugang zu neuen Inhaltsstoffen

Die deutsch-afrikanischen Forscherteams sind im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Programms „Welcome to Africa“ unterwegs. Insgesamt elf Projekte mit Hochschulen, beispielsweise in Südafrika, Namibia, Kamerun oder Mosambik, sind bewilligt worden und werden mit einem Gesamtbudget von 3,3 Millionen Euro unterstützt. Über einen Zeitraum von drei Jahren gibt der DAAD deutschen Hochschulen die Möglichkeit, sowohl neue Kontakte zu afrikanischen Hochschulen zu knüpfen, als auch bereits bestehende Partnerschaften auszubauen und den gegenseitigen wissenschaftlichen Austausch zu aktivieren. So arbeiten das Institut für Pharmazie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und die School of Pharmacy der Addis Ababa University seit vielen Jahren eng zusammen. „Die Nachwuchswissenschaftler aus Addis erlernen bei uns Hightech-Methoden zur Identifizierung und Gewinnung von Wirkstoffen in Pflanzen, die sie später in ihren Heimatländern anwenden können“, erklärt Reinhard Neubert, Professor für Biopharmazie an der Universität Halle-Wittenberg. „Aber die Zusammenarbeit bringt auch uns sehr viel: Wir erhalten Zugang zu Materialien, in denen sich viele interessante, teils neue Inhaltsstoffe identifizieren lassen, aus denen man dann effektive Arzneiformen entwickeln kann.“ Eine im Rahmen des DAAD-Programms entstandene Forschungsplattform schuf die Möglichkeit, viele kleinere Projekte, die auf bilateraler Ebene bereits liefen, zusammenzuführen. „Der Austausch erhält einen ganz anderen Drive“, beobachtet Projektleiter Neubert. „Bislang kamen äthiopische Studierende vor allem zu uns; jetzt bemerken wir eine viel stärkere Orientierung Richtung Afrika.“ Eine Ende 2013 vom DAAD durchgeführte Evaluierung zeigt, dass sich diese Entwicklung auch bei den anderen Projektpartnern beobachten lässt.

Mehr Deutsche nach Afrika

Das Interesse an afrikanischen Forschungsthemen zu wecken ist eines der Ziele des „Welcome to Africa“-Programms. „Im Rahmen einer nachhaltigen Forschungszusammenarbeit fördern wir gezielt den Austausch deutscher Studierender, Graduierter oder Nachwuchswissenschaftler mit afrikanischen Partneruniversitäten“, sagt Cay Etzold, Leiter des Referats „Östliches und Südliches Afrika“ beim DAAD. Mit Erfolg: Die Zahl der geförderten Masterarbeiten und Dissertationen mit Afrika-Bezug übertrifft bereits Anfang 2014 die ursprünglichen Erwartungen. „Wir haben erreicht, dass mehr Deutsche nach Afrika gehen“, so Etzold. Aus etlichen der Projektpartnerschaften sind gemeinsame wissenschaftliche Publikationen und Folgeprojekte hervorgegangen. „Es überrascht uns positiv, dass aus einem Programm, das stark aus deutscher Sicht gefahren wird, derartig nachhaltige Forschungsstrukturen in Afrika entwickelt werden.“

Modellcharakter entwickelt beispielsweise das interdisziplinäre Forschungsprojekt „AllWet RES: Alliance for Wetlands – Research and Restoration“. Junge Wissenschaftler aus München, Berlin und Südafrika erforschen im Projektgebiet Maputaland, wie sich küstennahe Feuchtgebiete renaturieren und nachhaltig nutzen lassen. Früher haben Sumpfwälder, Moore und andere Feuchtgebiete an der Ostküste von Südafrika und Mosambik ein dichtes Netzwerk zwischen den sandigen Dünen gebildet und die Landschaft ausreichend mit Wasser versorgt. Jahr für Jahr werden jedoch weitere Teile der Sumpfwälder gerodet, entwässert und abgebrannt. „Unsere europäischen Vorstellungen von Umweltschutz lassen sich nicht einfach eins zu eins in Entwicklungsländern anwenden“, betont Projektkoordinator Dr. Jan Sliva. „Die bäuerliche Nutzung müssen wir aus historisch-kulturellen Gründen akzeptieren, aber wir versuchen, sie in Bahnen zu lenken.“ Der Naturwissenschaftler vom Lehrstuhl für Renaturierungsökologie der TU München in Weihenstephan koordiniert die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin sowie mit den beiden südafrikanischen Partneruniversitäten, der University of Zululand in der Provinz KwaZulu-Natal und der University of the Free State in Bloemfontein. „Zwei Gruppen aus Doktoranden, Masterstudierenden und Praktikanten waren bereits für längere Zeit vor Ort, haben die Bevölkerung nach ihren Bedürfnissen befragt, verschiedene Geländeuntersuchungen durchgeführt und die Ergebnisse in empirischen Studien ausgewertet“, erklärt Jan Sliva. Die Wissenschaftler werden auf afrikanischer Seite als Experten geschätzt; ihre Meinung ist auf politischer Ebene gefragt. „Das ist natürlich auch für unsere Studierenden sehr motivierend“, stellt Sliva fest. „Sie arbeiten nicht für die Schublade.“ In der engen Zusammenarbeit mit lokalen Stammesgemeinden, NGOs und Verwaltung sind gute und tragfähige Kontakte entstanden. Jan Sliva sieht positive Anzeichen dafür, dass die Ausarbeitung alternativer Nutzungskonzepte auch über das offizielle Ende des „AllWet RES“-Projekts hinaus weitergehen kann. „Wir verhandeln mit der Regierung über Projekte, die auch in anderen Regionen Südafrikas attraktive Alternativen des landwirtschaftlichen Anbaus aufzeigen könnten."

Gunda Achterhold (22. Januar 2014)