"Jeder muss Zugang zu Bildung haben"

© DAAD / Eric Lichtenscheidt

"Chancengerechtigkeit und Förderung der Besten ist kein Widerspruch"

Bildung ist der Schlüssel zu individueller Entwicklung, beruflichem Erfolg und Wohlstand. Jeder Mensch sollte deswegen die bestmöglichen Chancen erhalten - unabhängig von seiner Herkunft, den materiellen Möglichkeiten seines Elternhauses oder der politischen Situation in seinem Land. Dieses gesellschaftliche Ziel unterstreicht der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) mit seinem Jahresthema "Chancengerechtigkeit in Bildung und Wissenschaft". Im Interview spricht DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland darüber, wie die Wissenschaftsorganisation Bildungsgerechtigkeit in Deutschland und der Welt fördert.

Frau Rüland, warum haben Sie „Chancengerechtigkeit“ zum DAAD-Jahresthema gewählt?

Bildungserfolg in Deutschland – aber auch in anderen Ländern – hängt immer noch sehr vom sozialen Status der Eltern ab. Hier gehen Bildungschancen verloren – für jeden Einzelnen und auch für die Gesellschaft. Mit „Chancengerechtigkeit“ drücken wir in unserem Jahresthema unsere Überzeugung aus, dass alle Menschen die Möglichkeit haben sollten, ihre Fähigkeiten optimal zu verwirklichen. Es ist Prinzip des DAAD, den wissenschaftlichen Nachwuchs weltweit zu fördern. Wir haben weder Fächer-, Länder- noch Genderquoten.

Wieso heißt es nicht „Chancengleichheit“?

Weil Menschen nicht gleich sind – das ist eine Utopie! Wir glauben aber, dass alle eine Chance erhalten sollten, das Beste aus ihrem Potenzial zu machen. Jeder muss Zugang zu Bildung haben – ungeachtet von Herkunft, Geschlecht und Religion, ungeachtet aber auch seines familiären Bildungshintergrundes, seines Alters, einer Behinderung oder der politischen Situation in seinem Land.

Wie verträgt sich Chancengerechtigkeit mit dem DAAD-Motto „Stipendien für die Besten“?

Hier existiert auf den ersten Blick vielleicht ein Spannungsfeld. Aber Chancengerechtigkeit und Förderung der Besten ist kein Widerspruch. Alle Länder brauchen hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte. Der globale Wettbewerb um die besten Talente wird eher zu- als abnehmen. Aber wir müssen natürlich Ländern, deren Bildungssysteme noch auf einem niedrigeren Niveau sind, die Möglichkeit geben, ihre Wissenschaftler, Lehrer und Hochschullehrer besser auszubilden. Deshalb vergeben wir nicht nur Stipendien für die Besten, sondern fördern Projekte, die darauf abzielen, Bildungssysteme zu verbessern. Häufig entwickeln wir Programme auch zusammen mit ausländischen Regierungen, um gezielt auf die Bedürfnisse der Länder einzugehen.

Und die Chancengerechtigkeit in Deutschland?

Das ist auch ein großes Thema, aber ich stelle schon Fortschritte fest, wenn wir bei „Chancengerechtigkeit“ neben BAföG und Frauenförderung auch an Inklusion, lebenslanges Lernen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und so weiter denken. Als DAAD möchten wir natürlich, dass die ausländischen Studierenden an unseren Hochschulen genauso erfolgreich abschneiden wie die Deutschen. Leider ist das noch nicht der Fall. Der DAAD unterstützt Hochschulen deshalb bei der Beratung, Betreuung und Integration ausländischer Studierender. Hier muss aber noch mehr getan werden. Bei den deutschen Studierenden streben wir an, dass die Hälfte eines Jahrgangs Erfahrungen an ausländischen Universitäten sammelt. Darauf zielt unsere Mobilitätsförderung. Sie sehen, das Thema wird uns auch noch weit über das Jahr 2014 hinaus beschäftigen.

Bastian von Jarzebowski (8. April 2014)