Den Horizont erweitern

DAAD/ C. Lord Otto

Zusammenkunft der Stipendiaten in der Alten Aula: Ehrwürdiges Gebäude, lebendige Atmosphäre

Seit zehn Jahren ermöglicht das stark nachgefragte RISE-Programm des DAAD nordamerikanischen und britischen Studierenden Praktika an Hochschulen und Forschungsinstituten in Deutschland. Beim Jubiläumstreffen der Stipendiaten in Heidelberg fanden die Festredner anerkennende Worte – und die Stipendiaten konnten Forschungsvorhaben anschaulich präsentieren.

In der Alten Aula der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität herrscht beste Stimmung: Rund 300 junge Menschen haben Platz genommen. Sie plaudern, lachen und zeigen einander Fotos. Eine ungezwungene Atmosphäre. Die muntere Menge hat sich gleichwohl zu einem feierlichen Jubiläumstreffen zusammengefunden: Seit zehn Jahren fördert der DAAD mit dem Programm „Research Internships in Science and Engineering (RISE)“ Studierende aus natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen an US-amerikanischen, kanadischen und britischen Universitäten; in Heidelberg findet alljährlich ein großes Stipendiatentreffen statt. Die RISE-Praktika bieten Studierenden die Möglichkeit zu einem zwei- bis dreimonatigen Forschungsaufenthalt in Deutschland. Das Angebot erfreut sich großer Beliebtheit: In den vergangenen zehn Jahren haben rund 2.800 angehende Akademiker aus den besagten Ländern die Chance genutzt und ein entsprechendes RISE-Stipendium erhalten.

„Ideale Kombination“

Die internationale Mobilität von Studierenden ist stark im Wandel – sowohl in Europa wie auch auf dem nordamerikanischen Kontinent. „Der Trend geht bei den Nordamerikanern bereits seit Jahren zu kurzen Auslandsaufenthalten“, erläutert Miriam Hippchen, die für RISE zuständige Referatsleiterin des DAAD. Einer der Gründe seien die Studiengebühren an den Heimatuniversitäten. Die RISE-Forschungspraktika jedoch finden während der vorlesungsfreien Zeit im Sommer statt und lassen sich somit hervorragend in den Studienverlauf einpassen. Miriam Hippchen betont: „Sie sind eine ideale Kombination aus akademischer Horizonterweiterung, Praxiserfahrung und dem Kennenlernen einer anderen Kultur.“

„Wissenschaft ist ein Abenteuer“

Während seiner Begrüßungsrede in der Alten Aula hebt der Heidelberger Universitätsrektor Professor Bernhard Eitel die Bedeutung des akademischen Nachwuchses für Wissenschaft und Hochschulen hervor: „Wir müssen deshalb neue Wege finden, um den internationalen Austausch zu fördern.“ RISE biete hier erstklassige Perspektiven. Das Programm ist zudem „eine Chance für deutsche Forschungsinstitutionen, dauerhafte Verbindungen zu anderen Universitäten aufzubauen“, betont der kanadische Botschaftsvertreter Eric Walsh in seiner Ansprache. Auch Dr. Klaus Wehrberger, der als Gruppenleiter bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unter anderem für die DFG-Forschungszentren zuständig ist, heißt die Stipendiaten herzlich willkommen. Die anstehenden Monate „werden einen großen Einfluss auf Ihr Leben haben“, sagt Wehrberger. „Wissenschaft ist ein Abenteuer.“ Dass das speziell für das RISE-Programm gilt, zeigt ein Blick auf die Forschungsvorhaben der Nachwuchswissenschaftler aus den USA, Kanada und Großbritannien.

Die Stipendiaten gehen Doktoranden bei deren täglicher Forschungsarbeit zur Hand – und bekommen so wertvolle Einblicke in die wissenschaftliche Praxis. Welche zukunftsweisenden Themen dabei unter die Lupe genommen werden, machen beim Heidelberger Treffen die Präsentationen der Stipendiaten deutlich. Husna Anwar zum Beispiel, Studentin am Mount Holyoke College in South Hadley, Massachusetts, ist zurzeit in Mainz am Max-Planck-Institut für Polymerforschung tätig. Dort unterstützt sie das Team von Frédéric Laquai bei der Entwicklung neuer organischer Materialien für die Herstellung von Solarzellen.

Lichtumwandelnder Kunststoff

Die bisherige Photovoltaik basiert in erster Linie auf der Verwendung von Silizium als halbleitendem Werkstoff. Seine Funktion ist die Umwandlung von Sonnenenergie in elektrischen Strom – mit hoher Effizienz. Die bewährte Technik hat jedoch auch ihre Nachteile, wie Husna Anwar erklärt. „Silizium ist ein ziemlich sperriges Material.“ Wenn es stattdessen gelänge, Solarzellen aus lichtumwandelndem Kunststoff zu konstruieren, wären diese um ein Vielfaches dünner und leichter. Bei der Produktion ließen sich zudem Kosten sparen. „Die Idee ist, dass man diese Polymere wie einen Farbstoff einsetzen und auf folienartige Unterlagen drucken kann“, sagt Anwar. Das würde dem Einsatz von Photovoltaik ganz neue Möglichkeiten eröffnen.

Mysterien der Genetik

Ariana Mirzarafie-Ahi indes befasst sich in diesem Sommer mit einem der größten Mysterien der Genetik. Sie studiert am Birbeck College der University of London und reiste für ihr RISE-Praktikum nach Münster zur Westfälischen Wilhelms-Universität. Ihr Ziel: die genaue Identifizierung von so genannten Transposons. Diese DNA-Sequenzen sind überaus häufig, erklärt Mirzarafie-Ahi. Beim Menschen machen sie knapp 40 Prozent des Erbguts aus, bei Mais sogar rund 90 Prozent. Transposons tragen keine für den Stoffwechsel relevanten genetischen Codes und sind normalerweise stillgelegt. Manche jedoch bleiben aktiv: Sie entfernen sich von ihrer ursprünglichen Position und nisten sich an einer neuen Stelle in den DNA-Ketten ein. Gene können dadurch beschädigt werden oder, in seltenen Fällen, eine zusätzliche Funktion erhalten. „So entsteht Variation in vielerlei Weise“, sagt Ariana Mirzarafie-Ahi. Die Frage ist nun, ob sich die Transposons nach dem Zufallsprinzip verteilen, oder ob sie in bestimmten Bereichen des Erbguts verstärkt auftreten. Wenn ja, kommt ein Teil der genetischen Vielfalt womöglich durch einen Mechanismus zustande, der nicht auf zufälligen Mutationen beruht.

So individuell die Beispiele von Ariana Mirzarafie-Ahi und Husna Anwar auch sind, sie zeigen, was für das RISE-Programm seit zehn Jahren prägend ist: Vom akademischen Austausch im Bereich der Natur- und Ingenieurwissenschaften können nicht nur junge Talente aus Nordamerika und Großbritannien profitieren, sondern auch die deutsche Forschungslandschaft.

Kurt de Swaaf (15. Juli 2014)

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