Mit Rechtsmedizin gegen die Dunkelziffer

UKE

Schriftliche Vor- und Nachbereitung des DNA-Workshops an der Universität Kairo 2013

Wo Menschen Gewalt angetan wird, werden Rechtsmediziner gebraucht - aber in Ruanda und Ägypten gibt es zu wenige dieser speziell ausgebildeten Ärzte. Zwei vom DAAD geförderte Projekte schaffen mit Sommerschulen und Hospitationen Abhilfe.

Im Programm PAGEL (Partnerschaften für den Gesundheitssektor in Entwicklungsländern) fördert der DAAD Projekte deutscher Hochschulen mit Bezug zum Gesundheitssektor. Zwei davon hat die Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf implementiert: Ihr Bestreben ist, den Bereich der klinischen Rechtsmedizin stärker in der medizinischen Ausbildung von Ruanda und Ägypten zu verankern. Wie notwendig das ist, zeigte der ruandische Genozid 1994: Wie ein Bericht von Human Rights Watch feststellte, gab es nicht genug Rechtsmediziner zur Identifizierung der Toten, zur Erkennung der Gewaltverletzungen der Überlebenden sowie zur Identifizierung der Täter bei Vergewaltigungen.

Die Verantwortung für beide Projekte trägt Prof. Dr. Klaus Püschel, der eine klare Zielvorstellung hat: „Die Etablierung eines in der Praxis dann auch gut funktionierenden Trauma-Zentrums, sowohl in Ruanda als auch in Ägypten.“ Ein pauschales Konzept gibt es hierfür allerdings nicht, denn die Organisationsstrukturen vor Ort werden sich etwas unterscheiden – schon alleine, weil Ruanda in punkto Einwohnerzahl das kleinste afrikanische Land ist und Ägypten das größte. Doch Mediziner werden an beiden Orten gebraucht. „Besonders wichtig ist die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, die die Problematik sowohl aus klinisch-rechtsmedizinischer als auch aus postmortaler Sicht beurteilen können“, sagt Püschel. „Auch die Spurensicherung spielt eine erhebliche Rolle. Insofern ist es relevant, Experten in verschiedenen Spezialdisziplinen auszubilden.“ Morphologie, Toxikologie, DNA-Technik und Spurenkunde sollten Einzug in den Wissensschatz der Ausbildung halten.

Aufbauarbeit im schwierigen Umfeld

In den Sommerschulen wird den Medizinern das nötige Wissen Stück für Stück näher gebracht. Ein Workshop befasst sich mit Autopsie, einer mit DNA-Spuren. Die äußere Untersuchung und Identifizierung des Opfers wird ebenso behandelt wie die Möglichkeit einer Hornhauttransplantation und das in Afrika verbreitete Problem von Vergewaltigungen mit Infektion. Auch das Erkennen und Behandeln eines Schütteltraumas, mit dem misshandelte Babys und Kleinkinder häufig in Kliniken eingeliefert werden, wird in einem eigenen Workshop gelehrt.

„Diese Projekte leisten Aufbauarbeit in sehr schwierigen und sensiblen Themenbereichen – und dies in einem nicht einfachen regionalen und gesellschaftlichem Umfeld“, sagt Ursula Hardenbicker, Leiterin des Referats "Hochschulkooperationsprojekte" im DAAD. Ein interdisziplinärer Ansatz, der den gesellschaftlichen Kontext mit einbezieht und die Rechtsmediziner auch in Psychologie und Soziologie bildet, soll das erleichtern.

Polizei begrüßt die Zusammenarbeit

In Ruanda läuft das Projekt von 2012 bis 2014 und wird vom DAAD mit etwa 225.000 Euro gefördert. „Um unsere weitergehenden Pläne realisieren zu können, benötigen wir dringend weitere finanzielle Unterstützung“, sagt Püschel. „Unsere Kooperationspartner aus Ruanda sind hochgradig interessiert, haben aber erkennbar auch keinen direkten Einfluss auf größere finanzielle Mittel. Von Seiten der Universität in Kigali und Butare, von Seiten der uns bekannten Selbsthilfeorganisationen und von Seiten von Polizei und Staatsanwaltschaft wird die Zusammenarbeit mit uns sehr begrüßt und ausdrücklich gefördert.“ Das ägyptische Projekt ist eine Weiterführung der in 2010 und 2011 bereits erfolgreich durchgeführten Hochschulkooperation mit dem Ziel, ein Kompetenzzentrum für Gewaltopfer in Ägypten zu etablieren. Für die vier Jahre hat der DAAD etwa 196.000 Euro zur Verfügung gestellt. Neben den Sommerschulen kommen auch Mediziner aus Kairo zu Hospitationen nach Hamburg. „Beide Projekte sind stark geprägt vom Engagement der Partner vor Ort“, hebt Püschel hervor. „Dieser Einsatzwille ist wirklich sehr eindrucksvoll.“

Julia Bähr (23. Juni 2014)