Lokale Impulse, die Hoffnung machen

© Masao Nishigaki

Die Konferenzteilnehmer während der Eröffnung des Symposiums durch Andreas Kirchner, Leiter der Wissenschaftsabteilung der Deutschen Botschaft Tokyo

Austausch mit Weitblick: Organisiert von der DAAD-Außenstelle Tokyo und in Fortführung des Symposiums "Satoyama Landscapes in Japan, Germany and Beyond 2013" kamen Ende August erneut deutsche und japanische Wissenschaftler in Japan zusammen, um neue Ansätze zur nachhaltigen Nutzung von Kulturlandschaften zu diskutieren. Im Fokus: innovative Projekte in ausgewählten Regionen.

Ende August veranstaltete die DAAD-Außenstelle Tokyo, unterstützt mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft Tokyo, dem Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus Tokyo, dem Science Council of Japan und der Präfektur Fukui ein zweitägiges „Deutsch-Japanisches Satoyama Forum“. „Satoyama“ – der in Japan geprägte Begriff wird mehr und mehr zum Synonym für eine Landschaft, in der sich Bewirtschaftung und natürliche Entwicklung im Einklang befinden. In der Präfektur Fukui hatten Wissenschaftler aus unterschiedlichsten Fachbereichen die Möglichkeit, ihre Forschungsansätze zur Erhaltung der Artenvielfalt in Kulturlandschaften auszutauschen. „Wir haben das entsprechende DAAD-Forschungsmarketing in Japan letztes Jahr im Rahmen des DAAD-Jahresthemas 2013 'Nachhaltigkeit international gestalten' begonnen“, erklärte Dr. Holger Finken, Leiter der DAAD-Außenstelle Tokyo bis Juli 2014. „Die Kooperation mit den Universitäten Tokyo, Gießen und Marburg im Bereich der Biodiversitätsforschung hat sich sehr gut entwickelt. Wir sind besonders froh darüber, dass wir für die diesjährige Veranstaltung in der Präfektur das Komitee für Naturschutz und Renaturierung des Science Council of Japan gewinnen konnten.“

Andreas Kirchner, Leiter der Wissenschaftsabteilung der Deutschen Botschaft Tokyo, eröffnete die Konferenz vor 170 Teilnehmern und Gästen, die zum Teil von weit angereist waren. In den Vorträgen der fünf deutschen Wissenschaftler und ihrer neun japanischen Kollegen zeichnete sich dabei an beiden Tagen eine klare Schwerpunktverlagerung ab. Hatte der Fokus im Vorjahr noch vornehmlich auf der Suche nach einer gemeinsamen Basis und Fachsprache gelegen, rückten nun konkrete Maßnahmen in bestimmten Regionen ins Blickfeld.

Passend dazu fand die Veranstaltung auch nicht mehr in der Mega-Metropole Tokyo statt, sondern forschungsnah: im ländlichen Fukui. Die wenig besiedelte Präfektur am Japanischen Meer war historisch für ihre zahlreichen zen-buddhistischen Tempel und atemberaubenden Landschaften bekannt. Heute kennt man die Region vornehmlich als Standort von sechs Atomkraftwerken und 14 Kernkraftreaktoren – den meisten in einer der 47 Präfekturen in Japan. Im Mai 2014 legte die Präfektur-Verwaltung Einspruch gegen den Beschluss der Regierung ein, die Reaktoren ihres Kraftwerks Oi neu zu starten und verschaffte Japan damit – seit September 2013 – die bisher längste kernenergiefreie Zeit einer Industrienation.

Neue Wege in Fukui: Biodiversitätsforschung statt Atomkraft

Mit der Etablierung des „Fukui Prefectural Satoyama-Satoumi Research Institute“ scheint das Verwaltungsgebiet Fukui, dessen Wirtschaft so eng an die nationale Energieversorgung gekoppelt ist, ein neues Kapitel aufschlagen zu wollen. Vier Wissenschaftler mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen (Anthropologie, Ethnobotanik, Biologie und Ökologie) forschen hier seit April an direkten Fallbeispielen nach Strategien nachhaltiger Nutzung von Kulturlandschaften. In ihrer Arbeit stehen sie in engem Austausch mit Professorin Izumi Washitani (Universität Tokyo / Mitglied des Central Environment Council, Science Council of Japan) und mit dem Science Council in Tokyo, der die japanische Regierung in Fachfragen berät.

„Der Austausch mit Deutschland und dem Team von JAGUAR (an der Justus-Liebig-Universität Gießen angesiedeltes Forschungsprojekt zur Untersuchung von Biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen, Anmerkung der Redaktion) ist für uns von großer Bedeutung“, betont Dr. Jun Ishii, Mitglied der neuen Forschungsgruppe am Satoyama-Satoumi Research Institute. „Unsere Zusammenarbeit und die unterschiedlichen Perspektiven in Bezug auf Satoyama Landscapes, die wir im Rahmen des Workshops gehört haben, haben mich teils sehr überrascht und meinen Blick auf das Feld erweitert.“ Einen großen Anteil daran hatten wohl nicht zuletzt Professor Ernst-August Nuppenau (Justus-Liebig-Universtität Gießen) und Dr. Catherine Munroe Hotes (Nishikata Film Review), die das angereiste fünfköpfige Team deutscher Biologen, um einen Ökonomen und eine Literatur- und Filmwissenschaftlerin ergänzten. In einem an die Konferenz angeschlossenen Workshop legten sie jeweils die ökonomische und literaturwissenschaftliche Dimension der Satoyama-Kulturlandschaften dar.

Reisanbau mit Störchen und Karpfen

Ganz konkrete Eindrücke konnten die Konferenzteilnehmer während Exkursionen zu einem Marinemuseum, dem Suigetsu See und zu mehreren Reisfeldern gewinnen; auf den Feldern wurde der orientalische Weißstorch wiederangesiedelt.

Anstatt Pestizide und Mineraldünger zu verwenden, versucht eine Gruppe von Reisbauern in Fukui ihre Felder ökologisch auszurichten und greift dazu auf traditionelle Anbauformen zurück. Sie führten durch die Bewässerungsanlagen kleine Aale und Algen ein, die hungrige Störche in die Felder locken, und bauten Fischtreppen ein, die es Karpfen ermöglichen, vom umliegenden Fluss in die Reisfelder zu gelangen. Als Insektenfresser dienen die Karpfen und Störche derart einerseits als Schädlingsbekämpfer und ihre Ausscheidungen zugleich als Dünger. „Bei der Veranstaltung hat sich abgezeichnet, dass lokale Impulse 'etwas machen zu wollen', unabhängig davon sind, ob es sich wirtschaftlich lohnt. Das gilt für Japan vielleicht gegenwärtig noch stärker als für Deutschland“, resümierte DAAD-Alumnus Dr. Stefan Hotes, der das Projekt JAGUAR seit 2012 gemeinsam mit Dr. Fred Jopp leitet. „Ich würde es nicht dahingehend verallgemeinern, dass in Deutschland alles wirtschaftsorientiert ist und hier alles auf andere Werte ausgerichtet ist, aber die Vorbehalte gegen eine Monetarisierung von Natur und ihren Werten sind in Japan vielleicht noch größer als bei uns.“

Franziska Kekulé (3. September 2014)

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